Kein Vergleich zu "Das Boot"
Von Björn BecherDass es im Zweiten Weltkrieg auch unter den Faschist*innen gute Menschen gab, ist jetzt keine allzu neue Erkenntnis. Trotzdem schildert sie Regisseur Edoardo De Angelis in seinem U-Boot-Thriller „Comandante“ auf eine so wenig ambivalente Weise, dass es manch einem trotzdem sauer aufstoßen wird. Die Heldengeschichte des realen Marineoffiziers Salvatore Todaro, für den das Recht der See über den Gesetzen des Krieges stand, beeindruckt dabei zwar phasenweise mit einem beachtenswerten Produktionsaufwand, ist aber im Ergebnis vor allem eine ziemlich dröge Angelegenheit.
Das Problem ist dabei weniger, wie der Regisseur hinter der Netflix-Serie „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ den Heldentum des U-Boot-Kommandanten zelebriert. Das größte Manko ist vielmehr, dass das in Kooperation mit Streamingdienst Paramount+ und der italienischen Marine entstandene Kriegsdrama sich ständig in prätentiös-poetischen Off-Kommentaren suhlt und zu selten die spannenden Dynamiken an Bord des U-Boots und die zu Beginn noch reichlich angedeuteten, dann aber irgendwann fallengelassenen Beziehungen nach Hause ergründet.
Der Comandante hat die Lage im Blick – nicht nur dank seiner hellseherischen Fähigkeiten.
Obwohl er seit einem Flugzeugabsturz verkrüppelt ist, wird der U-Boot-Kommandant Salvatore Todaro (Pierfrancesco Favino) mit seiner Besatzung 1940 erneut losgeschickt. Tief hinter den feindlichen Linien soll er mit dem Unterseeboot Cappellini Einzelangriffe auf alle Segelschiffe mit einer Kanone an Bord vornehmen. Obwohl die Männer wissen, dass sie früher oder später mit hoher Wahrscheinlichkeit der Tod erwartet, ist die Stimmung an Bord motiviert. Dazu trägt auch der mit harter, aber gerechter Hand agierende und für seine angeblich hellseherischen Fähigkeiten bewunderte Kommandant bei.
Als die Cappellini tief im Atlantik das belgische Handelsschiff Kabalo versenkt, tritt Todaro eine für Freund wie Feind überraschende Entscheidung. Als er Überlebende im Meer erblickt, beschließt er, die Schiffbrüchigen zu retten. Er will sie in den nächsten sicheren Hafen bringen – obwohl dies bedeutet, dass sein U-Boot mit dem Rettungsboot im Schlepptau für mehrere Tage nicht mehr auf Tauchstation gehen kann. Die Cappellini ist damit ein leichtes Ziel für britische Kriegsschiffe und Kampfflieger...
De Angelis nimmt sich viel Zeit, um deutlich zu machen, welche Helden da an Bord der Cappellini am Werk sind. Da opfert sich schon lange vor der Konfrontation mit dem belgischen Schiff ein zuvor als Gute-Laune-Bär der Besatzung eingeführter Matrose, um das U-Boot aus einer besonders kniffligen Lage zu befreien. Und fast schon mythisch überhöht wird der titelgebende Kommandant mit seinen hellseherischen Fähigkeiten. So entlässt er direkt vor dem Ablegen scheinbar grundlos einen Techniker – wenige Tage später folgt die Nachricht, dass dieser unerkannt erkrankt gewesen sei und ohne medizinische Versorgung an Bord des U-Boots mit Sicherheit verreckt wäre.
Immer wieder durchbricht De Angelis zu Beginn das Geschehen auf dem Boot mit kurzen Erinnerungs-Flashbacks in die Heimat – vor allem der Kommandant denkt immer wieder an seine zurückgelassene schwangere Frau (Silvia D'Amico), die in seiner Fantasie nackt mit seiner Kapitänsmütze für ihn posiert. Doch wirklich Interessantes tragen diese Einschübe selten bei.
