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    Good Will Hunting
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Good Will Hunting
    Von Ulf Lepelmeier

    Die Geschichte von den beiden noch unbekannten, seit Kindheitstagen befreundeten Darstellern, die zusammen ein Drehbuch verfassen und es jahrelang Studios und Produzenten mit der Bedingung anbieten, selbst zwei gewichtige Rollen in dem Film zu übernehmen und dann schließlich wirklich mit diesem selbstverfassten Skript zu Hollywoodstars aufsteigen und sogar den Drehbuch-Oscar einheimsen, hört sich an wie ein modernes Märchen. Genauso oder zumindest so ähnlich spielte sich aber die Entstehungsgeschichte um „Good Will Hunting“ ab, der die beiden Jungdarsteller Matt Damon und Ben Affleck in der Traumfabrik weit nach oben brachte. Beide träumten vom Schauspielerdasein, doch erst nach etlichen Absagen und dem Streichen eines Thrillerelements zu Gunsten der Konzentration auf die Charakterentwicklung und dem Ausbau einer Liebesgeschichte, entschloss sich Miramax, das Projekt mit den beiden Drehbuchautoren als Darsteller zu realisieren. Mit Gus Van Saint konnte dann auch der passende Regisseur für das feinfühlige Außenseiterdrama gewonnen werden, der es schaffte, den Cast in dem dialoglastigen Film zu Hochleistungen anzutreiben und einen der besten Filme des Kinojahres 1997 abzuliefern.

    Will Huntings (Matt Damon) Alltag besteht daraus, am renommierten Massachusetts Institute of Technology die Böden sauber zu halten, und nach dem Ende der Schicht mit seinen raubeinigen Kumpels zum Baseball zu gehen oder das eine oder andere Bier zu konsumieren. Über seine berufliche Zukunft macht er sich keinen Kopf. Dass eine Intelligenzbestie in dem aus ärmlichen und dem Bildungsbürgertum fernen Verhältnissen stammenden Mann lauert, ahnt niemand. Als Professor Lambeau (Stellan Skarsgard) ein äußerst kompliziertes mathematisches Problem an die Tafel des Flures schreibt und am nächsten Tag bereits die Lösung darunter steht, ohne dass sich jemand aus seinem Kurs dafür verantwortlich zeigt, begibt er sich auf die Suche nach dem Phantommathematiker. Er ist mehr als überrascht, als er herausfindet, dass das geheimnisvolle Mathematikgenie in dem Institut für die Reinigung der Böden zuständig und zudem mehrmals vorbestraft ist. Um Will vor einem Gefängnisaufenthalt zu retten, organisiert er für ihn die gerichtlich angeordneten Therapiesitzungen bei seinem alten Studienfreund Sean Maguire (Robin Williams), der anders als seine Psychologenkollegen nicht sofort in der ersten Sitzung das Weite vor dem schwierigen Jungen sucht.

    Man muss in den allermeisten Fällen damit leben oder sich zumindest damit arrangieren, dass es immer irgendjemanden gibt, der besser ist als man selbst. Doch bei Will Hunting ist dies anders. Er findet keinen, der ihm geistig gewachsen ist und so fällt es ihm auch schwer, die Menschen um ihn herum ernst zu nehmen, Ratschläge anzunehmen und sich anzupassen. Er ist mit großer Intelligenz oder genauer, einem ungeheuren Fassungsvermögen und einer sehr schnellen Datenverarbeitung seiner Neuronenfestplatte gesegnet. Doch Will, der nicht in Verhältnissen aufwuchs, in denen Hochbegabung erkannt, geschweige denn auf besondere Art gefördert wird, kann diese Gabe nicht ausspielen. Er traut sich nicht, sich auf den Erfolgsweg zu begeben, obwohl dieser so großzügig erhellt und ausgebaut ist, so dass ein Stolpern oder Straucheln beinahe unmöglich erscheint. Will macht es sich lieber einfach, schiebt Zukunftsgespinnste beiseite und möchte einfach Zeit mit seinen alten Freunden verbringen. Doch wenn er sich gereizt fühlt, fängt der unscheinbar erscheinende Jüngling an, sein Gegenüber mit seinen Argumentationen und Darstellungen zu degradieren und völlig außer Fassung zu bringen, so dass der Gesprächspartner aus Selbstschutz nur noch das Weite suchen kann, um sich wenigstens noch einen Hauch der angeknacksten Selbstachtung erhalten zu können. Dies ist besonders amüsant für den Betrachter, wenn Will angesehene Psychologen mit ihren eigenen Mitteln zur Verzweiflung treibt und somit mit ungemeiner Leichtigkeit die moderne Psychologie ad absurdum führt.

