Das Original ist umstritten – die Fortsetzung nur grottig
Von Thorsten HanischDie einen lieben ihn heiß und innig, die anderen halten ihn für völlig überbewerteten Mist. Joe D’Amatos 1980 veröffentlichter Horrorfilm „Man-Eater – Der Menschenfresser“ spaltet bis heute die Gemüter. Eins lässt sich mittlerweile jedenfalls definitiv attestieren: Der 1999 leider zu früh verstorbene Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Kameramann, auf dessen Konto rund 200 Filme gehen, hat sich mit seinem einzigen Versuch, einen auf Atmosphäre und Suspense setzenden Horrorfilm zu drehen, in die Horrorfilmgeschichte eingeschrieben. Und sei es nur, weil der billig produzierte, auf grobkörnigem 16-mm-Material gedrehte Film zu einem der wohl berühmt-berüchtigsten Schocker der 1980er-Jahre mutierte.
Insbesondere in Deutschland trieb das die Jugendschützer*innen dermaßen auf die Barrikaden, dass nicht nur das Werk bundesweit beschlagnahmt, sondern sogar das Kinoplakat indiziert wurde! Zudem dachte die Jugendschutzbehörde laut über eine Anzeige nach, da das Ansehen von „Man-Eater“ angeblich zu Brechreiz und körperlichen Beschwerden der Prüfenden geführt hatte. Größter Stein des Anstoßes war eine überraschende Szene am Ende, in der der titelgebende Menschenfresser einer Frau den Fötus aus dem schwangeren Leib reißt und kräftig reinbeißt. Nun ist unter dem Titel „Man-Eater – Der Menschenfresser ist zurück“ ein Pseudo-Sequel erschienen, das vor allem dazu dient, allen Zweiflern deutlich zu machen, welche Qualitäten das Original eben doch besitzt.
Wir wünschen guten Appetit!
In der ambitionslos gefilmten Neuauflage von Dario Germani lassen sich sieben Studentinnen zusammen mit ihrer Dozentin Nora (Monica Carpanese) für 24 Stunden in einen Atomschutzbunker sperren, um daraus Erkentnnise für eine Diplomarbeit zu ziehen. Dass bereits Menschen in dem Bunker ums Leben gekommen sind und ihnen bei der Ankunft ein mysteriöser Mann, der das Wort „Mörder!“ regelrecht auf der Stirn eingraviert hat, die Tür aufschließt, hält die jungen Frauen nicht von ihrem Unterfangen ab. Aber warum auch? Man hat ja klugerweise vorgesorgt und niemanden über den Aufenthalt informiert. Zudem wurden vorsichtshalber die Mobiltelefone zu Hause gelassen, so dass man im Notfall auch garantiert niemanden verständigen kann…
Es verwundert natürlich nicht, dass kurz drauf zwei der Teilnehmerinnen verschwinden und dem Rest klar wird, dass hier ein finsterer Genosse sein Unwesen treibt und die Mädels nach allen Regeln der Kunst auseinandernimmt. Und nur darum schien es Regisseur Dario Germani gegangen zu sein. Denn alles außerhalb der zahlreichen, immerhin gut getricksten und augenscheinlich CGI-freien, mit einer ordentlichen Portion Sadismus angereicherten Gewaltszenen ist dermaßen haarsträubend blöd, dass man kaum weiß, wie man den Unfug eigentlich ordentlich rezensieren soll. Das fängt schon damit an, dass die viert- bis drittklassig gespielten Charaktere nach ihrer Ankunft im Bunker am helllichten (!) Tag erstmal schlafen gehen – und hört damit auf, dass eine der Studentinnen im Schlachtraum des Killers ihre Kommilitonin mit offenem Schädel liegen sieht, aber reagiert, als ob sie gerade in ein Badezimmer spaziert ist, in dem sich ihre Freundin die Zähne putzt – nämlich gar nicht.
Der springende Punkt ist: Der Plot von D`Amatos Film ist sicherlich ebenso wenig ein Ausbund an Komplexität, aber er hat immerhin eine nachvollziehbare Handlung und zudem Charaktere, die sich wenigstens halbwegs wie Menschen und nicht wie Pappaufsteller anfühlen. Und im Rückblick kann man durchaus festhalten, dass das damalige, maßlose aufgepumpte Zensurtheater die Sicht auf die tatsächlichen Qualitäten des sicherlich nicht überragenden aber eben auch nicht schlechten Films ein wenig vernebelt hat. Denn der Achtzigerjahre-„Man-Eater“ ist wirklich alles andere als eine Metzelorgie, es gibt im Gegenteil sogar nur sehr wenige Gewaltszenen.
Stattdessen schwelt der Film lange Zeit in einer unheilschwangeren, nahezu außerweltlichen Atmosphäre, die durch die stimmungsvollen Drehorte und die grobe Ästhetik ebenso verstärkt wird wie durch den horrorfilmunüblichen Umstand, dass die meisten Szenen am Tag spielen. Die Gewaltszenen werden gezielt eingesetzt, der mit einer Hommage an Wendy Carlos’ „Uhrwerk Orange“-Soundtrack unterlegte „Fötus“-Showdown ist ein schauriger Höhepunkt, der aber nicht über die Maßen ausgewalzt wird. Germanis Neuauflage dagegen ist genau die Metzelorgie, die man einst in D’Amatos Film gesehen hat. Hier wird bereits nach knapp einer Minute (!) eine Frau um ihren Fötus erleichtert und in den folgenden 80 Minuten werden in regelmäßigen Abständen so zeigefreudig wie möglich menschliche Körper nach allen Regeln der Kunst zerlegt.
An den originalen Man-Eater-Darsteller George Eastmann kommt Alberto Buccolini einfach nicht heran – und das liegt nicht nur an der überragenden Körpergröße des Originals.
Das größte Pfund von D’Amatos Film ist der Darsteller des Menschenfressers, denn der in seiner Jugend als Wrestler aktive George Eastmann, der seiner Rolle einen leicht theatralischen Touch gibt, ist allein aufgrund seiner Körpergröße von 2,06m bereits eine dermaßen beeindruckende Gestalt, dass es kaum noch Make-up gebraucht hätte, um ihn bedrohlich wirken zu lassen. Der neue Man-Eater-Darsteller Alberto Buccolini hingegen hinterlässt nicht halb so viel Eindruck. Er ist weitaus kleiner, schmaler, drahtiger und trägt eine handelsübliche Mutanten-Maske. Er wirkt eher wie aus einem der „Wrong Turn“-Filme entsprungen.
Fazit: Grottiges Pseudo-Sequel von Joe D’Amatos berühmt-berüchtigtem 80er-Jahre-Schocker „Man-Eater – Der Menschenfresser“, das genau das ist, was man D’Amatos Film einst angedichtet hat: Eine Metzelorgie ohne Sinn und Verstand, dafür aber mit einer Reihe saftiger, sadistischer und gut getrickster Splatter-Szenen. Allerdings werden die Effekte selbst die allergrößten Gore-Fans nur schwer drüber wegtäuschen können, dass aus „Man-Eater – Der Menschenfresser ist zurück“ trotzdem ein dummer und langweiliger Film geworden ist.