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    Young Hearts
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Young Hearts

    Der Sommer der ersten Liebe

    Von Ulf Lepelmeier

    Young Hearts“ ist ein sommerlicher Coming-of-Age-Film, der mit Leichtigkeit und voller Sympathie für seine jungen Protagonisten von der ersten großen Liebe und den Gefühlswirren in der beginnenden Pubertät erzählt. Ähnlich wie Lukas Dhonts herausragendes, ebenfalls in Belgien produziertes Jugenddrama „Close“, das mit gleichaltrigen Figuren und einer vergleichbaren Ausgangssituation aufwartete, bietet auch „Young Hearts“ eine einfühlsame Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des Heranwachsens.

    Wo „Close“ aber nach einem dramatischen Wendepunkt die unschuldige, sommerliche Atmosphäre hinter sich lässt, durchzieht den ersten Spielfilm von Anthony Schatteman durchweg eine optimistisch-romantische Grundstimmung, die sogar Erinnerungen an die Netflix-Hitserie „Heartstopper“ wachruft. Auch wenn der Regisseur die Ängste und Unsicherheiten des mit seinen aufkommenden Gefühlen ringenden 14-jährigen Protagonisten ernst nimmt, ist „Young Hearts“ ein grundpositiver Film über Identitätsfindung und Coming-out – sowie zugleich ein rührendes Plädoyer für die Universalität der Liebe.

    Elias (Lou Goossens, links im Bild) ist schwer in seinen neuen Nachbarn Alexander (Marius De Saeger) verknallt, traut sich aber nicht, offen dazu zu stehen. Salzgeber
    Elias (Lou Goossens, links im Bild) ist schwer in seinen neuen Nachbarn Alexander (Marius De Saeger) verknallt, traut sich aber nicht, offen dazu zu stehen.

    Elias (Lou Goossens) ist 14 Jahre alt und lebt mit seiner Familie in einem Dorf in Belgien. Sein Vater (Geert Van Rampelberg), ein aufstrebender Schlagersänger, ist ganz auf seine Karriere fokussiert und merkt deshalb nicht, was in seinem Sohn vorgeht. Als im Nachbarhaus der gleichaltrige Alexander (Marius De Saeger) einzieht, fühlt sich Elias sofort zu ihm hingezogen. Die beiden freunden sich rasch an, und Elias wird klar, dass er für den selbstbewussten Mitschüler mehr empfindet. Als Elias seinen neuen Nachbarn fragt, ob er schon einmal verliebt gewesen sei, sagt Alexander ihm offen, dass er auf Jungs steht.

    Diese Offenbarung freut Elias zwar, doch weiß er nicht, wie er mit seinen eigenen Gefühlen umgehen soll. Verunsichert versucht er, seine Zuneigung zu Alexander geheim zu halten. Er verleugnet ihn vor Freunden und distanziert sich zunehmend von seiner Familie. In seinem inneren Konflikt sucht er nach Orientierung, doch nur sein Großvater (Dirk Van Dijck) findet Zugang zu ihm und zeigt Verständnis für seine Situation. Elias steht vor der Herausforderung, zu sich selbst zu finden und zu seinen Gefühlen zu stehen…

    Persönlicher geht’s kaum noch

    Mit seinem Debütfilm bringt Anthony Schatteman eine zutiefst persönliche Geschichte auf die Leinwand, die er laut eigener Aussage selbst in seiner Jugendzeit gut hätte gebrauchen können, um besser mit seinen Emotionen umzugehen. Das Drehbuch basiert auf seiner eigenen Erfahrung mit der ersten Liebe sowie auf seiner Auseinandersetzung mit seiner Sexualität und seinem Coming-out. Die Dreharbeiten fanden daher auch am früheren Wohnort des Regisseurs statt, der als 14-Jähriger dieselbe Schule besuchte und durch dieselben Wiesen radelte, die nun auch im Film zu sehen sind. Viele der Figuren sind von Schattemans Familienmitgliedern und Freunden inspiriert.

    „Young Hearts“ knüpft außerdem an seinen ersten Kurzfilm „Kiss Me Softly“ aus dem Jahr 2012 an, in dem bereits Themen wie die erste Liebe und die Unsicherheiten des Erwachsenwerdens behandelt wurden – einzelne Szenen aus dem Kurzfilm finden sich in abgewandelter Form nun auch im Spielfilm wieder. Dabei gelingt es Schatteman hervorragend, seinen jungen Schauspielern auf Augenhöhe zu begegnen und Elias’ erste, zarte Glücksgefühle, Ängste und Verunsicherungen auf authentische Weise zu transportieren. So taucht der Zuschauer tief in die Welt eines 14-Jährigen ein, der zum ersten Mal die Unsicherheit und Schönheit einer noch unschuldigen Liebe erlebt.

    Elias‘ Großvater (Dirk Van Dijck) ist noch derjenige, der seinen Neffen in dieser herausfordernden Phase am meisten Orientierung bietet. Salzgeber
    Elias‘ Großvater (Dirk Van Dijck) ist noch derjenige, der seinen Neffen in dieser herausfordernden Phase am meisten Orientierung bietet.

    Einen entscheidenden Anteil an der emotionalen Authentizität des Films haben die großartig aufspielenden Darsteller Lou Goossens und Marius De Saeger. Vor der Auswahl der beiden Schauspieler wurden mehr als 1.500 Jugendlichen gecastet. Bei der finalen Entscheidung wurde Schatteman von seinem Regiekollegen Lukas Dhont unterstützt, der in seinen Filmen „Girl“ und „Close“ bereits ein ausgeprägtes Gespür für die Wahl junger Hauptdarsteller bewiesen hat. Marius De Saeger verleiht dem neu zugezogenen Alexander eine Mischung aus Coolness und zugleich einem zugänglichen, einfühlsamen Wesen.

    Lou Goossens beeindruckt hingegen mit seiner Darstellung eines Jugendlichen, der von seinen überbordenden Gefühlen völlig überfordert ist und nicht weiß, wie er mit der neu entdeckten Liebe zu seinem Mitschüler umgehen soll. Obwohl Elias Schwierigkeiten hat, über seine Emotionen zu sprechen, vermittelt Goossens’ Mimik stets klar, was in ihm vorgeht – sei es Begeisterung, Niedergeschlagenheit oder Panik. Die aufkeimenden Gefühle zwischen den beiden Jungen bringen die Schauspieler mit einer bemerkenswerten Natürlichkeit und Intensität zum Leben.

    Fazit: „Young Hearts“ ist ein warmherziger Jugendfilm über die erste Liebe, der Hoffnung auf einen offenen und selbstbestimmten Umgang mit sexuellen Identitäten macht und dazu ermutigt, für die eigenen Gefühle einzutreten.

    Wir haben „Young Hearts“ beim 21. Festival de Sevilla gesehen.

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