Das waren noch Zeiten, als Robert Redford wohl nicht im Traum daran dachte, Filme wie Die letzte Festung zu drehen! „Die Unbestechlichen“, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Film von Brian De Palma von 1986 mit Kevin Costner, Robert De Niro, Sean Connery und Andy Garcia beschäftigte sich der 1998 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommene Alan J. Pakula (*1928; u.a. Die Akte; Aus Mangel an Beweisen) mit einem wichtigen Stück (amerikanischer) Zeitgeschichte: Der Watergate-Affäre, neben dem Vietnam-Krieg Ausdruck einer tiefgreifenden politischen Krise der USA. Zwei Journalisten der „Washington Post“ – Carl Bernstein und Bob Woodward – deckten damals in mühsamer und nicht ganz ungefährlicher Kleinarbeit den korrupten politischen Sumpf um Präsident Nixon auf, bei dem Watergate nur die Spitze eines Eisbergs war.
Der Einbruch in das Hauptquartier der Demokraten im Watergate-Komplex, bei dem die Gauner gefasst wurden, illegale Abhörmaßnahmen, gefälschte Briefe, in der Öffentlichkeit lancierte Gerüchte und andere schmutzige Tricks waren die Mittel für Nixon und seine Umgebung, um bei den Präsidentschaftswahlen 1972 größtmögliche Chancen für die Wiederwahl zu ergattern. Diese illegalen oder in vielen Fällen zumindest schäbigen Mittel hatten vor allem den Zweck, die Wahlkampagne des Kandidaten der Demokraten, Senator Edmund Muskie, zu sabotieren und ihn selbst als Kandidaten zu desavouieren – bis die Demokraten ihn zurückzogen und George McGovern ins Rennen schickten – für Nixon ein wesentlich leichter zu schlagender Gegner.
In die Maßnahmen zur Vertuschung der Urheberschaft dieser Politik nach Festnahme der Watergate-Einbrecher waren Teile der Justizbehörden, des FBI und der CIA verwickelt. Erst 1974 – zwei Jahre nach der Wiederwahl – trat Nixon am 9.8.1974 zurück, um einer Amtsenthebung zuvorzukommen. „I am not a crook“, behauptete der – im nachhinein von Gerald Ford, seinem Nachfolger, begnadigte – Richard Milhouse Nixon. Der Film beruht vor allem auf den beiden Büchern von Woodward und Bernstein.
Nach der Festnahme der Einbrecher im Watergate-Haus versuchen die beiden Journalisten der „Washington Post“ – neben der „New York Times“ zumindest damals die führende Tageszeitung in den USA –, Carl Bernstein (Dustin Hoffman) und Bob Woodward (Robert Redford), die Hintergründe des Einbruchs zu recherchieren. Sie stoßen dabei auf eine Wand des Schweigens. Während ihre Vorgesetzten Rosenfeld (Jack Warden) und Simons (Martin Balsam) mit gemischten Gefühlen die Arbeit Bernsteins und Woodwards unterstützen, besteht Chefredakteur Ben Bradlee (Jason Robards) auf knallharten Fakten, bevor die beiden irgendeinen Artikel veröffentlichen.
Zu Hilfe kommt Woodward ein Mitarbeiter aus den oberen Rängen der Regierung, dessen Identität bis heute nicht bekannt ist bzw. von Woodward selbst geheim gehalten wird, genannt „Deep Throat“ (Hal Holbrook). „Deep Throat“ weiß so ziemlich alles, was mit der Watergate-Affäre verbunden ist. Doch er gibt Woodward bei den Treffen in einer Tiefgarage nur mehr oder weniger vage Hinweise, macht Andeutungen, wenn die beiden Reporter nicht weiterkommen. In zäher Kleinarbeit ermitteln Woodward und Bernstein Verbindungen zwischen den festgenommenen Einbrechern und Mitgliedern des Wiederwahl-Komitees Nixons, u.a. zu Ex-Justizminister John Mitchell, zu Nixons Beratern Haldeman und Ehrlichman sowie zu dem Anwalt Donald Segretti (Robert Walden), dem während der Kampagne gegen Muskie 28 bezahlte Agenten zur Verfügung standen, die für ihn in zwölf Bundesstaaten arbeiteten.
