Jaja, die liebe Verwandtschaft. Carolina Mirabeau (Julia Stiles) hat es nicht leicht. Die Großmutter Millicent Mirabeau (Shirley MacLane), bei der sie aufwächst, ist eine ausgeflippte Exzentrikerin, der Vater Alkoholiker (Randy Quaid), das Nesthäkchen Maine (Mika Boorem) leicht durchgeknallt und Tante Marilyn (Jennifer Coolidge) abwechselnd Puffmutter und Gefängnisinsassin. Eine Mutter scheint es gar nicht zu geben. Das liebe Schwesterchen Georgia (Azura Skye) ist ein Luder, das die pflichtbewusste Carolina schon mal bis zur Weißglut reizen kann. Das hat Oma Millie richtig erkannt, als sie die beiden Mädchen, je mit einem Fleischermesser bewaffnet, in den Hinterhof stellt und mit seelenvoller Gemütsruhe verkündet: „Na los, macht schon! Keine Sorge, ich mach die Sauerei schon weg.“ Jahre später ist Carolina erwachsen, doch das Chaos lässt sie nicht los: Jetzt ist sie die Produzentin der amerikanischen Version von „Herzblatt“ und der Ruhepol nicht nur ihrer Familie, sondern auch dieser Show. Da kann ja wirklich nichts mehr schief gehen... Ach nein!? Na, das Leben imitiert ja bekanntlich die Kunst und beweist mitunter eine Menge Humor... Das ist der Ausgangspunkt von „Carolina“, dieser leider, dem Himmel sei’s geklagt, nicht ganz gelungenen Geschichte einer Familie voller Frauen, in der die älteste Tochter im Gegensatz zu ihrer restlichen Familie bemerkenswert normal geblieben zu sein scheint.
Zuerst das Positive, das denn glücklicherweise doch überwiegt. Shirley McLaine als exzentrische Oma ist natürlich jede Kinokarte wert. Gar zu amüsant ist ihre Millicent Mirabeau, angefangen von den geschmacklosen Klamotten in grellen Farben, den hohen Plateauschuhen und ihrem raubeinigen Charme, der auch schon mal die Traumprinzen ihrer Enkelinnen verscheucht. Dennoch schmeißt sie unvergessliche Thanksgiving-Parties mit schrägen Gästen, unter anderem die vier „Damen“ ihrer Schwester Marilyn, den manchmal bei ihr jobbenden Chinesen Cheng, den alkoholisierten Sohn - und sehr nebenberuflichen Vater ihrer drei Enkelinnen - Theo und jede Menge Penner, Motorradrocker und ähnliche Verwandtschaft oder was sich auch immer dafür halten mag.
Und Julia Stiles als Carolina kann dieser unbestrittenen Charakterschauspielerin durchaus das Wasser reichen: Die ordentlich in Hosenanzug und Kostümchen herumlaufende Carolina ist das genaue Gegenteil der ausgeflippten Großmutter und – wie bereits oben erwähnt – ein hervorragender Gegenpol. Sie hat ihre Sendung und deren verrückte Gäste fest im Griff. Nur leider funkt manchmal ihre chaotische Familie dazwischen, und an keinem Tag hasst Carolina ihre Familie so sehr, wie an dem Tag, an dem sie wegen der lieben Verwandtschaft gefeuert wird. Dennoch ist sie für Georgia da, als diese überraschend schwanger wird und tröstet auch schon mal die leicht hysterischen Wutanfälle ihrer jüngsten Schwester Maine. Das einzige, woran es hapert, ist das liebe Liebesleben. In der festen Überzeugung, da müsse ein romantischer Traumprinz auf sie warten, küsst sie eine Menge Frösche und merkt dabei nicht, dass sie Prinz Charming bereits vor der Nase hat: den netten Nachbarn Albert, der unter dem Pseudonym Daphne St. Claire romantische Liebesromane à la Barbara Cartland schreibt. Albert ist bis über beide Ohren verliebt in Carolina – aber er weiß, eigentlich ist er ja nur der Nachbar und beste Freund, auch wenn er der Angebeteten nach dem Weihnachtsessen das netteste Präsent macht, das man einer selbsternannten Hausfrau machen kann: Ein Putzteam im heißen Nikolaus-Latexdress...
Carolina geht natürlich trotz all dieser Hindernisse ihren Weg und kommt nach einigen Irrungen und Wirrungen da an, wo sie von Anfang an hingehörte: in den Schoß der Familie – und sogar in deren Zentrum. Und da haben wir auch schon den leidigen Knackpunkt, weshalb der Film nicht so gut ist, wie er hätte werden können mit diesen Voraussetzungen. Denn leider erzählt das Drehbuch zwei verschiedene Geschichten, deren jede für einen eigenen Film gereicht hätte und keine davon so richtig. Zumindest wirken beide Geschichten so konventionell und bemüht zusammengestrickt, dass man sich beunruhigt fragt, ob möglicherweise ein Schreibpraktikant die Geschichte verfasst hat.
Die Liebesgeschichte ist reizend gespielt, und es funkt zwischen Julia Stiles und Alessandro Nivola, da die Schauspieler offenbar viel Freude an ihrer jeweiligen Rolle hatten, und das durch die Bank weg. Doch bleibt die Inszenierung ein bisschen hinter den Erwartungen zurück, denn zu hausbacken ist das, was da passiert. Das alles hatte man schon einmal gesehen, zwar nicht besser, aber es mildert leider die schönen Leinwandmomente mit Shirley McLaine und den anderen ab. Man hätte sich gewünscht, dass noch etwas mehr Exzentrik und Familiendrama auf der Leinwand erscheint und diese nicht nur als Vehikel für die Liebesgeschichte dient - wo doch eigentlich umgekehrt die Exzentrik der Familie sich dank der Darsteller auf so unverschämt-charmante Weise in den Vordergrund spielt. Umgekehrt hätte der Film zwar die Moral eines besseren Weihnachtsdisneys besessen, aber das hätte man ihm dann in Anbetracht der lebendigen und liebenswürdigen Figuren sehr gern übersehen. So wird man leider eben doch immer wieder in einer Geschichte hineingezogen, die man schon in hundert anderen Teenie-Komödien gesehen hat.