Es geht doch nichts über einen zünftigen Psycho-Schocker. Mit jedem Schnitt hält der mitfiebernde Zuschauer buchstäblich den Atem an. Wer ist das nächste Opfer? Wer ist der Mörder? Kommen die Ermittler dem grausamen Treiben noch rechtzeitig auf die Schliche? Filme der Kategorie „Sieben“ oder „Das Schweigen der Lämmer“ gehören schon heute zu den modernen Klassikern der Kinogeschichte. Doch es geht auch eine Nummer kleiner. Wie man es richtig macht, zeigte im vergangenen Jahr James Mangold mit seinem starbesetzten Thriller „Identität“. Zwar wurde hier das Rad keineswegs neu erfunden, doch für schaurige Unterhaltung war trotzdem gesorgt. Wie man es nicht macht, wird uns Monat für Monat in den Videotheken bewiesen. Billigproduktionen wie „The Collector“ schaffen hierzulande oftmals nicht einmal den Weg in die Kinos und versuchen, inhaltliche Mängel durch ihre exzessive Gewaltdarstellung zu kompensieren. Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen pendelt sich Renny Harlins „Mindhunters“ ein.
In tiefster Nacht durchkämmen die beiden jungen FBI-Agenten J.D. Reston (Christian Slater) und seine Kollegin Sara Moore (Kathryn Morris) die verwahrlosten Häuser eines gottverlassenen Landstrichs. Sie sind auf der Suche nach einem durchgedrehten Ritualmörder. Die Zeit ist knapp, denn wenn sich der Täter an das bisher bekannte Muster hält, muss in kurzer Zeit sein nächstes Opfer das Leben lassen. Fast schon hoffnungslos und desillusioniert kommen die beiden am letzten Haus auf ihrer Liste an. Treffer! Vor dem Gebäude steht ein Fahrzeug, auf das die Fahndungsbeschreibung passt und aus dem Inneren dringen die verzweifelten Hilferufe einer jungen Frau. Die beiden Ermittler stürmen in den Keller des Hauses und überwältigen den Mörder. Doch die beiden begehen einen folgenschweren Fehler: Sie gehen fälschlicherweise davon aus, dass es sich beim Täter um einen Einzelgänger handelt. J.D. und Sara wiegen sich zu früh in Sicherheit und vernachlässigen ihre Deckung. J.D. wird aus dem Hinterhalt von einer Kugel tödlich getroffen und Sara liegt schwer verwundet am Boden.
Doch wie so oft ist nicht alles so wie es scheint. J.D. und Sara sind bisher lediglich Profiler in spe und die schaurige Szenerie entpuppt sich als Übungsparcours der besonders makaberen Sorte („Der Einsatz“ lässt grüßen) ihres unkonventionellen Ausbilders Jake Harris (Val Kilmer). Und leider sind die beiden Anwärter auf einen Posten beim FBI bei dieser Prüfung durchgefallen. Dieser kurze Prolog ist bereits exemplarisch für das Dilemma von „Mindhunters“. Der Film weiß durchaus mit interessanten und zumeist auch überraschenden Story-Twists zu punkten, doch die Auflösung wirkt all zu oft zu sehr an den Haaren herbei gezogen und der Weg zu ihr driftet zu sehr ins Kitschige ab.
Jake Harris hat logischerweise noch mehr für seine Studenten in petto. Die große Abschlussprüfung findet auf einer abgeschiedenen Insel des US-Militärs statt. Gemeinsam mit den Mitanwärtern Lucas Harper (Jonny Lee Miller), Nicole Willis (Patricia Velasquez), Bobby Whitman (Eion Bailey), Vince Sherman (Clifton Collins Jr.) und Rafe Perry (Will Kemp) sollen J.D. und Sara eine von Harris simulierte Mordserie aufklären. Als neutraler Beobachter des Tests ist Gabe Jensen (LL Cool J) mit an Bord. Doch schon als die Gruppe auf den ersten Tatort stößt, gerät alles aus dem Ruder. Eine ausgeklügelte Falle, bei der eine große Flasche gasförmigen Wasserstoffes und jede Menge Dominosteine (man vermisst fast den passenden Kommentar von Linda de Mol) eine tragenden spielen, kostet J.D. das Leben. Ist Harris nun völlig ausgerastet? Oder hat ein Dritter seine Finger mit im Spiel? Fakt ist, dass der Test abgebrochen und Hilfe verständig werden muss. Doch eine Kommunikation mit dem Festland ist unmöglich und das einzige Boot am Hafen explodiert vor den Augen der verdutzen Gruppe. Sie sitzen nun also fortan auf der Insel fest und irgendwer treibt ein schauriges Katz-und-Maus-Spiel mit ihnen.
