Nach „Die Stunde der Patrioten“ darf Harrison Ford ein zweites Mal als CIA-Analytiker Jack Ryan ran und schlägt sich nun mit Drogenmafiosi und korrupten Politikern rum. Mag Phillip Noyces Werk inszenatorisch nicht ganz so ausgefeilt wie John McTiernans Jagd auf Roter Oktober sein, gehört „Das Kartell“ doch zu den sehenswerten Vertretern des Action-Thriller-Genres.
Jack Ryan (Harrison Ford) hat als neuer stellvertretender CIA-Direktor alle Hände voll zu tun. Ein ermordeter Freund des US-Präsidenten (Donald Moffat) entpuppt sich als Geldwäscher für das kolumbianische Drogenkartell. Eine illegal operierende Spezial-Einheit wird unter der Leitung von CIA-Allrounder John Clark (Willem Dafoe) in den südamerikanischen Dschungel geschickt. Sie sollen die Drogenbarone nach und nach eliminieren. Doch ein Abgesandter von Ernesto Escobedos (Miguel Sandoval) Kartell, Felix Cortez (Joaquim de Almeida), handelt mit dem US-Präsidentenberater James Cutter (Harris Yulin) einen faulen Deal aus. Die Spezialeinheit wird wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen. Ryan gerät als verantwortlicher, aber von geheimen Verschwörungen unberührter Operationschef zwischen den Fronten. Er beschließt, in Kolumbien persönlich nach dem Rechten zu sehen…
Die Buchvorlage ist dick, sehr dick. Tom Clancys Roman besticht durch Detailliebe und authentische Schilderungen. Die komplexe Erzählung mit all ihren Nebensträngen ansprechend auf die Leinwand zu bringen, das ist schon ein sehr schwieriges Unterfangen. Den Drehbuchautoren ist es mit Hilfe von Tom Clancy ganz gut gelungen. Der Film konzentriert sich auf das Wesentliche, zieht die richtige Essenz aus der Vorlage und erweist sich als geradliniger Abenteuerreißer. Wo im Buch Jack Ryan bei weitem nicht die einzige Hauptfigur der Handlung ist, konzentriert sich im Film alles auf den von Harrison Ford dargestellten CIA-Mann. So fällt den im Buch (und für die weitere Jack-Ryan-Reihe) wichtigen Charakteren wie John Clark (Willem Dafoe), Captain Ramirez (Benjamin Bratt) oder Domingo Chavez (Raymond Cruz) lediglich eine kleine bis unscheinbare Rolle zu. Auch der Part von Anne Archer als Ryans Ehefrau Cathy ist auf das Allerwesentlichste gekürzt worden. Ein bisschen schade, aber konsequent und richtig.
Viele Köche verderben bekanntlich den Brei; aber dass dies nicht immer so ist, das haben wir schon bei „Jagd auf Roter Oktober“ festgestellt. Auch an „Das Kartell“ sind viele Autoren beteiligt. Offenbar benötigt es mehr als einen Drehbuchschreiber, um Clancys Wälzer akzeptabel für das Kino zu „übersetzen“. Die Herren Donald Stewart (Jagd auf Roter Oktober), Steven Zaillian (Schindlers Liste) und John Milius („Conan, der Barbar“) bringen ihre Erfahrungen richtig ein und „Das Kartell“ vermag als zwar oberflächliches, aber homogenes Ganzes zu funktionieren. Das Hauptaugenmerk wird auf die Action gelegt. Eine der bemerkenswertesten Szenen ist in diesem Zusammenhang der Anschlag auf eine amerikanische Wagenkolonne in den Straßen Bogotas. Einzig Mr. Ryan überlebt, der im Buch übrigens weniger aktiv ist. Regisseur Phillip Noyce (Catch A Fire, Der stille Amerikaner) versteht es, die Actionszenen mitreißend zu inszenieren, auch wenn es manchmal ein bisschen unlogisch ausschaut. So rennt Jack Ryan beispielsweise unter heftigstem Beschuss über ein Dach, die Sicht ist frei, jedes blinde Huhn hätte ihn getroffen, nur die Bad Guys, die schaffen es nicht, den wackeren Helden vom Dach zu knallen. Schlussendlich fallen solche Kleinigkeiten (ja, es gibt noch mehr, z.B. die magischen Computer, die alles finden) nicht weiter ins Gewicht, denn der ansonsten auf überdurchschnittlichem Hollywoodniveau inszenierte Film ist spannend genug, um von solchen „Bagatellen“ abzulenken. Eine Qualität, die nicht jeder Film beherrscht.
