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    Django
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Django
    Von Christian Horn

    Im Wesentlichen führten drei Sergios den Italowestern zur Blüte: Sergio Leone, Sergio Corbucci und Sergio Sollima („Lauf um dein Leben"). Nachdem Leone das Subgenre 1964 mit „Für eine Handvoll Dollar" aus der Taufe hob, inszenierte Corbucci 1966 mit „Django" einen der frühen Klassiker des Italowestern und ging dabei noch zynischer, brutaler und exzessiver als Leone vor. Aufgrund des künstlerischen wie kommerziellen Erfolgs von „Django" avancierte die Titelfigur insbesondere im deutschen Sprachraum zur Inkarnation des Italowestern-Antihelden schlechthin. Obwohl es mit „Djangos Rückkehr" aus dem Jahr 1987 nur eine offizielle Fortsetzung gibt, trägt eine wahre Flut an meist schludrig produzierten Epigonen (Ausnahme: „Töte, Django") den klingenden Namen im deutschen Verleihtitel. Einen Widerhall im US-Western fand Corbuccis Ästhetik der Gewalt etwa bei Sam Peckinpah, der 1968 mit „The Wild Bunch" einen Klassiker vorlegte, dessen Finale stark an „Django" erinnert. Bis heute inspiriert das rauhe B-Movie etliche Filmemacher: Man denke etwa an Takashi Miikes „Sukiyaki Western Django", den Animationsfilm „Rango" oder Quentin Tarantinos „Django Unchained".

    In einem zerschlissenen Mantel der Nordstaaten-Armee schleift Django (Franco Nero) einen Sarg durch das schlammige Grenzgebiet zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten. Als er auf eine Bande trifft, die eine Frau namens Maria (Loredana Nusciak) wegen ihrer halb mexikanischen Herkunft misshandeln, schreitet er ein und erschießt die Kerle. In einem verlassenen Kaff mieten sich Django und Maria im Saloon von Nathaniel (Ángel Álvarez) ein – bis plötzlich Major Jackson (Eduardo Fajardo), der Anführer der soeben dezimierten Bande, eintrifft. Dann taucht auch noch Djangos alter Bekannter General Rodriguez (José Bódalo) mit seinem Gefolge auf. Gemeinsam rauben die Männer ein Fort hinter der mexikanischen Grenze aus. Django will sich mit der Beute aus dem Staub machen – ein Unterfangen, das ihn beinahe das Leben kostet. Schwer verwundet muss er sich den übrigen Schergen des brutalen Major Jackson stellen...

    Wenn Franco Nero seinen Sarg, der die definitive Lösung seiner Probleme enthält, durch den Schlamm zieht und dazu der einnehmende Titelsong von Luis Bacalov ertönt, entfaltet der Film bereits in den ersten Minuten seine ganze ikonische Kraft. Das von einem Comic inspirierte Bild des Mannes mit dem Sarg prägt „Django" auch im weiteren Verlauf und verleiht dem Film nicht nur im Titelschriftzug und den vielen Großaufnahmen einen gewissen Comic-Anstrich: So tragen die sektenähnlich organisierten Bösewichte rote Maskierungen und heben sich damit in leuchtenden Farben von der tristen Gegend ab. Gleiches gilt für die Prostituierten des Örtchens, die mit ihren bunten Kostümen einen visuell spannenden Kontrast zur matschig-braunen Dorfstraße bilden. Wenn eine augenzwinkernde Prügelei zweier Frauen dann im Schlamm-Catchen mündet, spielt der Regisseur diesen Kontrast voll aus.

    Inszenatorisch fügt Corbucci die Charakteristika des Italowestern gekonnt zusammen. Es sind nicht die aus dem klassischen US-Western bekannten Totalen, die „Django" und andere Italowestern kennzeichnen, sondern vor allem Nahaufnahmen von Gesichtern. Durch die schnelle Montage dieser Aufnahmen, den Einsatz von Zooms und mit seiner vorantreibenden Musik bleibt „Django" stets unter Druck. Hinzu kommt der typische B-Movie-Charme, der bei Corbucci keinen ungelenken Eindruck hinterlässt, sondern der rauen Erzählung eine überaus passende Form liefert. Wie in „Leichen pflastern seinen Weg", Corbuccis zweitem großen Italowestern, übernimmt auch in „Django" die Landschaft eine wichtige Rolle. Wo in ersterem Schnee und der stets präsente, eiskalt pfeifende Wind die Stimmung prägen, sind es in „Django" die schlammige Dorfstraße mit ihren großen Pfützen und die triste Gegend des Grenzstreifens, der von der übrigen Welt abgeschnitten scheint.

    Nicht nur auf diese Weise entsteht ein regelrecht postapokalyptisches Gefühl. Dazu tragen hier ebenso die politischen Implikationen eines Films der ausgehenden Sechziger bei: Das Töten in Vietnam, die Atombomben des Kalten Kriegs, Klassenkampf, Rassismus und ausufernder Kapitalismus halten metaphorisch direkt Einzug in die Geschichte und Atmosphäre des Films. Dementsprechend drastisch fällt auch die Gewaltdarstellung aus: Django tötet deutlich mehr Männer als seine Revolverhelden-Vorgänger. An Kunstblut spart Corbucci dabei freilich überhaupt nicht. Eine Szene, in der einem Unglücklichen das Ohr abgeschnitten und in den Mund gestopft wird, zählt zu den grausamsten des Films und sorgte dafür, dass „Django" unter anderem in Deutschland lange Zeit nur in einer gekürzten Fassung erhältlich war – während das Museum of Modern Art eine Kopie des Films in seinen Bestand aufnahm.

    Das Ungeschliffene und Rohe passt auch zum Protagonisten selbst, der eine direkte Antithese zum strahlenden John Wayne verkörpert. Der junge Franco Nero verleiht seinem wortkargen und habgierigen Antihelden ein so hypnotisierendes Charisma, dass der Erfolg des Films nicht nur auf Corbucci, sondern ebenso auf ihn zurückgeführt werden muss. Mit seinen stechend blauen Augen und seiner starken Leinwandpräsenz wurde der kantige Mime schnell zu einem Archetypen des Italowestern-Protagonisten. Diesen Status untermauerte Nero später in Corbuccis „Il Mercenario" oder „Keoma" von Enzo G. Castellari, einem Meilenstein aus der Spätphase des Genres.

    Fazit: „Django" hebt sich eindrucksvoll aus der Masse der damals oft billig am Fließband produzierten Italowestern ab. Sergio Corbuccis raues und wuchtiges Meisterwerk wirkte stilbildend auf das Genre und darüber hinaus – mit gutem Grund ist die Figur des Django heute ein fester Bestandteil der Popkultur.

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