Als handlungstragender Gegenstand kristallisiert sich bei „Mindhunters“ mit zunehmender Spieldauer eine einfache Armbanduhr heraus. Wann immer eine solche irgendwo gefunden wird, ist sie das sichere Zeichen dafür, dass in Kürze der Nächste aus der Gruppe ins Gras beißen muss. Und ehrlich gesagt macht es durchaus Spaß, mit zu raten, wer nun derjenige welche ist. Auch die Jagd nach dem Mörder und die diversen damit verbundenen falschen Fährten wissen zu unterhalten. Selbst die große Schlusspointe kommt recht überraschend (aber auch reichlich konstruiert) daher. Die Schwächen sind bei „Mindhunters“ nicht beim Drehbuch Wayne Kramers, dem Autor des meisterhaften Skripts zu „The Cooler“, zu suchen. Dieses ist höchst solide und hätte durchaus für Höheres bestimmt sein können.
Die Fehler wurden bei „Mindhunters“ auf anderen Gebieten gemacht. Zu nennen wäre in diesem Zusammenhand die Regiearbeit von Renny Harlin. Er hatte in den früher 90er Jahren mit den Filmen „Stirb langsam 2“ und „Cliffhanger“ seine große Zeit. Doch danach ging es im Sinkflug bergab. Während „Deep Blue Sea“ und „Tödliche Weihnachten“ noch durchaus einen gewissen Unterhaltungswert vorweisen konnten, führte Harlin sein Studio zuvor mit „Die Piratenbraut“ (Budget 100 Mio Dollar, US-Einspiel: 10 Mio Dollar) an den Rand des Ruins. Den absoluten Tiefpunkt erreichte Harlins Karriere aber mit dem lächerlichen Stallone-Vehikel „Driven“. Auch wenn „Mindhunters“ für ihn zumindest im Ansatz ein Schritt in die richtige Richtung ist, muss er einige Vorwürfe über sich ergehen lassen. Die Tötungssequenzen sind in ihrer Umsetzung dermaßen übertrieben, dass sie fast schon wieder unfreiwillig komisch wirken. Die Inszenierung des finalen Kampfes zwischen Gut und Böse ist vollkommen lächerlich. Eine skurrilere und unglaubwürdigere Unterwassersequenz gab es wahrscheinlich noch nie. Auch ansonsten wirkt „Mindhunters“ handwerklich einfach zu brav. Wo sind die originellen Kameraeinstellungen? Die faszinierenden Schnittfolgen? Der individuelle Touch? Definitiv woanders…
Wer schauspielerische Glanzleistungen erwartet, ist bei „Mindhunters“ ebenfalls an der falschen Adresse. Die Karrieren der namhaftesten Akteure Christian Slater und Val Kilmer haben ähnlich wie die von Harlin schon bessere Zeiten gesehen. Doch ihre Auftritte in „Mindhunters“ sind dermaßen kurz angelegt, dass auf diese an dieser Stelle mangels Leinwandzeit nicht näher eingegangen werden soll. Der Fokus liegt handlungsbedingt auf den jungen Darstellern der Profiler-Anwärter. Diese mühen sich auch durch die Bank nach Kräften. Selbst der schauspielerisch eher begrenzt talentierte LL Cool J fällt nicht weiter ab. Doch keiner von ihnen erreicht auch nur ansatzweise die Klasse eines Morgan Freeman, eines Brad Pitt, eines Kevin Spacey, eines Anthony Hopkins, einer Jodie Foster, eines John Cusack, einer Alfred Molina und wie sie alle heißen. An sich nicht weiter tragisch und verzeihlich, doch da die großen Vorbilder und Konkurrenzfilme mit diesen Namen aufwarten können, muss der Vergleich einfach gestattet sein. Und dabei kommt „Mindhunters“ über das Prädikat „nett gemeint“ einfach nicht hinaus.
Nüchtern betrachtet ist „Mindhunters“ summa summarum ein Film mit vielen Stärken, aber auch mindestens genau so vielen Schwächen. Je nach Präferenz des jeweiligen Besuchers wird das ein oder andere überwiegen. Manche mögen ob des durchaus packenden Kammerspiels begeistert sein, andere mögen sich aufgrund der handwerklichen Mängel die Haare raufen. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. „Mindhunters“ ist ein passabler Film, der durchaus hätte besser sein können, aber auch nicht vollkommen enttäuscht.