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    It's Raining Men
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    It's Raining Men

    Halleluja, es lebe der Sex!

    Von Gaby Sikorski

    Das kleine Wörtchen „frivol“ hat mehre Bedeutungen (Quelle: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache): Prinzipiell drückt es zunächst aus, dass jemand oder etwas das Maß des Erlaubten überschreitet, beispielsweise im Sinne von leichtfertig oder gar gewissenlos. Jemand, der sich unvernünftig verhält, kann frivol sein, oder eine Person, die mit einer anderen ein Spielchen treibt. Darüber hinaus hat das Wort eine moralische Konnotation: Wenn die (guten) Sitten verletzt werden, dann kann das ebenso frivol sein wie eine Bemerkung oder ein anzüglicher Witz. Das Wort selbst stammt ursprünglich aus dem Lateinischen und gelangte über die französische Sprache nach Deutschland, wo es seit einigen Jahrzehnten ein eher unauffälliges Dasein am Rande des heimischen Gesamtwortschatzes führt.

    Doch um „It’s Raining Men“ der französischen Regisseurin und Autorin Caroline Vignal („Mein Liebhaber, der Esel und ich“) zu beschreiben, ist es perfekt geeignet. Leider wird die Komödie aus verschiedenen Gründen kaum so hohe Wellen schlagen, dass das kleine Wort wieder in Mode kommt, aber es fasst in außerordentlich knapper Form zusammen, worum es im Film geht: um Grenzüberschreitungen, um die freudvolle Leichtfertigkeit der Unvernunft bei gleichzeitiger Verletzung herrschender Moralvorstellungen. Das Besondere dabei ist unter anderem, dass es sich hier um eine Frau handelt, die es wagt, aus der Reihe zu tanzen und ihre Sexualität auszuleben, genauer gesagt, um Iris (Laure Calamy), eine Dame, die auf die 50 zugeht.

    Iris (Laure Calamy) und Stéphane (Vincent Elbaz) sind eigentlich ein glückliches Paar. Aber zwischen den Laken läuft schon seit Jahren nichts mehr. X-Verleih
    Iris (Laure Calamy) und Stéphane (Vincent Elbaz) sind eigentlich ein glückliches Paar. Aber zwischen den Laken läuft schon seit Jahren nichts mehr.

    Die Pariserin ist eine gefragte Zahnärztin mit einer großen Praxis. Sie hat zwei wohlgeratene Töchter und mit Stéphane (Vincent Elbaz) einen gutaussehenden Ehemann, der ebenfalls erfolgreich in seinem Beruf als Architekt arbeitet. Eigentlich könnte Iris die glücklichste Frau auf Erden sein, aber da gibt es etwas, was sie nicht hat und schmerzlich vermisst: Sex. Mit Stéphane läuft schon seit Jahren nichts mehr im Bett – vermutlich habe sich die beiden so aneinander gewöhnt, dass sie das Intimleben einfach vergessen haben. Umso überraschender ist es für Iris, als sie zufällig erfährt, dass es für ihr Problem eine ganz einfache Lösung gibt: eine Dating App.

    Ein Profil ist schnell erstellt, und zu Ines‘ großer Freude funktioniert die Sache deutlich besser als erwartet. Die erste Schüchternheit ist schnell abgelegt, und in kürzester Zeit entwickelt sich Ines von einer frustrierten Ehefrau zur gefragten Geliebten, die sich vor Männern nicht mehr retten kann und angesichts ihrer wiederentdeckten Weiblichkeit geradezu aufblüht. Es gelingt ihr zwar nur mit großem Aufwand, ihre zahlreichen heimlichen Dates zu organisieren, doch der unverbindliche Sex mit anderen, oft jüngeren Männern wird für Iris nicht nur zur willkommenen Bereicherung ihrer Mittagspause, sondern steigert ihr Selbstbewusstsein in unerwartete Höhen. Diese Entwicklung bleibt aber auch Stéphane nicht verborgen…

    Ein Hoch aufs Rumknutschen und Rumvögeln

    „It’s Raining Men“ ist eine leichte, sogar sehr leichte Komödie, die vor allem unterhalten will. Und das klappt tatsächlich ganz gut. Für spießige Gemüter oder für alle, die generell gern den moralischen Zeigefinger heben, wenn es um außerehelichen Sex geht, ist der Film eher weniger geeignet. Caroline Vignal hat gemeinsam mit ihrer Co-Autorin Noémie de Lapparent eine Geschichte konstruiert, die relativ glaubwürdig davon erzählt, wie eine Frau ihre Sexualität wiederentdeckt, ohne Schuldgefühle oder schlechtes Gewissen, und damit sich selbst genauso glücklich macht wie die Männer, mit denen sie es treibt. Das ist irgendwie sehr französisch und ziemlich charmant.