Über eine Kollegin, die mit einem Mitglied des Komitees zur Wiederwahl Nixons befreundet war, bekommen Woodward und Bernstein eine Liste mit den Namen der Mitglieder des Komitees in die Hände. Doch als sie einen nach dem anderen abklappern, stoßen sie auf eine Wand des Schweigens und der Angst. Offensichtlich wurde den Komiteemitgliedern „nahegelegt“, gegenüber der Öffentlichkeit zu schweigen. Lediglich die Buchhalterin Judy Hoback (Jane Alexander) gibt nach langwierigen Versuchen Bernsteins wichtige Informationen. Und auch „Deep Throats“ Hinweise werden deutlicher ...
Während andere Filme wie Nixon von Oliver Stone die Watergate-Affäre aus der Sicht der Verantwortlichen erzählen, zeigt Pakula das Geschehen vollständig aus der Perspektive der beiden Journalisten, ohne die die Aufdeckung der meisten Umstände des Skandals nicht möglich gewesen wäre. Die betreffenden Politiker – Nixon, Agnew, Ford usw. – werden lediglich in kurzen Einblendungen aus zeitgenössischem Dokumentarmaterial gezeigt. Orte der Handlung sind fast ausschließlich der Arbeitsplatz der Journalisten im Pressehaus der „Post“, die Wohnungen von Zeugen, u.a. der Buchhalterin des Komitees, und die Tiefgarage, wo die Treffen mit „Deep Throat“ stattfinden – eine „theaternahe“ Inszenierung.
Das Szenario wird bestimmt von dem nicht tot zu kriegenden, euphorischen, aber nicht überschwänglichen Eifer Bernsteins und Woodwards, die beide zu dem Film meinten: Die Dialoge seien zwar weitgehend erfunden, Geschichte, Personen und Erfahrungen aber exakt wiedergegeben. In dem Film kommt zum Vorschein, was amerikanische Mentalität eben auch ausmacht: Der Wille zur Selbstreinigung. Watergate, Vietnam, aber auch die Golfkriege und andere Brennpunkte amerikanischer Politik stehen in bezug auf die Rolle der Vereinigten Staaten im Zeichen einer weitestgehenden Zustimmung der amerikanischen Bevölkerung im Grundsatz. Das Ende des Vietnam-Krieges war – von punktuellen Ausnahmen abgesehen (Oliver Stone etwa) – nicht der Beginn einer prinzipiellen Selbstkritik an der Rolle der USA, sondern Anfang einer feinsäuberlichen Unterscheidung zwischen der Zustimmung im Grundsatz angesichts der tief verwurzelten Überzeugung von der Berufung Amerikas in der Welt und andererseits der Kritik am, sagen wir: „überschießenden Anteil“, den Verbrechen wie etwa in My Lai, den Massenbombardements u.a.
Woodward und Bernstein mögen als Einzelpersonen der Überzeugung (gewesen) sein, in Watergate kulminiere eine Krise der amerikanischen Politik und der politischen Strukturen. Das entzieht sich meiner Kenntnis. Aber die öffentliche Abarbeitung des Skandals zielte niemals auf prinzipielle Kritik an Mentalität, politischen Strukturen, Richtung der Außenpolitik usw.
Der Film macht dies (unbewusst) deutlich. Redford und Hoffman arbeiten Tag und Nacht, sie kämpfen sich durch, sie rackern und fragen, fragen, konstruieren, schlussfolgern, spekulieren; sie überwinden ihre kurzfristigen Niederlagen und Fehler, um, ja um der Selbstreinigung willen, um der Rettung des „amerikanischen Weges“ willen. Mit dem Rücktritt Nixons, aber ebenso der Begnadigung durch Ford ist Watergate (scheinbar?!) „geheilt“. Der Kampf Woodwards und Bernsteins ist der der political correctness gegen die Verrohung der amerikanischen Politik. Sie waren lange die einzigen Journalisten, die sich für die Hintergründe von Watergate überhaupt interessierten. Bradlee musste das genau gewusst und damit auch das Risiko gekannt haben, fast ohne irgendwelche schriftlichen Dokumente, gestützt auf anonym gehaltene Quellen und auf Schlussfolgerungen die beiden weiter an dem brisanten Thema arbeiten zu lassen.
