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    As Tears Go By
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    As Tears Go By
    Von Christian Horn

    Wong Kar-wais Erstlingswerk ist in seinem Stil zum einen von den Heroic-Bloodshed-Filmen aus dem Hongkongkino der späten 80er Jahre beeinflusst. Zum anderen lässt sich schon deutlich der spätere Stil des Autorenfilmers erkennen, etwa die experimentelle Bildästhetik, die orientierungslosen und einsamen Charaktere oder der Neondschungel Hongkongs als Kulisse für großstädtische Lebens- und Liebesdramen.

    1986 wurde mit John Woos „A Better Tomorrow“ ein neues Subgenre des Actionfilms namens „Heroic Bloodshed“ („Heldenhaftes Blutvergießen“) begründet, das ab Mitte der Achtzigerjahren eine bedeutende Rolle im Hongkongkino spielen sollte. Die Themen dieser Filme drehten sich um traditionelle chinesische Werte wie Treue und Freundschaft, die sie in einer Art melancholischem Abgesang feierten. Die Geschichten waren fast immer im Milieu der Chinesenmafia, den Triaden, angesiedelt und wurden im Spannungsfeld zwischen fast schon kitschiger Emotionalität und blutiger, ästhetischer Gewalt erzählt. Der Einsatz von Zeitlupe in Gewaltszenen wurde – von Sam Peckinpah inspiriert – stilbildend für das moderne Actionkino und die, am eindringlichsten von Chow Yun-Fat dargestellten, Antihelden des „Heroic Bloodshed“ wurden von Filmemachern immer wieder neu interpretiert.

    Auch der Protagonist aus „As Tears Go By“ kommt aus dem Gangstermilieu Hongkongs. Wah (Andy Lau) arbeitet als Geldeintreiber für die Triaden und hat einen „kleinen Bruder“, genannt Fly (Jacky Cheung), an seiner Seite. Diesen soll er ausbilden und in Schutz nehmen, was allerdings eine schwierige Aufgabe darstellt, da der aufbrausende Gefühlsmensch Fly sich immer wieder mit anderen Gangstern anlegt. Da zwischen den beiden eine tiefe Freundschaft besteht, nimmt Wah einiges auf sich, um Fly immer wieder aufs Neue aus der Klemme zu helfen. In diesem Teil der Geschichte geht es teilweise recht brutal zur Sache.

    Bereits am Anfang des Films bricht Wahs Cousine Ngor (Maggie Cheung) in diese Konstellation ein, da sie Wah aufgrund einer Krankheit besucht. Allmählich beginnen beide sich ineinander zu verlieben und der Plot der Geschichte wechselt zwischen Gangster- und Liebesgeschichte hin und her, wobei Wah das Bindeglied darstellt. Am Ende muss dieser sich entscheiden, ob er mit Ngor verschwindet und ein neues Leben anfängt oder Fly erneut den Rücken deckt. Er entscheidet sich für letzteres und besiegelt damit sein Todesurteil.

    Besonders in der Geschichte zwischen Ngor und Wah wird Wong Kar-wais späterer Stil deutlich: es werden hervorragende Aufnahmen in grellen Farbtönen und ein ausgefeiltes Spiel mit verschiedenen Kameraeffekten geboten. Kar-wai entwirft mit seinem Kameramann Lau Wai Keung bereits in seinem Debüt ansatzweise jene Bildästhetik, die er später mit Christopher Doyle an der Kamera zur Perfektion treiben wird (in seinen Filmen von „Days Of Being Wild“ bis 2046). Es gibt etwa eine Aufnahme zu sehen, die in der linken Hälfte ein verzerrtes Spiegelbild von Andy Lau zeigt, welcher sich in der rechten Bildhälfte bewegt. In “Chungking“ (1994) wird Wong Kar-wai diese Komposition noch einmal verwenden. Auch in der Musikgestaltung lässt sich Kar-wais spätere Stilistik erkennen, wenn der Song „Take my breath away“ - sich mehrmals im Film wiederholt dominierend - über eine Szene legt.

    Der eingangs erwähnte Einfluss des Heroic-Bloodshed-Films lässt sich in erster Linie in der Gangstergeschichte erkennen. Die Themen Freundschaft, Ehre und Gewalt zählen zu den wesentlichen Merkmalen dieses Subgenres aus Hongkong und werden in „As Tears Go By“ allesamt behandelt. Trotzdem hat Wong Kar-wai seine ganz eigene Vision erschaffen. Die filmästhetische Gestaltung der Beziehung zwischen Wah und Fly erinnert mehr an seinen späteren Film Fallen Angels (1995) als an die melodramatischen Blutballette eines John Woo (The Killer) oder Ringo Lam („City Of Fire“).

    Die größten Stärken hat der Film in der Liebesgeschichte, auch weil Andy Lau und Maggie Cheung sehr gut miteinander harmonieren und eine ausgereifte, intensive Darstellung bieten. Leider ist die Umsetzung dieses Teils etwas kurz geworden, was den Gesamteindruck jedoch nur unwesentlich trübt. Jacky Cheung kann seinen ausgeprägten Hang zum over acting auch in „As Tears Go By“ nicht gänzlich verbergen, was seiner Rolle als Fly jedoch weniger schadet als entgegen kommt.

    „As Tears Go By“ ist ein beachtliches Debüt geworden und bildet den inhaltlichen wie formalen Auftakt zu Wong Kar-wais späterem Schaffen. Die Bildästhetik, die Themen und die Darsteller werden in Kar-wais Filmen immer wieder auftauchen und zu Verknüpfungspunkten und Schnittstellen in dessen Gesamtwerk. Somit wird “As Tears Go By“ zum ersten Puzzleteil des filmischen Netzwerks, das Wong Kar-wai in der Folge mit seinem Oeuvre erschaffen hat.

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