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    The Last Showgirl
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Last Showgirl

    Pamela Anderson feiert ihr Comeback – allerdings im Schatten von Jamie Lee Curtis

    Von Patrick Fey

    „I’ve been on the razzle dazzle for a while” würde man eigentlich mit „Ich bin schon eine Weile auf Achse“ übersetzen. Aber in Gia Coppolas „The Last Showgirl“, eine Art „The Wrestler“ mit einer Striptease-Tänzerin im Mittelpunkt, stellt sich „Le Razzle Dazzle“ schnell als eine Erwachsenen-Show in Las Vegas heraus. Die von „Baywatch“-Ikone Pamela Anderson verkörperte Protagonistin Shelley tritt hier bereits seit 30 Jahren als spärlich bekleidete Performerin auf. Aber nun steht die spärlich besuchte Show vor dem Aus, weshalb Shelley sich nach Alternativen umsehen muss. Das obige Zitat fällt bei einem Vorsprechen, bei dem Shelley vor schwarzem Hintergrund – nervös und eingeschüchtert – für eine Rolle vortanzt, der sie offensichtlich längst entwachsen ist.

    Doch die Sache mit Shelley ist, dass die Kategorie „offensichtlich“ in ihrem Leben keine Rolle spielt. Wohl auch deshalb, weil sie sich an Zeiten erinnert, als sie und ihre Kolleginnen noch – wie Botschafterinnen – um die ganze Welt geflogen wurden. Aber falls die Show tatsächlich jemals so etwas wie Glanz und Glamour ausgestrahlt hat, so haben sich diese längst abgenutzt. „Im Grunde ist es nur eine dumme Nacktshow“, drückt es ihre Tochter Hannah (Billie Lourd) aus, die nach jahrelanger Funkstille plötzlich vor Shelleys Tür steht und nun feststellen muss, dass die Karriere, für die ihre Mutter sie im Kindesalter einer Pflegefamilie anvertraute, nichts anderes ist als eine tägliche Strip-Show.

    utopia
    Pamela Anderson kann mehr als „Baywatch“! Aber wie viel mehr, das ist nach ihrer Performance in „The Last Showgirl“ durchaus noch umstritten.

    Doch wo Hannah wie auch Shelleys „Le Razzle Dazzle“-Co-Performerin Marianne (Brenda Song) nicht mehr sehen als einen Ort der Transaktion, ist in Shelleys Welt allem voran eine Bühne, auf der sie gesehen wird. Wo die Leute sogar Geld dafür bezahlen, sie nur ansehen zu dürfen. Es ist ein schmaler Grat, den Gia Coppola beschreiten, wenn sie ihrer Protagonistin samt ihrer Begehren einerseits eine Stimme zugesteht, dann aber auch Gefahr läuft, sie zu verurteilen oder zumindest der Lächerlichkeit preiszugeben. Shelleys gutmütige Naivität wird dermaßen ausgestellt, dass es schwerfällt, in Coppolas filmischer Perspektive nicht eine gewisse Form der Herablassung auszumachen.

    Es ist eine durch und durch unausgegorene Mischung, die uns Coppola („Palo Alto“) hier in ihrem dritten Spielfilm präsentiert. Wo sie in „Mainstream“ zuletzt noch den schnellen und in seinen Konsequenzen unkontrollierbaren Weg zu Internet-Stardom im Digital-Zeitalter skizziert, erzählt „The Last Showgirl“, eingefangen auf körnigem 16-Millimeter-Material, vom Ende einer Welt in Federn und Pailletten. In dieser Welt war Shelleys beste Freundin Annette, eine Casino-Kellnerin in fast ebenso freizügigen Outfits, stets eine verlässliche, wenngleich meinungsstarke Säule. Gespielt wird sie von einer überragenden Jamie Lee Curtis, die, kettenrauchend und jenseits des guten Geschmacks gebräunt, rasch zum Höhepunkt von „The Last Showgirl“ aufsteigt.

    Beim Comeback an die Wand gespielt

    Allerdings ist die starke Leistung paradoxerweise eher ein Problem für den Film: Als abgehalfterte Busenfreundin der Protagonistin stellt die für „Everything Everywhere All At Once“ mit dem Oscar ausgezeichnete Jamie Lee Curtis spielend alles und jeden in den Schatten – vor allem Pamela Anderson, die all die Jahre vielleicht doch nicht so unterschätzt war, wie es jetzt plötzlich überall zu lesen ist. Dass Curtis auch in einer Nebenrolle in die Vollen gehen würde, dürfte niemanden verwundern, der mit der Karriere der Kalifornierin auch nur annähernd vertraut ist. Die Art und Weise, wie Coppola sie in einer späteren Szene einsetzt, ist allerdings erwähnenswert:

    Da sehen wir Annette während einer Schicht im Casino ein kleines Podest inmitten der teilnahmslosen Glücksspieler*innen besteigen, wo sie auf befreite Weise zum langsam einsetzenden Banger „Total Eclipse Of The Heart“ zu tanzen beginnt. Wenngleich der Bonnie-Tyler-Song in den vergangenen Jahren fraglos zu häufig in Film und Fernsehen zu hören war, sticht Gia Coppolas Inszenierung heraus: So unterbricht sie den scheinbar emanzipatorischen Moment auf der Bildebene, wenn wir etwa plötzlich ein Mikrowellengericht in der Zubereitung sehen. Ganz so, wie Annette von den umstehenden Besucher*innen ignoriert wird, wendet sich in diesem Moment auch das Narrativ von ihr ab, verliert das Interesse. Wie in den Filmen von Andrea Arnold oder Sean Baker wird auch „The Last Showgirl“ in diesem Moment zu einem Kino der Zurückgelassenen.

    Immer wenn’s spannend wird, setzt der Stillstand ein

    Als Underdog-Geschichte ist uns „The Last Showgirl“ zwangsläufig sympathisch, wenngleich sich der Film zunehmend überfordert davon zeigt, über das einzelne Bild oder die einzelne Textzeile hinaus Bedeutung zu erschaffen. So wirft der Konflikt zwischen Shelley und ihrer Tochter zwar durchaus spannende Fragen auf, etwa als sich Hannah schockiert davon zeigt, wofür genau ihre Mutter sie damals einer anderen Familie anvertraut hat. Fast so, als sei nicht der Akt selbst das Problem, sondern der Zweck. Wenn Shelley statt Striptease-Tänzerin eine erfolgreiche Pianistin geworden wäre, hätte der Preis die Mittel dann geheiligt?

    Aber als Hannah ihrer Mutter anvertraut, Fotografie studieren zu wollen, ist die Tochter fast schon empört, dass Shelley sich von ihren künstlerischen Ambitionen begeistert zeigt, statt sie – wie andere Mütter – zu etwas „Vernünftigerem“ zu ermutigen. Das soziale Korsett, von dem sich Shelley zu lösen gelernt hat, umspannt hier auf seltsame Weise die Gedankenwelt der Tochter. Doch an diesem Punkt gerät der Konflikt mehr oder weniger zum Stillstand, wie auch die Beziehung zu Eddie (Dave Bautista), Shelleys langjährigem Club-Manager. Auch diesen legt Coppola auf interessante Weise an, präsentiert ihn als äußerlich einschüchternden, innerlich aber fast eingeschüchterten Geschäftsmann.

    Starke Szenen, stockende Erzählung

    Als er eines Tages Shelley zum Abendessen trifft, äußert sie fast beiläufig, dass Eddie, anders als sie und die anderen Performerinnen im Club, der Einzige sei, der über die Gagen hinaus auch eine Rente und Krankenversicherungsmitgliedschaft einstreiche. Sich dessen vollends bewusst, sehen wir einen peinlich berührten, ja gar beschämten, Eddie, der letztlich natürlich trotzdem an seinem Businessmodell festhalten wird.

    Und auch wenn die Charakterentwicklung hier wieder ins Stocken gerät, lässt sich an dieser Konstellation doch etwas festmachen, was den ganzen Film motivisch bestimmt: Dass Menschen ständig Dinge in dem Wissen tun, dass sie falsch sind. Es ist kein klarer Weg, der uns an diesen Punkt führen würde, vielmehr scheint Coppola ihn zu umkreisen, ohne ihn ganz zu fassen zu kriegen. Und während diese Suchbewegung durchaus ihren Reiz hat, wird sie von Coppola auf jähe Weise gestoppt und einem Ende untergeordnet, das die gesamte Suche, die der Film bis dahin unternommen hat, förmlich untergräbt. Ganz nach dem Motto: The Show Must Go On — komme, was wolle…

    Fazit: Wollte man Gia Coppolas „The Last Showgirl“ in einem Bild zusammenfassen, es wären die falschen Wimpern im Waschbecken. Es ist ein starkes Bild, das sich uns einbrennt, letztlich allerdings auch ratlos zurücklässt. In einem Film, der oft mehr gut gemeint denn gut erdacht ist, stechen vor allem die Einzelmomente hervor, die uns über die zahlreichen Sackgassen hinwegsehen lassen, in die sich die „Mainstream“-Regisseurin hier ein ums andere Mal verläuft.

    Wir haben „The Last Showgirl“ beim Toronto Filmfestival 2024 gesehen.

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