Die Szenerie pendelt zwischen den neonbeleuchteten Großraumbüros der „Washington Post“, den dunklen Winkeln der Tiefgarage und den angsterfüllten Wohnungen der befragten Mitglieder des Komitees zur Wiederwahl Nixons. Hier bewegen sich Woodward und Bernstein hin und her, völlig abseits vom eigentlichen Skandal-Geschehen, das weit entfernt zu sein scheint. Nur ab und an verbinden sich die Welt der Korruption und die Welt der Moral, etwa wenn Bernstein Mitchell telefonisch in Kenntnis setzt – nachts um 11 Uhr –, dass am nächsten Tag er als Hauptdrahtzieher des Einbruchs in einem Artikel genannt werden wird, und ihm die Gelegenheit gibt, dazu seine Meinung zu äußern. An solchen Stellen dringt die Bedrohung, die Kälte, die Atmosphäre der Korruption und des Verbrechens in das Filmgeschehen ein. Mitchell beschimpft Bernstein und die Herausgeberin der „Washington Post“, Katie Graham, etwa mit folgenden niederträchtigen Worten: „All that crap, you're putting it in the paper? It's all been denied. Katie Graham's gonna get her tit caught in a big fat wringer if that's published. Good Christ! That's the most sickening thing I ever heard.“ Der Film baut eine deutliche Distanz zu dieser Welt der Korruption und des Verbrechens auf.
Der dramatische „Kniff“ der Trennung beider Welten, die dann doch als verbunden geschildert werden und in denen „Deep Throat“ als wichtigstes Bindeglied dargestellt wird, macht den über zwei Stunden dauernden Film zu einem spannenden Ereignis, einer filmischen Geschichtsstunde par excellence – sowohl im Hinblick auf die Aufdeckung der Affäre wie in bezug auf die Art und Weise der Auseinandersetzung mit solchen Vorkommnissen.
Redford als begnadeter Journalist, der gerade mal erst ein halbes Jahr bei der „Post“ arbeitet, aber trotzdem ein intensives Gespür für Recherche hat, Hoffman als agiler, ewig rauchender Kollege und Robards als über alles stehender Chefredakteur zwischen der Forderung nach knallharten Fakten und dem Bedürfnis nach Aufklärung machen „All the President’s Men“ zu einem filmischen Genuss.
Ein Erfolg, den Woodward und Bernstein erzielten, war die Veröffentlichung der Watergate-Papers, in denen u.a. die Gespräche zwischen Nixon und seinem engen Beraterstab nachzulesen sind. Statt eines Schlussworts hier ein Auszug aus diesen Dokumenten aus einem Artikel der „Washington Post“, der im Internet nachzulesen ist und die Skrupellosigkeit Nixons mehr als deutlich zum Ausdruck bringt:
„At one point in the celebrated March 21, 1973, meeting between the President and his then-counsel, John W. Dean III, Mr. Nixon responds to the question of raising $1 million in hush money by saying: We could get that. On the money, if you need the money you could get that. You could get a million dollars. You could get it in cash. I know where it could be gotten. It is not easy, but it could be done. But the question is, Who would handle it? Any ideas on that?Dean had an idea – former Attorney General John N. Mitchell. The President agreed. I would think so, too, he said.
In that same conversation, Dean had complained that the people at the White House were not pros at this sort of thing. This is the sort of thing Mafia people can do ...
That's right, the President responded.
The conversation continued:
Dean: It is a tough thing to know how to do.
Mr. Nixon: Maybe it takes a gang to do that.
His release of his private conversations comes exactly a year to the day after he first reported in full to the public on the Watergate affair. Now he is even more deeply engaged in fighting the most difficult political battle of his life.“