    Und Laure Calamy, vielen bestens bekannt als Noémie in „Call My Agent“, ist als Iris ein echtes Naturereignis. Sie spielt das Vollblut-Weib mit viel Temperament und unglaublicher Energie als sexy Frau, die ziemlich genau weiß, was sie will: die pure Lust. Die Erfüllung ihrer Sehnsüchte macht sie immer strahlender, hübscher und verführerischer – und sie wirkt dabei immer jünger. Es scheint, als ob sich Iris durch ihr wonnevoll ausgelebtes Sexualleben immer weiter zurückentwickelt – bis zum Teenie. Sie wird zum – im besten Sinne – frivolen jungen Mädchen, das sich durch den Alltag kichert und giggelt, das fröhliche Rumknutschen und Rumvögeln propagiert und damit die eigenen pubertierenden Töchter schockiert. Zu Beginn spielt Laure Calamy sehr komisch die zurückhaltende Ehefrau – sie ist bei einem Osteopathen in Behandlung und kann kaum verhehlen, dass seine Berührungen sie sexuell anturnen. Das macht sie mit ebenso viel Koketterie wie komödiantischem Eifer.

    Je mehr Sex, desto jünger und erfrischter fühlt sich Iris. X-Verleih
    Je mehr Sex, desto jünger und erfrischter fühlt sich Iris.

    Später spielt sie mit großem Einsatz je nachdem mal die Verführerin oder die Verführte, wenn sie ihre Lust auslebt. Aber sie verliebt sich nicht in die Männer, sondern Laure Calamy zeigt mit sehr viel Komik eine Frau mit stetig steigender guter Laune, die nicht den Kopf verliert, auch wenn sie ihre Lust auslebt. Dabei verzichtet Caroline Vignal auf explizite Sexszenen, stattdessen überlässt sie es der Fantasie des Publikums, wie die hochmotivierte Iris bei ihren verschiedenen Liebhabern von einem Höhepunkt zum nächsten kommt. Das alles unterfüttert Vignal mit ein paar hübschen Ideen: Da werden plötzlich alle Männer, mit denen Iris in der Pariser Metro fährt, zu potenziellen Liebhabern, und das Smartphone entwickelt sich zum ständigen Begleiter, der mit hässlichem Schnarren schon den nächsten Match ankündigt. Naturgemäß spielt das Handy eine große Rolle, wenn es um Dating Apps geht, und wie Caroline Vignal das Problem löst, ist einerseits ganz gut durchdacht, aber andererseits auch ein bisschen nervig, zumindest für Iris‘ gesamte Umgebung, einschließlich des Publikums. Aber natürlich nicht für Iris selbst, die mit niemals erlahmender Begeisterung ihre Matches und Messages abruft.

    Tatsächlich ist der Film recht unterhaltsam trotz der vorhersehbaren Entwicklung am Schluss, doch die Komödie bleibt insgesamt dennoch unter ihren Möglichkeiten. Das liegt keinesfalls an Laure Calamy, die wie ein niedlicher, fröhlicher Gummiball durch ihren Film springt, und an ihrem außerordentlichen komischen Talent, das sie gelegentlich auch mal ein wenig zu offensiv einsetzt. Vielmehr beruht der Charme des Films eher auf der Hauptdarstellerin als auf der Geschichte selbst, die ein paar mehr inhaltliche Höhepunkte, mehr Gags im zweiten Teil oder wenigstens einen Hauch mehr Tiefgang gut vertragen hätte. Immerhin ist die Grundidee ganz schön – mit ihrer zumindest augenzwinkernden Interpretation von Female Empowerment.

    Fazit: Was macht eine Frau um die 50, die keinen Sex mit ihrem Mann hat? Sie sucht sich ihre Liebhaber über eine Dating App und wird dafür reich belohnt! Die Geschichte mit ihrem vorhersehbaren Ende hat durchaus Qualitäten, besonders durch das einsatzfreudige Spiel der Hauptdarstellerin Laure Calamy, doch für eine rundum gelungene Komödie fehlt es ein wenig an Raffinesse und an zündenden Gags, besonders im zweiten Teil. Drei wohlverdiente Sterne gibt es aber für die hübsche Idee, für eine tolle Hauptdarstellerin und für eine frivole Geschichte, die mit Intelligenz und Charme für Unterhaltung sorgt. Pikant und prickelnd.

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