Dieser Kannibalen-Horror zeigt nicht nur Folter, er ist auch Folter
Von Lutz GranertZwei junge Pärchen haben eine Autopanne irgendwo im Nirgendwo und treffen schließlich auf zwei Hinterwäldler-Brüder, die nicht nur lustig drauflos Foltern, sondern ebenso hemmungslos auch ihren kannibalistischen Neigungen nachgehen: Das sind die reichlich faden Grundzutaten des kanadischen Backwood-Slashers „Butchers“, der 2020 unter anderem auf dem britischen Horrorfilm-Festival FrightFest zu sehen war. Überdeutlich von Genre-Hits wie „The Texas Chainsaw Massacre“ oder „Wrong Turn“ inspiriert, erwies sich der im Jahr 1998 spielende Streifen – so zumindest der weitgehende Konsens der internationalen Filmkritik – als ebenso formelhaft wie frei an Überraschungen. Kein Wunder also, dass der Low-Budget-Schocker bislang in Deutschland gar nicht erst veröffentlicht wurde. Da ist es natürlich praktisch, dass die Fortsetzung „Butchers – Raghorn“ ohne inhaltliche Bezüge zum Vorgänger auskommt – und somit hier nun ohne benötigtes Vorwissen in den Kinos anlaufen kann.
Das Metzger-Brüderpaar und seine Opfer wurden ausgetauscht, eine zeitliche Verortung ist nicht ersichtlich – nur das Stilmittel der krisseligen Camcorder-Aufnahmen wurde übernommen. Ob diese verstörenden Heimvideos im nächsten Teil des geplanten „Butchers“-Filmuniversums wohl noch eine Rolle spielen werden? Filmemacher Adrian Langley, der hier erneut für Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt und als Co-Produzent verantwortlich zeichnet, hat jedenfalls Großes vor: In Interviews wurde zumindest schon ein dritter, abermals inhaltlich für sich stehender Teil angekündigt, der dann den martialischen Titel „Butchers Book Three: Bonesaw“ tragen soll. Seine spannungsarm und holprig erzählte Schlachtplatte „Butchers – Raghorn“ setzt vor allem auf eine Handvoll deftige Gore-Einlagen, auf die auch das Marketing des deutschen Verleihs mit der „Uncut“-Ankündigung bereits auf dem Poster voll abzielt. Aber das ist schlicht zu wenig: Nach einem wirren und fahrigen Beginn gerät der Horror-Thriller zunehmend öde und langweilig.
Die Kleinkriminellen Sarah (Hollie Kennedy), ihr Cousin Josh (Sam Huntsman), der hitzige Rico (Miguel Cortez) und der aggressive Brian (Dave Coleman) haben eine Trans-Person namens Ash (Corgand Svendsen) gekidnappt und geknebelt in den Kofferraum ihres Autos verfrachtet. Auf der Flucht vor der Polizei fahren sie einen Hirsch an. Fahrer Brian ist sofort tot, die übrigen laufen auf der Suche nach Hilfe ziellos durch den Wald. Dabei machen sie Bekanntschaft mit den beiden Hobby-Metzgern Clyde (Nick Biskupek) und Crusher (Michael Swatton), die sich über neue Opfer für ihre sadistischen Vorlieben freuen...
Warum der monströse Crusher seinen Namen durchaus zu Recht trägt, macht schon der atmosphärisch in entsättigte Sepia-Töne getauchte Prolog klar, der zum eigentlichen Plot allerdings in keiner Verbindung steht: Eine blutverschmierte junge Frau rennt durch den schattigen Wald, verfolgt von dem entstellten Hünen. Der erwischt sie – und zerquetscht mit bloßer Hand ihr Gesicht. Wieder daheim angekommen, überrascht er seinen Bruder Clyde dabei, wie dieser im schäbigen Wohnzimmer gerade zu einem selbstgedrehten Foltervideo onaniert. Mit diesen bis ins Groteske überzeichneten Szenen macht Adrian Langley schon früh klar, dass mit den beiden Antagonisten in „Butchers – Raghorn“ wahrlich nicht zu spaßen ist. Eher unfreiwillig komisch ist hingegen, wie der Kanadier Nick Biskupek („The Mouse Trap“) als Clyde in der Originalfassung angestrengt (und reichlich gekünstelt) versucht, einen Südstaaten-Akzent zu imitieren, um an seine großen Vorbilder wie Leatherface & Co. zu erinnern.
Doch dann werden im grobschlächtig zusammengezimmerten Skript schon die eigentlichen Probleme augenfällig. Warum die vier Kleinkriminellen im Auto bei einem Zwischenhalt an einer Tankstelle so nervös sind, wird zwar später aufgeklärt. Doch wohin sind sie eigentlich unterwegs? Was ist der vielfach nebulös angesprochene „Plan“ hinter ihrem Kidnapping und was hat ein blutverschmierter Zettel mit einer Telefonnummer damit zu tun? Das bleibt in den betont bedeutungsschwangeren und konfusen Dialogen während des ziellos-ereignisarmen Stapfens durch den Wald bis zum Schluss ein Rätsel. Zum Glück gerät die nervige Truppe in der zweiten Filmhälfte (endlich!) an das brachiale Brüderpaar – auch wenn bei dem vielen unnötigen Gequatsche mit eingestreuten Folterszenen weiterhin kaum Spannung aufkommt.
Mitfiebern fällt beim Überlebenskampf der Streithammel und ihrer Transgender-Geisel mangels Sympathie ebenso flach wie bei den beiden blassen Pärchen im Erstling. So wird auch eine recht grafische, handgemachte Kastrationsszene mit einmal mehr sprudelndem Kunstblut vom Genre-affinen Publikum wohl eher schulterzuckend zur Kenntnis genommen werden. Stattdessen bleibt nach diesem ideenlosen 08/15-Slasher vor allem zu hoffen, dass der in seiner Vielfachfunktion deutlich überforderte Filmemacher Adrian Langley seine Drohung eines ganzen „Buchers“-Filmuniversums womöglich doch noch zurückzieht.
Fazit: Eine Handvoll Gore-Einlagen mit reichlich Kunstblut reicht nicht als Kit für den grobschlächtigen, gänzlich uninspirierten Plot mit durch die Bank unsympathischen Figuren. „Butchers – Raghorn“ ist ein absolut öder Backwood-Slasher ohne auch nur einen Funken Sinn und Verstand.