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    Exhuma
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Exhuma

    Der Horror-Megahit hat selbst "Parasite" und "Train To Busan" abgehängt!

    Von Lutz Granert

    Gleich zwei Hollywood-Produktionen mit Timothée Chalamet mussten sich in Südkorea schon kurz nach Kinostart einem unerwarteten einheimischen Mega-Hit geschlagen geben. Sowohl „Wonka“ als auch „Dune: Part Two“ wurden von „Exhuma“ am Box Office auf die Plätze verwiesen. Mit 11,9 Millionen verkauften Tickets kletterte der Horror-Thriller nach wochenlangem Verharren an der Spitze der Charts inzwischen bis auf Platz 16 der umsatzstärksten heimischen Filmproduktionen überhaupt – und setzte sich damit sogar noch vor die temporeiche Zombie-Action „Train To Busan“ und den umjubelten Oscar-Preisträger „Parasite“. In der ersten Jahreshälfte 2024 stand „Exhuma“ zudem auf Platz 1 der weltweit erfolgreichsten Horrorfilme – da konnte nichts aus Hollywood auch nur ansatzweise mithalten.

    Der heimische Megahit-Status sorgte auch bei der westlichen Presse für große Aufmerksamkeit. Mit bloßem kommerziellen Erfolg allein sind die vielen positiven Kritiken auch aus dem englischsprachigen Raum zum schwarzhumorigen Exorzismus-Schocker vom Genre-erfahrenen Jang Jae-hyun („Svaha: The Sixth Finger“) aber nicht zu begründen. Vielmehr gewinnt „Exhuma“ dem Genre des klassischen Dämonen-Horrors mit kulturellen und historischen Einsprengseln tatsächlich noch mal neue Aspekte ab – selbst wenn der mit zahlreichen Wendungen aufwartende Plot besonders in der letzten halben Stunde einen Tick zu überladen daherkommt.

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    Die Schamanin Hwa-rim (Go-eun Kim) erkennt schnell, dass sie für diesen ungewöhnlichen Fall noch zusätzliche Hilfe benötigt.

    Da sich rund um die Geburt seines Sohnes merkwürdige Vorfälle ereignen, bittet der in den USA lebende Geschäftsmann Ji-yong Park (Kim Jae-cheol) die Schamanin Hwa-rim (Go-eun Kim) und ihren Assistenten Bong-gil (Do-hyun Lee) aus Südkorea um Hilfe. Das Duo entdeckt tatsächlich einen Fluch, der auf den Erstgeborenen der Familie lastet und erbitten deshalb Unterstützung vom Geomanten Kim Sang-deok (Choi Min-sik) sowie Yeong-geun (Hae-jin Yoo), der speziell mit christlichen Bräuchen und Ritualen vertraut ist. Gemeinsam fahren sie zu einem abgeriegelten Bergareal, um dort den Sarkophag mit den Überresten des Patriarchen der Familie Park zu bergen und an einem anderen Ort neu beizusetzen, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Doch dem Geist gelingt die Flucht – und auf dem Gelände wurde nicht nur er begraben...

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    Schon in den ersten Minuten macht sich in „Exhuma“ durch dick aufgetragene düstere Klangteppiche eine unheilvolle Stimmung breit. Zahlreiche, bisweilen befremdlich wirkende Rituale sorgen (zunächst) für mehr Spannung als der tatsächliche Geisterspuk. Besonders die Zeremonie auf dem Berghügel bleibt dabei wegen ihrer aufwändigen Bildtableaus in Erinnerung, die sich mit den surrealen Arrangements in „Midsommar“ (2019) durchaus messen können. Ekstatisch tanzt Hwa-rim zu wildem Getrommel um fünf aufgespießte Schweine – und verletzt sich dabei selbst. Anders als in den meisten Genre-Produktionen, in denen kaum Sorgfalt auf Erklärungen für die Dämonenbekämpfung gelegt wird, geht Regisseur und Drehbuchautor Jang Jae-hyun bei den detailreichen Ausgestaltungen der schamanischen Rituale mit großer Ernsthaftigkeit in die Tiefe. So kann schon der (Nicht-)Einsatz vom Blut lebendiger Hühner oder abgefülltem Pferdeblut einen großen rituellen Unterschied bedeuten.

    Klassische Jump Scares oder ähnlich plakativer Grusel sind ihm dabei fremd: Eher beiläufig (und visuell clever gelöst) lässt er etwa den wiedererweckten Patriarchen der Familie Park in Fenstern oder anderen reflektierenden Einrichtungsgegenständen als Silhouette sichtbar werden, bevor dieser seine teuflische Rachsucht walten lässt.

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    Eigentlich soll eine Verlegung des Leichnams ausreichen, um den Dämonen zu vertreiben. Aber da hat sich die bunt zusammengewürfelte Geisterjäger-Truppe verrechnet…

    Beeindruckend ist dabei auch, wie spielerisch „Exhuma“ die Erzählperspektive wechselt: Ist es anfangs noch die junge Hwa-rim, welche mit einem Voice-Over in die vielschichtige Welt der Dämonen einführt, ist es beim mit dezenter Pyrotechnik aufwartenden Endkampf gegen den bösen Geist der aus „Old Boy“ und „I Saw The Devil“ bekannte Akteur Choi Min-sik, der sein Wissen über die Nutzung der Elemente im Kampf gegen das gehörnte Wesen vorträgt. Doch gerade in der letzten halben Stunde steht sich der düstere, seine Charaktere nie Klischees preisgebende Horrorthriller ein Stück weit selbst im Weg.

    Auch wenn Jang Jae-hyun in einer originellen und durchaus spannenden Parallelmontage die Schaman*innen an zwei Fronten zugleich gegen den Dämon antreten lässt, so wirken weitere Erklärungen zu seiner Herkunft und seinem Schmerz in puzzleartig zusammengeschnittenen Flashbacks eher halbgar zusammenkonstruiert. Und warum die Kreatur eine Vorliebe für die Lebern seiner Gegenüber hegt, bleibt gänzlich unter einem den ganzen Film umhüllenden, ungelüfteten Schleier schamanischer Mythen verborgen.

    Fazit: Der ordentlich auf den Putz hauende Horror-Thriller „Exhuma“ bietet vielfältige kulturelle, religiöse und historische Bezüge, die ihn sehr positiv von meist sehr viel plumperen westlichen Besessenheits-Beiträgen abheben. Allerdings machen die komplexen Bezüge den mit dunkelschwarzem Humor gewürzten Geisterspuk gerade zum Ende hin auch nicht ganz so leicht greifbar.

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