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    The Instigators
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Instigators

    Apples Anti-"Ocean’s Eleven"

    Von Christoph Petersen

    27 Jahre nach ihrem gemeinsamen Durchbruch mit „Good Will Hunting“, für den sie direkt mit dem Drehbuch-Oscar ausgezeichnet wurden, haben die besten Freunde Ben Affleck und Matt Damon 2022 ihre eigene Firma Artists Equity gegründet. Seitdem produzieren sie persönliche Herzensprojekte einfach selbst, darunter etwa den von Affleck inszenierten „Air - Der große Wurf“ über die ikonische Marketing-Partnerschaft zwischen Nike und Michael Jordan. Dazu greift das Duo vor allem auf Weggefährt*innen und Familienmitglieder zurück, um ihre Filme mit hochkarätigen Besetzungslisten auszustatten, von denen selbst die meisten viel höher budgetierten Studio-Blockbuster nur träumen können.

    Dasselbe gilt nun auch für die trockenhumorige (Anti-)Heist-Komödie „The Instigators“, die exklusiv bei Apple TV+ erscheint: Gefühlt jede einzelne Nebenrolle ist mit namhaften Charakterköpfen wie Alfred Molina („Spider-Man: No Way Home“), Michael Stuhlbarg („Call Me By Your Name“), Ron Perlman („Hellboy“), Toby Jones („The First Avenger“), Paul Walter Hauser („Richard Jewell“) oder Ving Rhames („Pulp Fiction“) besetzt. Allerdings kann das Schaulaufen der hervorragend aufgelegten Stars nicht immer darüber hinwegtäuschen, dass weder das Skript von Chuck MacLean und Casey Affleck noch die Regie von „Die Bourne Identität“-Mastermind Doug Liman so richtig aus den Startlöchern kommt.

    Cobby (Casey Affleck) und Rory (Matt Damon) sind weder die erste noch die zweite oder dritte Wahl für den Heist. Apple TV+
    Cobby (Casey Affleck) und Rory (Matt Damon) sind weder die erste noch die zweite oder dritte Wahl für den Heist.

    Der Ex-Knasti Cobby (Casey Affleck) lässt zufällig anwesende Kinder in das Atemtestgerät seines Motorrads blasen, um auch auf Bewährung weiter betrunken am Straßenverkehr teilnehmen zu können. Und der Ex-Marine Rory (Matt Damon) ist seit seiner Scheidung derart depressiv, dass er sich das Leben nehmen will, wenn sich nicht schnell etwas an seiner Situation ändert. Normalerweise ist mit den beiden Losern also kaum noch etwas anzufangen. Weil Gangsterboss Mr. Besegai (Michael Stuhlbarg) aber in der Klemme steckt, heuert er sie trotzdem für einen Heist an:

    Nach der anstehenden Wahl soll die Siegesparty von Bürgermeister Miccelli (Ron Perlman) überfallen werden. Schließlich ist der Amtsinhaber durch und durch korrupt, da dürften die schwarzen Taschen mit dem Bestechungsgeld also schon in den ersten Stunden nach der Wiederwahl eintrudeln. Aber natürlich geht schief, was nur schiefgehen kann, und so befinden sich der angeschossene Cobby und der überforderte Rory plötzlich auf der Flucht – vor den Schergen ihres Auftraggebers, vor den Handlangern des Bürgermeisters und vor der Polizei. Ihr einziger Ausweg: Rorys erstaunlich verständnisvolle Psychiaterin Dr. Donna Rivera (Hong Chau), die sich freiwillig als Geisel anbietet…

    Die depressiven Doppelgänger von "Ocean’s Eleven"

    In der „Ocean’s Eleven“-Trilogie tut Matt Damon als Linus Caldwell nur so schüchtern und tollpatschig, in Wahrheit hat der talentierte Hochstapler und Taschendieb jederzeit alles im Griff. Ähnliches gilt für Casey Affleck als Virgil Malloy, der als Ingenieurs-Genie spielend alle Probleme löst, die mit Fahrzeugen oder sonstigen Maschinen zu tun haben. Aber „The Instigators“ ist kein klassischer Heist-Film, bei dem man absoluten Experten bei der Arbeit zusieht. Ganz im Gegenteil: Alkoholiker Cobby weiß zwar, wie er (durchtrennte) Gasleitungen zu seinem Vorteil nutzen kann, aber weil er schon nach wenigen Minuten angeschossen wird, schleppt er sich nur noch durch den Rest des Films.

    Linus hat unterdessen zwar feste das Ziel vor Augen, exakt 31.480 Dollar zu verdienen, treibt als Gangster-Anfänger, der sich jeden noch so offensichtlichen Tipp fein säuberlich in seinem Notizblock notiert, ansonsten aber ziemlich passiv durch den Plot des Films. Der Heist selbst ist ebenfalls nicht besonders clever, sondern vor allem chaotisch – und auch im Anschluss stolpern die Protagonisten mehr zufällig von einer skurrilen Begegnung zur nächsten. Das ist dank der Besetzung alles amüsant genug – gerade für einen gemütlichen Abend auf der Couch. Aber so richtig in Fahrt kommt das lose verbundene Stückwerk trotzdem nicht. So bleibt auch die wenig subtile Kritik am korrupten Staatswesen eher zahnlos.

    Hong Chau stiehlt den beiden Hauptdarstellern immer wieder die Show. Apple TV+
    Hong Chau stiehlt den beiden Hauptdarstellern immer wieder die Show.

    Doug Liman, der sich seit einiger Zeit immer wieder lautstark beschwert, dass Amazon ihm für den Streaming-Hit „Road House“ nicht genügend Geld bezahlt habe, scheint mit seiner Gage diesmal zufrieden zu sein. Aber im Gegenzug liefert der eigentlich ja Action-erfahrene Filmemacher nur bedingt ab: Bei zwei Autoverfolgungsjagden durch Downtown Boston, bei denen dann passenderweise auch direkt „Downtown“ von Petula Clark ertönt, experimentiert der „Edge Of Tomorrow“-Regisseur zwar noch mit aus dem Fluchtauto gefilmten Handkamerabildern, aber darüber hinaus sind die aufsehenerregenden inszenatorischen Einfälle rar gesät.

    Der MVP-Preis geht deshalb auch an die für „The Whale“ oscarnominierte Hong Chau, die aktuell in Yorgos Lanthimos‘ „Kinds Of Kindness“ auch auf der großen Leinwand zu sehen ist. Als ansteckend-empathische Psychiaterin vollführt sie während der Fluchtfahrten kurze Spontansitzungen, die den Film angenehm erden, und im selben Moment auch den trockenen Humor von „The Instigators“ auf den Punkt bringen. Egal was gerade geschehen ist, ob Leute erschossen oder Bars in die Luft gejagt wurden, die erste Frage an Rory lautet immer: „Wie fühlst du dich gerade?“

    Fazit: Wenn Matt Damon in seinem Bekanntenkreis trommelt, um in seiner Heimatstadt Boston zu drehen, dann kann man sich sicher sein, dass der Film bis in die kleinste Nebenrolle herausragend besetzt sein wird. Und tatsächlich ist der namhafte Cast das absolute Prunkstück dieser lakonischen Heist-Komödie. Schade nur, dass das Drehbuch viele Figuren, aber wenig Überraschungen bereithält und die Inszenierung nur selten an Fahrt aufnimmt.

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