Tragisch-komische Befindlichkeiten sind nicht gerade die Stärke des neuen deutschen Films. Umso erstaunlicher, dass Kinodebütant Hannes Stöhr sich mit seinem ersten Langfilm spielend vom Standard des Genres abhebt und mit „Berlin is in Germany“ ein kleines Film-Juwel aus heimischen Landen geschaffen hat. Die bemerkenswerte Dramödie um einen Ex-Knacki aus dem Osten mit Orientierungsschwierigkeiten im Westen, strotzt nur so vor Skurrilität und lakonischem, aber liebenswerten Realismus.
1989: Kurz vor der Wende wird Martin (Jörg Schüttauf) noch zu DDR-Zeiten in den Knast gesteckt, weil er im Affekt einen Mann umgebracht hat. Elf Jahre später steht er vor einem Neuanfang. Mit 800 West-Mark und einem Zugticket in der Tasche macht er sich auf den Weg von Brandenburg nach Berlin, um seinen elfjährigen Sohn Rokko (Robin Becker) zu besuchen. Doch seine Frau (Julia Jäger) lebt seit langem mit einem anderen zusammen und seinen Sproß hat er noch nie gesehen. Schlimmer noch, das neue Nachwende-Deutschland kennt er nur aus dem Fernsehen. Um wieder Fuß zu fassen, nimmt Martin einen Job in einem Nachklub an, paukt aber nebenbei für die Taxifahrerlizenz, um seinem Jungen etwas Anständiges bieten zu können. Doch irgendwie geht alles schief, der Besitzer der Nachtbar (Victor Valentin) ist in krumme Geschäfte verwickelt, aber Martin wird von der Polizei in die Zange genommen - er versucht zu fliehen...
Als Absolvent der Deutschen Film- und Fernseh-Hochschule in Berlin drehte Regisseur Hannes Stöhr „Berlin is in Germany“ bereits als Kurzfilm. Nun transformiert er seine Geschichte ohne erkennbaren Reibungsverlust auf die große Leinwand. Mit feinem Gespür für ost- und westdeutsche Befindlichkeiten zeichnet sich der Film durch einen fast dokumentarischen Realismus aus, der aber trotzdem zuweilen fast märchenhafte Züge annimmt. Unterstützt von Florian Hoffmeisters offenen, direkten und ungeschönten Hauptstadt-Bildern ist „Berlin is in Germany“ eine exakt beobachtete, in jeder Szene glaubwürdige Milieu-Studie, die auch von ihrem superben Hauptdarsteller Jörg Schüttauf lebt. Seine lakonische, aber charmant gespielte Odyssee in den vermeintlich goldenen Westen ist auf gleiche Weise schmerzhaft wie amüsant. Das schwerelose Pendeln zwischen tieftrauriger Tragödie und zartbitterer Komödie droht nie aus dem Gleichgewicht zu geraten. Obwohl fast alle Figuren Verlierer sind, bewahrt sich der Regisseur einen sanften, aber nicht unbegründeten Optimismus. Übertragen gesehen, gilt das auch für den anspruchsvollen deutschen Film. Es gibt wieder etwas Hoffnung. „Berlin is in Germany“ war ein Publikumsrenner bei mehreren nationalen wie internationalen Festivals und sogar ein kleiner Hit den in Programmkinos. Eines ist also sicher: Hannes Stöhr wird noch viel bewegen.