Ridley Scott (Gladiator, Black Hawk Down) kommt aus dem Werbegeschäft. Er hat Jahre lang Spots inszeniert, wie viele, weiß er selbst nicht mehr, aber deutlich über hundert waren es. Bei der Werbung zählt vor allem die Bildsprache. Story sind – sofern überhaupt vorhanden – nur sekundär, auf Figuren muss man sich nicht konzentrieren. Es geht darum, das Produkt ins rechte Licht zu rücken. Daher sind Spielfilme von einstigen Werbefilmern fast immer optische Leckerbissen. Doch nicht alle können auf den weiteren Ebenen, die ein Spielfilm so hat, mithalten. „Der Mann im Hintergrund“, ein 1987 von Scott inszenierter Thriller, ist fast so etwas wie ein Paradebeispiel für ein solches Vorurteil gegenüber Werbefilmern. Optisch ist er beeindruckend. Scott verpasst der Geschichte die richtigen Bilder, hat sichtlich viel Zeit in die Auswahl der richtigen Kamerapositionen verwendet und macht ihn, ohne unnötige Spielereien, so zu einem sehenswerten Leckerbissen für Freunde der visuellen Umsetzung. Wer daneben allerdings noch eine wendungsreiche, spannende Story und gute Darsteller erwartet, wird enttäuscht. Denn da gibt es nur Standard-Genrekost.
Mike Keegan (Tom Berenger) ist in New York gerade frisch zum Detective befördert worden und dann auch noch direkt ins Revier im pulsierenden Manhattan versetzt worden. Gerade seine Frau Ellie (Lorraine Bracco) verbindet damit die Hoffnung, dass mit dem zusätzlichen Geld der Auszug aus dem Loch, in dem sie aktuell hausen, einher geht und vielleicht auch mal Geld für eine Waschmaschine da ist. Keegans erster Mordfall sieht nach lahmer Routinearbeit für den Neuling aus. Auf einer High- Society-Party wird die schöne und nicht minder reiche Claire Gregory (Mimi Rogers) Zeugin eines brutalen Mordes. Bis der Täter gefasst ist, bekommt sie Personenschutz und Greenhorn Keegan wird zur unattraktiven Nachtschicht verdonnert. Doch die ist gar nicht so langweilig wie gedacht. Die schöne Mimi nimmt ihren Bodyguard mit zu den Partys der Reichen und Schönen und natürlich kommen die beiden sich näher. Der glücklich verheiratete Familienvater verliebt sich in seinen Schützling und bringt damit nicht nur seine Ehe in Gefahr. Denn der Killer Joey Venza (Andreas Katsulas) verfolgt einen perfiden Plan, um sich der Kronzeugin zu entledigen.
„Der Mann im Hintergrund“ hat das große Problem, dass ihm zwei nahe liegende Vergleichsfilme im Weg stehen, die ihn locker übertrumpfen. Nach Ausflügen in Vergangenheit (Die Duellisten), Zukunft (Blade Runner, Alien) und Fantasie („Legende“) ist es Scotts erster Gegenwartsfilm und sein Debüt im Thrillergenre. Da zwei Jahre später mit Black Rain ein weiterer Gegenwartsthriller von Ridley Scott folgte, wirkt es aus heutiger Betrachtung so, als wäre dies nur eine Fingerübung für den nachfolgenden Ausflug von Michael Douglas und Andy Garcia in die Welt der Yakuza. Unterstützt wird dies durch den Eindruck, dass sich Scott deutlich mehr für die Bilder als für Story und Darstellerführung interessiert. Es geht ihm darum, Atmosphäre zu schaffen. Er versteht es, unterstützt von Kameramann Steven B. Poster (Donnie Darko, Southland Tales, Rocky V), und passend zur Glamourwelt, in welcher der Film spielt, exzellent in üppigen Hochglanzbildern zu schwelgen. Der zweite Vergleichsfilm ist Peter Weirs „Der einzige Zeuge“. Der kam rund zwei Jahre vorher in die Kinos und avancierte zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres. Auch bei Weir geht es um einen Polizisten, der einen Mordzeugen beschützen muss und sich dabei verliebt. Auch dies geht mit einem Aufeinanderprallen zweier Welten zusammen. Dort die moderne Welt gegen das Agrarleben der Amish People, hier die Glamourwelt der Reichen gegen das einfache Leben mit wenig Geld. „Der Mann im Hintergrund“ sah sich daher dem Vorwurf ausgesetzt, ein schnell nachgeschobener Versuch zu sein, ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Auch wenn die Schwerpunktsetzung unterschiedlich ist, schafft es Scott über die Fortdauer des Films nicht, diesen Vorwurf beiseite zu wischen.
Die Gewichtung des „Thrillers“ überrascht. Ein Großteil der Spielzeit wird darauf verwendet, die Unterschiedlichkeit der beiden Welten zu thematisieren, in denen Detective Keegan sich nun befindet. Den zweiten Schwerpunkt bildet die Dreiecksliebesgeschichte und erst dann kommt der eigentliche Thriller, der am schwächsten ausgeprägte und am schlechtesten umgesetzte Teil des Films. Wer mehr als eine Handvoll Genrefilme gesehen hat, wird sich nicht schwer daran tun, die Entwicklungen vorher zu sehen. Und Protagonist Keegan ist zwar frisch zum Detective befördert worden, aber nicht neu bei der Polizei. Umso mehr verwundert es, dass er sich so verhält, als käme er direkt von der Polizeischule und hätte dort nicht aufgepasst. Das macht es dem Killer unnötig einfach.
Auch wenn es eigentlich müßig ist, den Vergleich mit „Black Rain“ noch einmal zu bemühen, zeigt doch diese Gegenüberstellung die Schwächen von „Der Mann im Hintergrund“ am Besten. Beide Filme sind exzellent bebildert, haben aber ihre Schwächen beim recht vorhersehbaren, eher platten Drehbuch. Doch „Black Rain“ hat einen exzellent agierenden Star wie Michael Douglas in der Hauptrolle. Daneben noch Andy Garcia sowie die beiden hervorragenden japanischen Nebendarsteller Ken Takakura und Yusaku Matsuda. Und „Der Mann im Hintergrund“? Der hat Tom Berenger und Mimi Rogers. Berenger war nie ein großer Schauspieler. Oliver Stones Platoon ist ein rares Glanzlicht in seiner Filmographie, die sonst mittelmäßigen bis ganz schwachen Action-Einheitsbrei wie die „Sniper“-Trilogie schon an prominentester Stelle listet. Hier läuft er mit einem von jeder Mimik befreiten Steingesicht durch die Gegend, das maximal für eine Action-B-Produktion gerade noch so reichen würde. Tom Cruises Ex-Frau Mimi Rogers (The Doors, The Door In The Floor) schafft es spielerisch, auf dem gleichen niedrigen Level wie ihr Partner zu agieren. Eine positive Ausnahme bildet da Lorraine Bracco (GoodFellas). Dem „The Sopranos“-Star reicht eine leicht überdurchschnittliche Leistung als verlassene und kämpferische Ehefrau, um den restlichen Cast an die Wand zu spielen.
„Der Mann im Hintergrund“ ist trotzdem nicht nur ein Werk für Ridley-Scott-Komplettisten. Seine exquisite Bebilderung lohnt allein, ein zumindest einmaliges Ansehen.