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    Der dritte Gast
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Der dritte Gast

    Kein Budget, aber reichlich Leerlauf

    Von Lutz Granert

    Malte Wirtz ist so etwas wie der Inbegriff eines deutschen Independent-Filmemachers. Nachdem der gebürtige Marburger bereits einige Jahre als freier Regisseur etwa von Theaterproduktionen gearbeitet hatte, realisierte er ohne Gelder aus Filmförderungstöpfen seinen ersten abendfüllenden Spielfilm. Er gründete mit Unfiltered Artist seine eigene Produktionsfirma und stellte „Voll Paula!“ mit Unterstützung einer Crowdfunding-Kampagne fertig. Das war im Jahr 2015. Komödien wurden das bevorzugtes Genre des sehr produktiven Filmschaffenden, der im Schnitt einen Kinofilm pro Jahr ablieferte – wobei er sogar direkt im Titel seines Buchbands „Das Leben ist kein Drehbuch: Filmemachen ohne Geld“* mit seinem Sparsamkeits-Credo kokettierte.

    Seit ein paar Jahren wagt sich Malte Wirtz auch in andere Genres vor. Darunter auch an Grusel-Filme – und das, obwohl er nach eigenem Bekunden noch nie einen Horrorfilm im Kino gesehen hat. Nach dem stark an „The Blair Witch Project“ erinnernden Found-Footage-Horror „Das Böse im Wald“ legt er nun mit dem Horror-Thriller „Der dritte Gast“ nach. Profitiert die No-Budget-Produktion zunächst noch von seinem Minimalismus und der Verdichtung auf einen gespenstischen Schauplatz, gehen Produzent, Regisseur und Drehbuchautor Wirtz danach schnell die Ideen aus. Stattdessen gewinnen enervierend penetrant eingesetzte Stilmittel die Oberhand.

    Unfiltered Artists
    Trotz Duschvorhang eher kein neuer „Psycho“.

    Eva (Merle Peters) und Artur (Tim-Fabian Hoffmann) sind frisch verliebt und haben sich ohne das Wissen ihrer Eltern in ein Hostel in der Kölner Innenstadt eingemietet. Hier wollen sie zum ersten Mal miteinander schlafen – stellen aber erst einmal erstaunt fest, dass sie offenbar die einzigen Gäste sind. Rezeptionist Viktor (László Nagy) übergibt dem Pärchen den Zimmerschlüssel und erteilt zugleich die Anweisung, auf gar keinen Fall das „schwedische Zimmer“ zu betreten. Mit Voranschreiten des Abends häufen sich jedoch die merkwürdigen Vorkommnisse, die mit dem Auftauchen eines mysteriösen Mannes (Sebastian Kolb) einherzugehen scheinen...

    Vollkommen unabhängig

    Ein kleines Team mit einheitlicher Vision ist Malte Wirtz’ Idealvorstellung von unabhängigem Filmemachen – und anders wäre die Entstehung von „Der dritte Gast“ im Januar und Februar 2021 während der Corona-Pandemie wohl auch gar nicht möglich gewesen. An gerade einmal sieben langen Drehtagen (ab 18 Uhr bis tief in die Nacht) entstand der Psychothriller in Köln. Neben Malte Wirtz und Kameramann Thomas Schinz waren nur die vier Darsteller vor Ort, die – wenn sie nicht im Bild waren – zuweilen auch hinter der Kamera mit aushalfen.

    Aus diesem Minimalismus ergaben sich neben Kompromissen (Spezialeffekte beschränken sich auf einen blutigen Handabdruck auf dem Badezimmerspiegel) aber auch Probleme. Die bewegliche Digitalkamera hat bei Schwenks zuweilen mit Unschärfen zu kämpfen, mangels Scheinwerfer sind einige Szenen ungewollt schummrig oder mit Schlagschatten ausgeleuchtet, ohne zusätzliches Ton-Equipment werden einige leise Dialogzeilen von den Räumen regelrecht verschluckt. Die technischen Defizite konnten auch in der Postproduktion nicht mehr geradegeruckelt werden. Im Gegenteil: Die simple, mit den immergleichen Glockenspiel- und Streicher-Sequenzen auf Dauer nervende Musikuntermalung von Lukas Steinberg wurde hin und wieder zu laut gegen einige kaum hörbare Dialoge abgemischt.

    Unfiltered Artists
    Hostels sind ja nicht nur in Eli Roths gleichnamiger Torture-Porn-Reihe ein beliebter Ort, um dem Horror freien Lauf zu lassen.

    Sind das noch alles Punkte, die man den No-Budget-Umständen zuschreiben kann, kommen irgendwann auch immer mehr dramaturgische Schwächen dazu, obwohl zunächst durchaus stimmig ein unheilvolles Szenario aufgebaut wird: Ein anfängliches Voice-over zu einer sich alle 30 Jahre wiederholenden Geschichte, eine (über)deutliche Anspielung auf Ingmar Bergmans Klassiker „Das siebente Siegel“ (1957), der Hinweis auf eine Bluttat in der Küche und Arturs plumpe Versuche, Eva zu erschrecken, erzeugen zunächst durchaus Spannung. Nur gehen Wirtz’ substanzlosem Skript nach einer guten halben Stunde schlicht die Ideen aus – und der Rest zieht sich trotz der kurzen Laufzeit von nur 73 Minuten quälend hin.

    Ereignisloses Herumschleichen, suggestive Kamerafahrten über den langen, schummrig ausgeleuchteten Flur, willkürlich eingesetzte Super-8-Nahaufnahmen, surrend-flackernde Lichter und vollkommen unmotiviertes Spontan-Gefiedel des Rezeptionisten sind die Zutaten der improvisiert anmutenden Kakophonie in der zweiten Filmhälfte. Das erzählerische Vakuum wird so aber nicht ausgefüllt. Tim-Fabian Hoffmann gehört seit „Lichter der Stadt“ (2020) zur Stammbesetzung in Wirtz’ Filmen und deckt ebenso wie Merle Peters durchaus stimmig Gemütszustände von kicherndem Verliebtsein bis Verängstigung mimisch solide ab – auch wenn die Chemie zwischen ihnen nie so richtig stimmt. Negativ fällt indes Schauspieldebütant László Nagy auf, der seinen Hotel-Rezeptionisten so bierernst wie stocksteif und affektiert spielt, dass man seine Figur nie ernst nehmen kann.

    Fazit: „Der dritte Gast“ weist gerade beim Spannungsaufbau gelungene Einzelszenen und ein paar nette Anspielungen auf Klassiker der Filmgeschichte auf. Genug für einen Kurzfilm – zäh gestreckt auf abendfüllende Länge ist das aber inhaltlich deutlich zu wenig, sodass auch einem technisch genügsamen Publikum irgendwann der Geduldsfaden reißt.

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