Unterhaltsam, sympathisch, unspannend!
Von Oliver Kube„Geile Zeit!“, ruft ein von Anselm Haderer („Nimm du ihn“) verkörperter Teenager in „Zwei zu eins“ von „Alles in bester Ordnung“-Regisseurin Natja Brunckhorst und meint damit jene kurze Ära, in der sich die Handlung der turbulenten Crime-Dramedy abspielt – die Wochen und Monate, als klar war, dass es mit der DDR zu Ende ging, aber die Verträge für das wiedervereinte Deutschland noch nicht unterschrieben waren. Die alten Autoritäten hatten nun keine wirkliche Handhabe mehr, die neuen aber auch noch nicht. Damals herrschte ein Gefühl zwischen Orientierungslosigkeit und Wild-West-Mentalität vor – vor allem in der ostdeutschen Provinz.
Zudem war die Westwährung in der DDR bereits de facto eingeführt worden, die alten Zahlungsmittel aber noch im Umlauf. Die DDR-Regierung war deswegen damit beschäftigt, Unmengen von Scheinen und Münzen aus dem Verkehr zu ziehen. Während sich letztere problemlos einschmelzen ließen, waren erstere nicht ganz so einfach zu entsorgen. Deshalb bunkerte man sie vorerst in einem riesigen, leerstehenden Kellergewölbe bei Halberstadt, um sie dort irgendwann zu wässern und verrotten zu lassen. Dies nutzten ein paar Diebe, die sich Zugang verschafften und Unsummen an Banknoten entwendeten. Bis heute ist ungeklärt, wer diese Leute waren und wie viele Ostmark sie an sich brachten. Doch es tauchen auch fast ein Vierteljahrhundert später weiterhin hier und dort einzelne Scheine auf, die von diesem Coup stammen müssen. „Zwei zu eins“, der Titel bezieht sich auf den zwischenzeitlichen Umtauschkurs für Ostmark in D-Mark, ist inspiriert von diesem Gaunerstück und erzählt, was damals passiert sein könnte.
Halberstadt (noch DDR) im Juli 1990: Schon als Jugendliche waren Maren (Sandra Hüller), Robert (Max Riemelt) und Volker (Ronald Zehrfeld) beste Freund*innen. Dann wurden die ersten beiden ein Paar und bekamen Kinder, woraufhin letzterer sich traurig in Richtung Westen absetzte. Jetzt, wo die Grenze offen ist, taucht er plötzlich wieder auf. Während das Trio sich erst einmal ein wenig neu beschnuppern muss, bemerkt es seltsame Vorgänge: Jede Nacht fahren schwerbeladene Lkws in Richtung eines offiziell leerstehenden, unterirdischen Lagerkomplexes außerhalb der Stadt. Dort hatten die drei als Kids hin und wieder gespielt.
Was mögen die Lastwagen wohl dort hinkarren? Aus Neugier fragt Robert seinen etwas eigenwilligen Onkel Marke (Peter Kurth), der als NVA-Techniker in der Einrichtung arbeitet und sich zunächst noch ahnungslos gibt. Mit der Hilfe von ein paar Flaschen Wodka lässt er sich aber dann doch überreden, sie auf das Gelände zu schmuggeln. Dort entdecken Maren, Robert und Volker einen riesigen Berg von Geldscheinen – Milliarden von Ostmark, die angesichts der gerade vollzogenen Einführung der D-Mark hier eingelagert wurden. Da könnte man sich doch einfach mal bedienen, oder?
Über weite Strecken ist „Zwei zu eins“ ein echter Wohlfühl-Film, den man einfach nur mögen muss: temporeich erzählt, mit amüsanten Szenen und von sympathischen oder zumindest unterhaltsamen Figuren bevölkert. Auch die Ausstattung ist erstklassig – von der sommerlichen Plattenbaukulisse und dem geradezu nach Kaltem Krieg riechenden, unterirdischen „Geldbunker“ über die authentisch wirkenden Klamotten bis hin zu den Autos und Requisiten sieht alles echt und tatsächlich darin beziehungsweise damit gelebt aus. Dabei wurde auch darauf geachtet, dass es zu diesem Zeitpunkt selbst in sehr abgelegenen Teilen der DDR schon erste Einreißer in Richtung „West-Kultur“ gab – etwa Werbetafeln für US-Zigarettenmarken oder Adidas-Schuhe an den Füßen einer Figur, die ansonsten komplett „Ossi-Chic“ trägt.
