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    Könige des Sommers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Könige des Sommers

    Ein Film wie ein guter Comté

    Von Susanne Gietl

    Frankreich ist seit jeher das Land des guten Käses. Da ist es fast ein wenig verwunderlich, dass kaum Filme über Käseproduktion existieren. Deshalb ist es umso schöner, dass Louise Courvoisier einen Film über die Produktion eines guten Käses gemacht hat. Gekonnt vermischt sie das Geheimnis eines guten Comtés mit einer Coming-of-Age-Geschichte in ländlichem Milieu. Dabei setzt die Regisseurin, die selbst in der Bourgogne-Franche-Comté-Region aufgewachsen ist, auf einen Cast aus Laien, ruralen Charme und den Zauber der Jugend. Die Liebe zum Käse und seiner Region spürt man in „Könige des Sommers“ zu jedem Zeitpunkt.

    Im Mittelpunkt der Tragikomödie steht der 18-jährige Totone (Clément Favreau). Er hängt mit seinen Kumpels auf Dorfpartys ab und interessiert sich wenig für das Landleben und seine Verpflichtungen. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters trägt er die alleinige Verantwortung für seine siebenjährige Schwester Claire (Luna Garret) und den Hof. Um an Geld zu kommen, möchte er den besten Comté der Region produzieren, denn dem Gewinner winken 30.000 Euro Preisgeld. Letztlich wird Totone über sein Käse-Experiment mehr über das Leben lernen, als sein Vater ihm je lehren konnte.

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    Ganz schön viel Verantwortung: Totone (Clément Favreau) muss sich nicht nur um seine kleine Schwester kümmern, sondern durchlebt zugleich auch die erste Liebe.

    Courvoisier konzentriert sich voll und ganz auf die Hauptfigur des Totone. Dabei skizziert sie nur kurz sein leichtfüßiges Leben. In der ersten Szene zeigt sie den jungen Erwachsenen ausgelassen strippend auf einem Holzfass, danach im Bett mit einem Mädchen. Leider gelingt Courvoisier der Übergang vom feierwütigen Jugendlichen zum Erziehungsberechtigten seiner Schwester nur bedingt. Faveau wirkt wesentlich jünger, als seine Rolle vorgibt, was stellenweise zu Irritationen führt.

    Notwendige Fragen nach der Vormundschaft oder der Anerkennung der Erbschaft klammert Courvoisier bewusst aus. Auch überspielt sie leise und nachdenkliche Töne mit sommerlichen Szenen in idyllischer Kulisse mit glücklichen Kühen und saftigen Weiden. Man kann die Landluft förmlich riechen. In einer siebenminütigen Szene wird sogar ein echtes Kalb geboren, außerdem erfährt man viel über die Käseherstellung im Kupferkessel.

    Fast ohne Erwachsene

    „Könige des Sommers“ setzt auf eine einfache Erzählstruktur; Clément Favreaux ist dabei in jedem Bild zu sehen. Seine Rolle des Totone macht dabei die Metamorphose vom betrunkenen Anti-Helden zum verantwortungsvollen Bruder durch, was man ihm durchaus abnimmt. Luna Garret spielt mit einer beeindruckenden Eindringlichkeit die stille, aber standhafte Schwester und bildet einen guten Gegenpart zu Totone, der angefangene Dinge nie zu Ende bringt. Der Käse ist ein schlau gewähltes, handfestes Symbol für Totones Scheitern oder Reüssieren. Und so ist „Könige des Sommers“ ein Abenteuerfilm geworden. Totones Weggefährten sind seine Freunde Jaen-Yves (Mathis Betrand) und Francis (Dimitry Baurdry), die Brüder von Totones neuer Bekanntschaft Marie-Lise (Maïwene Barthelemy) seine Widersacher. Richtig zu Schaden kommt aber niemand.

    Um sich voll und ganz auf Totones Umfeld zu konzentrieren, spielen Erwachsene in „Könige des Sommers“ kaum eine Rolle, stattdessen konzentriert sich Courvoisier auf junge Erwachsene in ihrer Sturm- und Drangzeit. Wilde Stockcar-Rennen, Prügeleien und Milchdiebstahl gehören genauso dazu wie Begegnungen mit der ersten Liebe auf dem Traktor, der grünen Wiese und im Kuhstall.

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    Nach dem Tod des Vaters müssen die Heranwachsenden plötzlich allein mit dem Hof und dem Käse klarkommen.

    Statt auf Chansons setzt Courvoisier auf Jimmie Rodgers beschwingten 50er-Jahre-Hit „Kisses Sweeter Than Wine“, der sich motivisch durch den sommerlich-leichten Film zieht. Rodgers singt von seiner Liebsten und von harter Arbeit, Totone und Marie-Luise durchleben den Text. Zum Glück ist das Drehbuchteam um Regisseur Courvoisier, Marcia Romano und Théo Abadie schlau genug, die erste Liebe nicht in den Vordergrund zu stellen. Courvoisier nimmt ihre Figuren ernst, ihre Konflikte müssen sie selbst lösen. Dass dabei Marie-Lise vor ein paar Jahren eine ähnliche Situation wie Totone durchlebt haben muss, wirkt zwar ein bisschen konstruiert, macht aber Totones spätere Wandlung umso glaubhafter.

    Fazit: Louise Courvoisier gelingt mit einfachen Mitteln und einem authentischen Laien-Cast eine charmante Tragikomödie über Freundschaft, Zusammenhalt und die erste Liebe. Selten schmeckt und riecht man das Landleben so intensiv wie in diesem Film. Danach hat wohl jeder Lust auf einen guten Comté.

    Wir haben „Könige des Sommers“ im Rahmen des Filmfest Hamburg 2024 gesehen, wo er als Eröffnungsfilm gezeigt wurde.

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