Ein Bild, an welches sich der Comandante immer wieder gern erinnert: gemeinsam mit seiner Frau in der Badewanne.
Wenn eine Hafenprostituierte sich nach dem Abschied von Schiffskoch Gigino (Giuseppe Brunetti) daran erinnert, dass sein Sperma ja noch an ihr klebt, ihr dies in diesem Moment aber völlig egal sei, deutet De Angelis zumindest an, dass er vielleicht doch noch mehr über diese Beziehungen zwischen den Menschen zu Hause an Land und den Soldaten in der Ferne auf dem Meer zu sagen hat. Aber am Ende geht es erneut nur darum, dass die Besatzungen der U-Boot-Flotte allesamt Todgeweihte seien, was in „Comandante“ von den ersten Szenen bis zu den Texttafeln im Abspann ohnehin immer wieder heruntergebetet wird.
So etwa auch in den dauernden Off-Kommentaren, die vom Sprachgestus eher an eine griechische Tragödie erinnern und in denen neben Todaro auch andere Figuren den künftigen Tod andeuten – und das wird sehr schnell sehr nervig. Nur die durchaus spannenden Konfrontationen mit feindlichen Schiffen und Fliegern reißen das Drama aus einer sonst recht lethargischen Atmosphäre. Die Konflikte an Bord selbst bleiben dagegen ungewöhnlich steril: Selbst wenn einige der belgischen „Gäste“ eine Sabotageaktion durchführen, ist die anschließende Auseinandersetzung schnell aufgelöst. Die bei U-Boot-Klassikern von „Das Boot“ über „Jagd auf Roter Oktober“ bis Tony Scotts „Crimson Tide“ durchgehende verschwitzte Anspannung auf engstem Raum stellt sich in „Comandante“ nur selten ein. Selbst der Ausfall der Duschen an Bord ist da nur eine beliebige Situation, über welche einfach weggelächelt wird.
Statt auf Klaustrophobie will De Angelis mit seiner Inszenierung aber offenbar ohnehin auf etwas anderes hinaus: So zeigt er uns immer wieder die an Deck des aufgetauchten U-Bootes liegende oder stehende Besatzung, die der Enge unter Deck – aber damit lange noch nicht in die Sicherheit – entflohen ist. Der Filmemacher und der ihn beim Drehbuch unterstützende Romanautor Sandro Veronesi („Fluchtwege“) wollen weniger das vollkommene Ausgeliefertsein, sondern vielmehr die daraus entstehende Gemeinschaft der Seeleute (selbst verschiedener Nationen) zelebrieren. Das ist aber nur selten so gelungen wie in einer amüsanten Szene, in der die Italiener verwundert das Konzept von Pommes Frites erklärt bekommen.
Im Ergebnis ist „Comandante“ eine bisweilen so dröge Angelegenheit, dass darüber gar die durchaus kontrovers zu diskutierende Frage zur Haltung des Films (böse Faschisten, gute Soldaten) weit weniger dringlich wirkt. Immerhin sieht der für 14,5 Millionen Euro gedrehte Film oft gut aus, speziell wenn sich der extra für das Projekt entworfene U-Boot-Nachbau durch das Wasser wälzt, schafft das einige beeindruckende Momente. Für die Innenräume konnten die Verantwortlichen übrigens auf noch existierende Sets zurückgreifen, die einst in Rom für die Hollywood-Produktion „U-571“ mit Matthew McConaughey, Harvey Keitel und Jon Bon Jovi gebaut wurden.
Fazit: Mit seiner wenig subtilen Heldenverehrung eines italienischen U-Boot-Kommandanten im Zweiten Weltkrieg sollte „Comandante“ eigentlich zu heißen Diskussionen führen. Aber dafür ist trotz beachtenswertem Produktionsaufwand am Ende doch zu banal und wenig spannend.
Wir haben „Comandante“ beim Filmfestival Venedig 2023 gesehen, wo er als Eröffnungsfilm sowie Teil des offiziellen Wettbewerbs seine Weltpremiere gefeiert hat.