Aus heutiger Sicht wirkt die Technologie der Achtziger Jahre vielleicht unästhetisch und klobig. Doch auch in den 80ern fuhr die Filmwelt auf futuristische Gadgets und Heldengeschichten ab. Noch bevor „Airwolf“ die Fernsehwelt eroberte, machte der Geheimwaffen-Hubschrauber „Das fliegende Auge“ die große Leinwand unsicher. Auch, wenn der Zuschauer im Jahr 2006 vielleicht über das Aussehen der Geräte schmunzelt, ist die Geschichte selbst ziemlich sehenswert.
Im Regiestuhl saß damals der mit dem Tanzfilm „Saturday Night Fever“ bekannt gewordene Regisseur John Badham („Dracula“, „War Games“, „Drop Zone“). Das Drehbuch stammte von Don Jacoby und Dan O’Bannon, der seinen gerade durch Alien erworbenen Ruhm dazu nutzte, das Script durchzudrücken. Später tat sich O’Bannon durch das Buch zu Total Recall hervor, arbeitete an den Charakteren der „Alien“-Sequels und schrieb „Screamers“. Die Zusammenstellung der Akteure hinter der Kamera ist sehr ungewöhnlich, da die Kompetenzen der Crew eigentlich in anderen Genres liegen. Dennoch bietet „Das fliegende Auge“ ein unterhaltsames Polizeidrama mit einigen unerwarteten Wendungen.
Im Zentrum der Handlung steht der Polizist und Vietnam-Veteran Frank Murphy (Roy Scheider). Inzwischen ist er Pilot bei der Helikopter-Luftüberwachung in Los Angeles und ein echter Einzelgänger. Als ihm das Greenhorn Lymengood (Daniel Stern) als Partner zugeteilt wird, freundet er sich dennoch mit dem naiv-charmanten Co-Piloten an. Doch dann wird ihm ein neues Angebot unterbreitet. Er soll den mit State-Of-The-Art-Militärtechnik und modernen Waffen ausgestatteten Superhubschrauber Blue Thunder über der Stadt unter Einsatzbedingungen testen. Bisher unterlag das Projekt der Aufsicht von Colonel Cochrane (Malcolm McDowell), den Murphy schon aus dem Kriegseinsatz kennt. Die Rivalität der Männer um die Dominanz bei dem neuen Auftrag eskaliert zunehmend und bringt den ehrbaren Polizisten in brenzliche Situationen. Doch Murphy und Lymangood kommen auch einer Verschwörung auf die Schliche, in die hochrangige Mitglieder des Blue-Thunder-Projekts verwickelt sind. Die beiden Piloten werden zum Freiwild erklärt und können sich nicht mal auf die Hilfe ihrer Vorgesetzten verlassen. Einzig Kate (Candy Clark), Murphys Freundin, versucht, den beiden zu helfen und die Wahrheit über die Einsatzbestimmung von Blue Thunder an die Öffentlichkeit zu bringen.
Der Grundkonflikt von „Das fliegende Auge“ ist auch 20 Jahre nach seiner Veröffentlichung noch aktuell: der Schutz von Privatsphäre von Bürgern in einer Großstadt, das Ausspionieren auf Verdacht und der Einsatz von mit schlagkräftigen Waffen bestückten Fahrzeugen in zivilen Gebieten im selbst proklamierten) Krisenfall. All diese Probleme werden in John Badhams Film angesprochen. Was später im TV-Serienableger von „Blue Thunder“ oder „Airwolf“ verflacht und wiedergekäut wurde, spitzt sich hier in der Figur des traumatisierten Piloten Murphy zu, der in seinem Charakter durchaus einige Parallelen zum zwei Jahre vorher auf der Leinwand in Erscheinung getretenen Rambo aufweist. Im Laufe des Films erliegt er immer mehr seinen Dämonen, bis er sogar inmitten des Stadtzentrums von L.A. ein Raketengefecht mit seinen Gegnern liefert, bei dem auch Zivilisten und zivile Gebäude in die Schussbahn geraten. Die Ambivalenz der Hauptfigur macht einen besonderen Reiz der Geschichte aus. Schauspieler Roy Scheider, der dem Drehbuchteam durch seine Leistung in Steven Spielbergs Der weiße Hai (und später auch den Fortsetzungen) auffiel, gibt Frank Murphy ein faszinierendes und facettenreiches Profil, in dem Stärken und Schwächen ihren Platz finden. Sein Gegenspieler Cochrane erhält von einem wie immer großartig agierenden Malcolm McDowell (Uhrwerk Orange) eiskalte und absolut ehrgeizige Züge.
Großartige Luftaufnahmen von Los Angeles, zum Teil auch mit mehreren Hubschraubern im Manöver gefilmt, machen den Film zu einem sehenswerten Highlight. Natürlich sind manchmal nur Modelle im Spiel, aber der Funke springt über, wenn die Maschinen durch die Häuserschluchten fliegen und sich die Gebäude auf der Scheibe spiegeln. Um diese Aufnahmen zu bekommen, ließ sich der Kameramann mit einem Seil außerhalb des Helikopters festbinden. Die digitale Technologie ließ 1984 noch keine derartige Bildmanipulation zu, so dass die Crew einige Risiken eingehen musste, damit die Nahaufnahmen der Darsteller so eindringlich wirkten. Dieses Kamerakonzept der ständigen Close-Ups wird für alle Actionsequenzen angewendet und bietet ein sehr persönliches Bild der Verfolgungsjagden. Dennoch wird die Geschichte etwas langatmig erzählt und lässt hin und wieder fast theatralische Anwandlungen erkennen. Vor allem die nach platten Stereotypen relativ eindimensional geformten Nebenfiguren sind nur als Zuspieler für den Protagonisten erkennbar und erfüllen klare Funktionen, die für den Zuschauer sofort sichtbar sind.
Auch wenn die Trickaufnahmen aus der heutigen Sicht heraus veraltet und plump aussehen, ist „Das fliegende Auge“ gerade aufgrund seiner ernsten Untertöne, die die gradlinige Action begleiten, ein sehenswerter Thriller, der nur wenig von der Brisanz seiner Thematik eingebüßt hat. Nicht nur „Airwolf“-und „Rambo“-Fans kommen hier auf ihre Kosten.