Auch die starke Besetzung hat ihren Anteil. Denn man merkt, dass nicht nur das prima miteinander harmonierende Hauptdarsteller*innen-Trio, sondern auch die Nebenfiguren bekleidenden Mim*innen wirklich mit Herzblut dabei waren. Besonders Ursula Werner („Der Junge muss an die frische Luft“), Martin Brambach („Tatort“) und Peter Kurth („Babylon Berlin“) stechen heraus.
Werner verkörpert Käte, die gute Seele des Wohnblocks, in dem sich das Gros der Handlung abspielt. Brambach gibt den charakterlich recht ambivalent wirkenden Nachbarn Lunkewith und Kurths Marke beweist sich mehrfach als eine Art Mastermind im Hintergrund der die Handlung voranbringenden Aktionen. Und dabei geht es nicht nur um den initialen Diebstahl, sondern auch darum, wie man die Ostmark zu D-Mark machen könnte und was schließlich mit dem plötzlichen Reichtum anzustellen sei. Eigentlich ist Marke sogar der einzige, der nicht spontan, sondern überlegt und kalkuliert handelt – so als habe er den Diebstahl bereits lange bevor sich die Gelegenheit dann eines Tages ergab, ausgeklügelt und bis zum Ende durchgeplant. Kurth spielt seine schillernde Figur dabei immer ein wenig geheimnisvoll und dabei doch liebenswert bodenständig.
„Zwei zu eins“ fokussiert sich allerdings bisweilen zu stark auf die Geschichte der drei ein Liebesdreieck bildenden Hauptfiguren. Dieses wird nicht nur sehr detailliert porträtiert, sondern auch umfangreich erklärt. Für das große Ganze – die Lage im noch nicht ganz „wiedervereinten“ Deutschland – bleibt so wenig Zeit. Sie wird daher nur recht schwammig dargestellt. Wer damals noch nicht alt genug war, um diese kurze Phase miterlebt zu haben, dürfte Schwierigkeiten haben, diese ungewöhnliche Situation, in der aus zwei so gegensätzlich geführten Staaten plötzlich einer werden sollte und musste, vollumfänglich zu erfassen.
Zwischenzeitlich wird „Zwei zu eins“ dann auch zu einem waschechten Thriller – schließlich steht im Zentrum der Geschichte ja auch ein Verbrechen. Die Actionszenen – wie etwa die Verfolgungsjagden, in denen mit Maschinenpistolen bewaffnete NVA-Soldaten (u. a. Götz Otto) die Hauptfiguren durch Katakomben hetzen – erinnern allerdings eher an eine längst nicht so witzige „Austin Powers“-Hommage und es kommt keine wirkliche Spannung auf.
Zudem werden mehrere Chancen, ein wenig pointierter mit sowohl dem DDR-System als auch dem im Westen alles beherrschenden Kapitalismus ins Gericht zu gehen, einfach verschenkt. Die starke Figur des Marke bietet hier zwar einige Ansatzpunkte, viele seiner Äußerungen gehen auch in diese Richtung, aber sie verlaufen am Ende dann doch immer wieder im Sande. Auch die letzte, den Plot auflösende Szene fühlt sich im Vergleich zum eher dramatischen Aufbau des Finales doch zu sehr wie in einem Märchen herbeigezaubert an.
Fazit: Eine unterhaltsam-sympathische Räuberpistole, deren Potenzial für mehr trotz eines faszinierenden Story-Hintergrunds, eines bestens aufgelegten Casts und erstklassiger Ausstattung nicht vollumfänglich ausgeschöpft wird.