Die Musik stammt von James Horner (Titanic, Troja). Mit seiner Vorliebe für orchestrale Klänge ist er durchaus im richtigen Film. Wem übrigens ein Teil der Musik (abzüglich des Horner-Wiedererkennungswerts) recht bekannt vorkommt, sollte mal in den Soundtrack von Aliens - Die Rückkehr reinhören. Da hat der gute Komponist ein bisschen (aber nur ein bisschen) von sich selbst geklaut. Die Ausstattung kann sich sehen lassen. Das Oval Office des Weißen Hauses stammt vom Set zur Präsidenten-Komödie „Dave“ mit Kevin Kline in der Hauptrolle. „Das Kartell“ wechselt fleißig zwischen schönen Settings in Kolumbien und ebenso exquisiten in den US and A. Das sieht alles ansprechend aus und hält den Betrachter bei Laune, wenn mal nicht geschossen wird. Für die richtige Stimmung sorgen auch die exzellenten Darsteller.
Obgleich Alec Baldwin als Jack Ryan nicht schlecht war, hat doch Harrison Ford in jener Rolle die größere Starpower und das größere Charisma. Ford als Ryan, das passt. Gleiches gilt für Anne Archer als seine kluge Frau, die gerne etwas mehr Leinwandzeit hätte haben dürfen. Willem Dafoe holt aus den wenigen Minuten, die ihm zustehen, das Optimale heraus. Herrlich bösartig sind die Bad Guys auf beiden Seiten, seien es Harris Yulin und Henry Cerny im Weißen Haus oder Joaquim de Almeida und Miguel Sandoval auf Mafia-Seite. Zum dritten Mal ist auch James Earl Jones als Admiral Greer dabei, der vor allem für die Lacher zuständig ist. Und für die Emotionen. Er ist Ryans Mentor, doch seine tödliche Krebserkrankung gibt ihm nicht mehr viel Zeit zum Leben. Daher muss Ryan als sein Vertreter bei der CIA den Laden schmeißen. Eine Erwähnung verdient noch Donald Moffat als reaktionärer, nicht ganz so smarter US-Präsident, der zwar ein bisschen Charisma hat, aber ein Spielball seines Beraters (Harris Yulin) ist. Mögliche Parallelen zu real lebenden Personen konnten zumindest zum Zeitpunkt des Films noch nicht beabsichtigt sein. Das gelungene Type-Casting macht einige fehlende Charakterisierungen wett. Es wäre ohnehin nicht möglich gewesen, jeder Person den entsprechenden Background zu verpassen. Denn ein Action-Thriller muss bekanntlich auch Action vorweisen können. Sämtliche Darsteller können in ihren auf den Leib geschriebenen Rollen überzeugen und sichern sich schnell die Sympathien oder (nach Bedarf) Antipathien des Zuschauers.
Ach ja, der Film – wie bei Rechtsausleger Clancy üblich - hat so seine patriotischen Anflüge, doch diese fallen gegenüber dem hohen Unterhaltungswert nicht weiter ins Gewicht. Wer unbedingt will, kann über die Klischeerolle der Kolumbianer oder die politische Ausrichtung sinnieren, aber nötig ist es nicht. Auf Grund des Verlaufes der Geschichte können zwischen den Zeilen auch kritische Töne herausgelesen werden. So genannte CIA-Glorifizierung betreibt der Film nicht, denn dafür missbrauchen einige Herrschaften viel zu oft viel zu deutlich ihre Macht. Alles in allem bietet „Das Kartell“ genug, um den Genrefreund zu begeistern. Ein überzeugendes Skript, gute Action, schöne Locations und perfekt gecastete Darsteller. Ein Film, über den sich der Cineast den Kopf nicht groß zerbrechen muss; ein Film dafür aber umso mehr, der sich zur spannenden Berieselung eignet und empfiehlt.