Wohl einsetzend mit seinem Western-Abgesang Erbarmungslos hat der große Darsteller Clint Eastwood auch als Regisseur immense Anerkennung gefunden und gerade in den vergangenen Jahren hat er sich noch in hohem Alter zu einem Liebling der Oscar-Academy und der US-Kritik entwickelt (die Europäer liebten ihn schon länger). Doch schon davor hat er Meisterwerke geschaffen, sein intensives Musikerdrama „Bird“ zum Beispiel oder „The Outlaw Josey Wales“, der in Deutschland recht schnöde „Der Texaner“ betitelt wurde. Eastwoods insgesamt fünfter selbst inszenierter Spielfilm und seine zweite Arbeit im Western-Genre wird mittlerweile zurecht auch die Anerkennung als einer der Top-Genre-Klassiker gewährt, überzeugt der Film doch nicht nur durch sein starkes Drehbuch, die hohe Spannung, den großartig aufspielenden Eastwood, sondern vor allem auch durch einen interessanten Storyverlauf, der sich stark von der üblichen Genrekost abhebt.
Josey Wales (Clint Eastwood) ist zur Endzeit des amerikanischen Bürgerkriegs ein einfacher Farmer, der sich mit dem Pflug auf einem Feld abplagt. Doch als Redlegs, marodierende Guerillas des Nordens, unter dem Kommando des brutalen Schlächters Terrill (Bill McKinney) seine Farm überfallen, niederbrennen und Frau sowie Kind töten, ändert sich sein Leben schlagartig. Wales lernt schießen und schließt sich einer Gruppe Südstaatler unter Führung von Fletcher (John Vernon) an. Doch der Krieg geht zu Ende, die Nordstaaten haben gewonnen und Fletcher fordert die Männer schließlich auf zu kapitulieren. Er hat dazu ein Abkommen mit einem Senator (Frank Schofield) getroffen, das den Männern Freiheit garantieren soll. Nur Wales weigert sich zu Kreuze zu kriechen, was ihm das Leben rettet. Denn das Abkommen ist eine Falle, Fletchers Männer werden niedergemetzelt. Nur dem jungen schwer verletzten Jamie (Sam Bottoms) gelingt dank Wales’ Eingreifen mit diesem die Flucht. Josey Wales gilt von nun als Outlaw, auf den ein hohes Kopfgeld ausgesetzt ist. Terrill haftet sich ihm an die Fersen...
Eastwoods erster Western „Ein Fremder ohne Namen“ war sichtlich beeinflusst von dem Italo-Western und dabei vor allem von seiner Zusammenarbeit mit Sergio Leone (Für eine Handvoll Dollar, Für ein paar Dollar mehr). Ähnlich wie in den Leone-Filmen spielt Eastwood dort einen einsamen Rächer, dessen Herkunft lange Zeit unklar ist und am Ende in der Originalfassung (die miserable deutsche Synchronisation verfälscht dies völlig) mit ironischem Augenzwinkern gegenüber dieser Lone-Rider-Figur aufgelöst wird. Auch in „Der Texaner“ erinnert zu Beginn vieles an den einsamen Rächer, auch wenn der sehr wirklich und seine Herkunft klar ist. Doch das Besondere ist der Entwicklungsprozess, den Figur und Geschichte gemeinsam durchmachen.
Josey Wales entwickelt sich erst vom menschlichen Farmer zu einer Tötungsmaschine und dann wieder zurück zu einem Menschen, der das Töten in Frage stellt und wieder Licht im Leben sieht. So ist er zwar phasenweise der knallharte Einzelgänger und Revolverheld, der auf seiner Flucht vor zahlreichen Kopfgeldjägern eine blutige Spur hinterlässt, wird aber immer mehr zum Anführer einer Gemeinschaft von Ausgestoßenen. Hat er erst nur den jungen schwer verletzten Jamie an seiner Seite, sammelt er schließlich noch einen alten Indianer (umwerfend gespielt von Chief Dan George), eine Indianerfrau sowie eine alte Dame und ihre Enkelin auf und gründet schlussendlich mit diesen und einigen Anderen sogar eine Art Kommune. Die mit klassischen und gängigen Motiven beginnende Story wird so mit der Zeit komplexer als das Gros der Western.
Nicht nur in dieser Hinsicht besticht das Drehbuch. Die Dialoge gehören zu den Besten, die sich im eher wortkargen Westerngenre finden. Dass Eastwood für die Adaption der unbekannten und zum Entstehungszeitpunkt des Films nur in einer sehr geringen Auflage erschienenen Novelle von Forrest Carter den später für seine Romanadaption von Milan Kunderas Die Unerträgliche Leichtigkeit des Seins oscarnominierten Philip Kaufman (Der Stoff aus dem die Helden sind, Die Körperfresser kommen) beauftragte, erweist sich hier als Glücksgriff. Mit der Arbeit von Kaufman als Drehbuchautor war Eastwood auch hochzufrieden, ganz im Gegensatz zu Kaufmans Arbeit als Regisseur. Denn eigentlich wollte Eastwood dem Kollegen hier das Feld überlassen, feuerte ihn aber schließlich wenige Tage nach Beginn der Dreharbeiten und übernahm selbst den Regiestuhl. Gleich die zweite kluge Entscheidung, denn Kaufman, dessen Karriere Höhen und Tiefen hat, hätte den Westernstoff möglicherweise nicht in so stimmige und staubige Bilder gebracht wie Eastwood.
Beeindruckend ist dabei wie „Der Texaner“ neben seiner Westerngeschichte unzählige weitere Motive streift und besondere Momente kreiert. Es gibt knallharte Westernaction, eine berührende Dramatik und wundervoll romantische Momente zwischen den beiden Indianern sowie zwischen Josey Wales und Laura Lee (Sondra Locke) und zudem eine poetische Szene zwischen Wales und Sarah Lee (Paula Trueman). Daneben berührt der Film zahlreiche Themenkomplexe, die vor allem zu seiner Veröffentlichung größtenteils als Kommentar in der Post-Vietnam-Ära verstanden wurden: Integrationsprobleme nach dem Krieg, korrupte Politiker, der Wille zur Aussöhnung zwischen verfeindeten Völkern und die utopische Hoffnung auf eine friedliches Zusammenleben völlig verschiedener Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. „Der Texaner“ ist nicht nur reich an möglichen Lesarten, sondern so vielfältig wie kaum ein anderer Western.
Eastwood selbst stellt ihn daher auf eine Stufe mit Erbarmungslos (wenn nicht sogar noch ein Stück drüber), jenem Werk mit dem er sich vom Genre verabschiedet hat und dieses auch gleich weitestgehend zu Grabe trug. Mittlerweile widerfährt diesem früheren Eastwood-Western auch die gleiche Anerkennung und nicht wenige halten ihn für einen der allerbesten Genre-Beiträge überhaupt. Im selben Jahr, in dem Eastwoods Lehrmeister und Vorbild Don Siegel den großen Western-Helden John Wayne mit „Der letzte Scharfschütze“ ein melancholisches Abschiedswerk schenkte, strotzte Eastwoods Western vor Vitalität und Kraft und bescherte dem Genre ein dickes Ausrufezeichen, welches zeigte, dass John Waynes Abgang noch nicht das Ende ist.