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    Spieleabend
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Spieleabend

    Netflix' Antwort auf "Der Vorname" und "Ein perfektes Geheimnis"

    Von Lutz Granert

    Eine ebenso große wie geräumige Wohnung, einige leicht beschwipste Freund*innen im mittleren Alter und nicht ganz einfache Beziehungsverhältnisse: Dass es mehr nicht unbedingt braucht, haben in den vergangenen Jahren Kinohits wie „Der Vorname“ oder „Das perfekte Geheimnis“ gezeigt, in denen eine Namensdiskussion und ein vermeintlich harmloser Party-Gag die offensichtlich schon lange schwelenden Konflikte innerhalb des Familien- bzw. Freundeskreisen offengelegt haben. Solche abgründigen oder tiefschürfende Momente bleiben in der deutschen Netflix-Produktion „Spieleabend“, für die fast genau vor einem Jahr in Berlin die letzte Klappe fiel, hingegen weitgehend aus. „Schule“-Regisseur Marco Petry kann zwar auf ein – im doppelten Sinne – spielfreudiges Ensemble zurückgreifen, dabei lässt die mit allerlei Klischee-Charakteren bevölkerte Komödie inmitten all der alberner Situationskomik aber jegliche Feinsinnigkeit vermissen.

    Die Fotografin Pia (Janina Uhse) und der Fahrradmechaniker Jan (Dennis Mojen) haben sich vor einem Monat kennengelernt und sind frisch verliebt. Für Pia ist ein regelmäßiger Spieleabend mit ihren engsten Freund*innen eine unumstößliche Institution – und Jan lässt sich auch auf Anraten von seinem Kumpel und Kollegen Alex (Edin Hasanovic) zum Mitkommen breitschlagen. In der Villa im Schnösel-Viertel Grunewald angekommen, lassen die ersten Irritationen nicht lange auf sich warten. Das Geschenk für Gastgeberin Karo (Anna Maria Mühe) erweist sich als denkbar ungeeignet und der dandyhafte Hausherr Oliver (Axel Stein) lässt keine Gelegenheit aus, sich über Jans vermeintlich fehlenden Intellekt lustig zu machen. Und dann stößt mit Caros Ex-Verlobtem Matthias (Stephan Luca) überraschend auch noch ein Mitspieler hinzu, der die ohnehin angespannte Stimmung endgültig kippen lässt...

    Netflix
    Für Pia (Janina Uhse) ist ihr Spieleabend heilig!

    „Spieleabend“-Autor Claudius Pläging, der das Drehbuch gemeinsam mit Andrej Sorin verfasst hat, hat auch schon das Skript zur „Der Vorname“-Fortsetzung „Der Nachname“ beigesteuert. Allerdings bleiben diesmal Überraschungen im Plot weitestgehend aus – und die Charaktere sind ungleich klischeehafter gezeichnet. Gerade Dennis Mojen enttäuscht mit einer arg tumb geratenen Performance. Als zunächst einfältig-liebenswerter Fahrrad-Proll geht er zunehmend zum gezwungen wirkenden, sarkastischen Gegenangriff über – und wirkt dabei ähnlich charmebefreit und aggressiv wie zuletzt in der Netflix-Produktion „60 Minuten“. Auch Comedian Axel Stein („Alles Fifty Fifty“) macht seine Sache nicht wirklich besser: Kauft man ihm zunächst noch den jovialen Bildungsbürger ab, so fällt seine wutentbrannte Verwandlung in einen Elfenkönig, der sich bei einem Online-Rollenspiel von seinen Gästen separiert, reichlich absurd aus.

    Weniger Witzfiguren als regelrechte Klischees vom Reißbrett sind dagegen Taneshia Abt („Nightlife“) als verstrahlte Apothekerin in „Beziehungspause“ und Max Bretschneider („Mängelexemplar“), der als ansatzweise autistischer Nerd mit großer Brille, langen fettigen Haaren und ultrahässlichem Hemd durch seine rational-ehrliche Art zumindest die Sympathien auf seiner Seite hat. Einzig Anna Marie Mühe („Sophia, der Tod und ich“) gelingt es mit einer nuancierten Performance, die tiefe Verbitterung ihrer unter stetigen beruflichen und familiären Druck stehenden Figur authentisch rüberzubringen – diese ernsteren Züge zahlen sich dann auch in den komischen Momenten aus!

    Netflix
    Jan (Dennis Mojen) muss nicht nur den Spieleabend durchstehen – sondern sich auch noch mit dem jagdbegeisterten Nachbarn herumschlagen.

    Da passt es, dass auch die Situationskomik beim weitgehend als Kammerspiel angelegten „Spieleabend“ wenig subtil, sondern reichlich dick aufgetragen daherkommt. Da muss Jan etwa Helmut Kohl (!), Olivers entfleuchten weißen Kakadu, wieder einfangen. Dumm nur, dass der aufmerksame Nachbar passionierter Jäger ist und in seinem Garten Fallen für Wildschweine aufgestellt hat. Die größte Albernheit besteht jedoch in einem Tischtennisduell zwischen Jan und seinem Nebenbuhler, welches sie komplett nackt (und kommentiert mit mehreren Penis-Witzen) bestreiten. Spätestens hier fühlt man sich wieder an Marco Petrys frühere Regiearbeiten „Schule“ und „Doktorspiele“ mit ihrem pubertären Witz und naiven Charme erinnert – nur sind die Charaktere in „Spieleabend“ dafür genauso zu alt wie für eine Runde Flaschendrehen.

    Fazit: „Spieleabend“ hat zwar reichlich Gags, aber nur wenige hintersinnige Pointen. Das macht über weite Strecken okay Laune, kann mit seinen offensichtlichen Vorbildern aber die meiste Zeit über nicht mithalten.

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