Der Name William Friedkin allein lässt das Herz freudig höher schlagen, schuf er doch mit „Der Exorzist" und „French Connection" zwei zeitlose Klassiker der Filmgeschichte. Leider machte sich Friedkin nach seinen grandiosen Erfolgen in den 70ern rar und seine Karriere verlor sich nach und nach im cineastischen Mittelmaß. Drei Jahre nach seinem letzten Werk „Rules - Sekunden der Entscheidung“ wirft der Altmeister nun seinen aktuellen filmischen Erguss „Die Stunde des Jägers“ auf den Markt. Und die Vorzeichen standen eigentlich gut, denn den Verantwortlichen gelang es, für die Hauptrollen die Oscargewinner Tommy Lee Jones (Bester Nebendarsteller 1993 in „Auf der Flucht“) und Benicio del Toro (Bester Nebendarsteller 2000 in „Traffic") zu verpflichten. Doch wie so oft im Leben weichen Anspruch und Realität weit voneinander ab.
„Und Gott sprach zu Abraham: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.“ 1. Mose 22,2. Eine – nennen wir es „zeitgenössische“ – Abwandlung der biblischen Geschichte von Abraham, der Gott seinen Sohn Isaak opfern sollte, ist Grundlage des Prologs und stimmt die Zuschauer auf die folgenden knapp anderthalb Stunden ein. Aaron Hallam (Benicio del Toro) ist Elitekämpfer der US Army und kommt immer dann zum Einsatz, wenn es gilt, eine Zielperson ohne großes Aufsehen zu eliminieren. Aaron ist Meister im waffenlosen Kampf und darin unentdeckt zu bleiben. Seine gefährlichste Waffe ist ein Messer. Die meisten seiner Opfer wussten nicht einmal, dass er sich im gleichen Raum wie sie befand. Nachdem er einen serbischen Feldherrn während des Kosovo-Konflikts ausschaltete, kommt er zurück in seine Heimat und wird für seine Verdienste mit dem „Silver Star“, einer der höchsten Auszeichnungen des amerikanischen Militärs, geehrt. Allerdings leidet Aaron an einer tiefsitzenden Gefechtsneurose und es folgt, was kommen muss: Er dreht durch! Doch damit nicht genug, denn wie es die Genrekonventionen vorschreiben, gibt es nur einen einzigen Menschen, der ihn aufhalten kann: Seinen ehemaligen Ausbilder L.T. Bonham (Tommy Lee Jones). Von der ersten Minute an ist klar, dass es sich bei „Die Stunde des Jägers“ um eine einzige Hetzjagd durch die Großstadt und die umliegenden Wälder handelt. Überraschungen gibt es dabei kaum. Zwar wird Aaron nach wenigen Minuten gefasst, doch da er logischerweise wieder entkommt, ändert sich dadurch rein gar nichts.
Eines vorneweg: Der Film ist technisch solide in Szene gesetzt. An der handwerklichen Umsetzung lässt sich kaum etwas bemängeln. Der Genickbruch erfolgt durch völlig andere Dinge. Eine Geschichte muss nicht immer originell sein, solange sie von der ersten bis zur letzten Minute in sich schlüssig ist. Doch was Art Menterastelli und die Brüder David und Peter Griffiths hier als Drehbuch abliefern, ist vollgestopft mit logischen Ungereimtheiten und jeder Menge Andeutungen, auf die jedoch nie wirklich eingegangen wird. Da wurde wohl jede Idee der Drei eingebaut. Beispiele gefällig? Kurz vor dem großen Showdown hat Aaron, obwohl er von Hundertenscharen von Polizisten verfolgt wird, tatsächlich noch die nötige Zeit, um sich Highlander-like ein neues Messer zu schmieden und gigantische Fallen zu konstruieren. L.T. steht ihm da logischerweise in nichts nach und fertigt aus einem Stein in Windeseile seine eigene Waffe an.
Doch auch andere Fragen drängen sich geradezu auf: Was hat Aaron nach seiner Zeit im Kosovo für die Regierung gemacht? Es ist die Rede von einem Auftrag. Was für ein Auftrag? Die Aufpasser vom Militär wussten von seiner Gefechtsneurose, warum lassen sie einen solchen Mann dann noch frei rumlaufen? Woher hat Aaron das ganze Geld für seine Freundin? Oder ist es seine Frau? Seine Schwester? Ist das kleine Mädchen seine Tochter? Seine Nichte? Irgendeine andere Verwandte? Woher hat Aaron nach seiner Flucht das Messer? Dass er als einziger Überlebender aus einem schweren Verkehrsunfall hervorgeht und dabei noch nahezu unverletzt bleibt, erscheint dabei sogar noch relativ nachvollziehbar.
Was jedoch wohl keiner für möglich gehalten hätte ist, dass die beiden Hauptdarsteller äußerst blass bleiben und zuweilen mehr als enttäuschen. Als del Toro versucht, dem bereits erwähnten kleinen Mädchen zu erklären, dass die Jagd ein elementarer Bestandteil der Natur ist, fragt man sich, wo der del Toro aus „Die üblichen Verdächtigen“ und „Traffic" geblieben ist. Es ist ein seltener Anblick, dass ein so talentierter Darsteller so lustlos spielt. Damit dürfte del Toro ein ernsthafter Anwärter auf eine Goldene Himbeere, den Anti-Oscar, sein. Bei Tommy Lee Jones sieht die Sache ganz anders aus. Ihm ist ein Bemühen keinesfalls abzusprechen, doch auch an ihm ist Zeit nicht spurlos vorüber gegangen. Die zehn Jahre, die seit „Auf der Flucht“ verstrichen sind, bemerkt man in jeder Szene. Es wirkt unfreiwillig komisch als Tommy Lee Jones mit einem deutlichen erkennbaren Bauchansatz versucht, eine fahrende Straßenbahn zu Fuß einzuholen. Er sollte sich lieber auf Filme konzentrieren, in denen er seine schauspielerischen Qualitäten ausspielen kann. Den durchtrainierten Einzelkämpfer nimmt ihm jedenfalls keiner mehr ab. In Anbetracht der Tatsache, was bei „Die Stunde des Jägers“ an fachlichem Potenzial versammelt wurde und der Erwartungshaltung, die dadurch im Vorfeld aufgebaut wurde, kann das abschließende Fazit nur wie folgt ausfallen: Enttäuschend, von der ersten bis zur letzten Minute!