    Gus Van Saint erzählt feinfühlig und mit großem Gespür für die Entwicklung der Figuren die Geschichte eines jungen Mannes, der seine Zukunft sucht, sich selbst verstehen und finden muss, um erwachsen zu werden. Dabei spielen vor allem die Fragen der Gewichtung von Werten in unserem Leben eine große Rolle. Was ist einem selbst wichtig und was sieht man als Ziel seines Lebensweges an? Liebe, freie Gestaltung der Zeit, Unabhängigkeit, Familie und Freunde oder doch eher Reputation, Geld und Karriere? Aber muss man, wenn man sich für das eine entscheidet, zwangsweise etwas anderes aufgeben? Die Liebe zu Skylar (Minnie Driver), einer aus gutem Hause stammenden Medizinstudentin, forciert zudem den emotionalen Konflikt, der den sensiblen Hauptcharakter prägt. Denn während Skylar offen ist, um auf Will einzugehen und für eine Beziehung bereit, hat Will nicht nur Angst vor Bindung, sondern vor allem vor geistiger und emotionaler Nähe. Ihm fällt es schwer, anderen Menschen zu vertrauen, sich von ihnen abhängig zu machen. Erst der warmherzige Sean Maguire verschafft ihm nach zahlreichen Gesprächen den Mut, die Maske des besserwisserischen und oftmals beleidigenden Zynikers abzulegen und sich seinen Gefühlen, Ängsten und letztlich auch seiner Zukunft zu stellen.

    Matt Damon (Syriana, „Bourne“-Reihe, „Ocean’s“-Reihe) zeigt in der Titelrolle erstmals sein großes schauspielerisches Potential. Die Figur des Will Hunting, die ihm eine Oscarnominierung bescherte, spielt er mit großem Elan, so dass die unterschiedlichen Facetten seiner Figur, die auf der Suche nach sich selbst und ihrem Lebensweg ist, grandios zur Geltung kommen. Die Verlorenheit von Will weiß er äußerst glaubhaft darzustellen. Neben ihm agiert Robin Williams (One Hour Photo, Insomnia, Die Chaoscamper) ebenfalls großartig. Er beweist, dass er auch fern des komödiantischen Fachs zu den großen Schauspielern gehört. Sein etwas kauziger, sentimentaler und vertrauensseliger Philosophieprofessor wird von ihm äußerst charismatisch verkörpert. Auch Minnie Driver (Sleepers, Das Phantom der Oper) weiß ihren Part als herbe Medizinstudentin mit Bravour zu meistern. Und da die Chemie zwischen Damon und Driver einfach stimmt, ist die Liebesbeziehung für den Zuschauer nachvollziehbar und gleitet nie ins Schmalzige ab. Auch Damons Jugenfreund Ben Affleck (Pearl Harbor, Die Hollywood-Verschwörung) gibt hier eine gute Figur ab, steht allerdings schon alleine aufgrund seiner kleineren Rolle etwas hinter den drei genannten Leistungen zurück.

    Trotz der glaubhaft angelegten Charaktere und ihrer adäquaten Verkörperung sowie der in sich schlüssigen Story, beschleicht einen am Ende dann doch das Gefühl, dass die Geschichte beinahe etwas Lehrbuchartiges an sich hat und vielleicht hier und da noch etwas Würzung gut getan hätte. Doch auch wenn das Drama beizeiten etwas zu glatt wirkt, ist es mit äußerst ansprechenden Darstellerleistungen gesegnet, die dem mit hervorragenden Dialogen gespickten, manchmal gar geschwätzigen Film Leben einhauchen und die Geschichte von Will Hunting zu einem Filmvergnügen und einem formidablen Drehbuchdebüt machen.

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