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    Back To Black
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Back To Black

    Die wahre Amy – oder eine Version davon

    Von Joana Müller

    Nach ihrem tragischen Tod im Jahr 2011 gab es mehrere Versuche, die Geschichte von Amy Winehouse auf die große Leinwand zu bringen. Projekte mit Noomi Rapace („Verblendung“) oder Tania Raymonde („Goliath“) in der Rolle der Ausnahmekünstlerin scheiterten jedoch. Stattdessen tat sich zunächst einmal die Dokumentation „Amy“ von Asif Kapadia hervor, die nicht nur von Fans gefeiert, sondern 2016 auch noch mit dem Oscar für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde. Aber der Wunsch nach einem Biopic blieb natürlich bestehen …

    … und das kommt nun in Form von „Back To Black“ von Regisseurin Sam Taylor-Johnson, die das von Musik und Rausch durchzogene Leben der Soul-Sängerin mit Marisa Abela („Barbie“) in der Hauptrolle von Amy Winehouse verfilmt. Während Abela nach ihrem Casting Backlash von Fans erhielt, da sie der Musikerin nicht ähnlich genug sehe, wurden auch skeptische Stimmen gegenüber Sam Taylor-Johnson laut, immerhin zeichnete sie neben dem durchwachsenen John-Lennon-Biopic „Nowhere Boy“ auch für „Fifty Shades Of Grey“ verantwortlich. Umso erfreulicher, dass die Bedenken weitgehend unnötig waren – auch wenn ein gewisser bitterer Nachgeschmack bleibt.

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    Sie muss sich erst ein wenig reinfinden, aber am Ende des Films ist Marisa Abela als Amy Winehouse eine echte Sensation!

    Die junge Amy (Marisa Abela) träumt in London davon, Jazz-Musikerin zu werden. In ihrem Zimmer schreibt sie soulige Songs, die allesamt auf sehr persönlichen Erfahrungen beruhen. Nach ersten Gigs in den Pubs des Bezirks Camden kommt sie schließlich bei einem großen Label unter Vertrag. Viel wichtiger als Ruhm und Reichtum sind Amy jedoch die Beziehung zu ihrer Oma Cynthia (Lesley Manville) und ihrem Vater Mitch (Eddie Marsan), sowie die Männer, die immer wieder zum Thema ihrer Musik werden.

    Als sie den Indie-Bad-Boy Blake (Jack O’Connell) kennenlernt, verliebt sich Amy Hals über Kopf und glaubt, endlich den Mann fürs Leben gefunden zu haben. Mit dem so freigeistigen wie unberechenbaren Blake steigert sich jedoch nicht nur ihr Alkoholkonsum, auch andere Drogen kommen hinzu. Und als Blake sie für seine Ex-Freundin verlässt, verliert Amy komplett den Boden unter den Füßen. Das ist nicht nur die Geburtsstunde ihres Erfolgs-Albums „Back To Black“, sondern auch der Start einer Abwärtsspirale, die sich nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter nur noch mehr zu drehen beginnt…

    Die Königin von Camden

    Wenn Marisa Abela als Amy Winehouse in den ersten Szenen von „Back To Black“ auf einer Familienfeier zu singen und mit ihrem Vater zu tanzen beginnt, dann scheinen sich einige der vorab geäußerten Zweifel direkt zu bestätigen: In der beinahe schon Musical-artigen Szene wirkt Abelas Stimme dünn, ihr fehlt der Soul, den wir von Winehouse gewohnt sind, der Dreck, der Rauch, die Kanten. Auch ist die Ähnlichkeit zur Musik-Größe hier noch wenig zu sehen. Allerdings ist das durchaus damit zu entschuldigen, dass sich Amy hier eben noch in ihren Teenagerjahren befindet. Je weiter der Film aber voranschreitet, desto mehr nähert sich dann nicht nur Abelas Aussehen, sondern auch ihre Stimme der realen Amy Winehouse an.

    Abela beginnt, die Eigenheiten von Winehouse’ außergewöhnlicher Stimme immer besser zu meistern, sodass am Ende Schauspielerin und Vorbild so sehr miteinander verschmelzen, dass man ihren Gesang ohne ganz genaues Hinhören kaum unterscheiden kann. Noch erstaunlicher ist das, weil Abela noch beim Casting zu „Back To Black“ behauptete, dass sie gar nicht singen könne. Erst in den Monaten bis zum Drehbeginn hat sie sich mit intensivem Gesangstraining auf das Biopic vorbereitet. Laut Sam Taylor-Johnson hat Abela nun alles, was im Film aus ihrem Munde kommt, auch tatsächlich selbst gesungen – und das, obwohl eigentlich immer geplant war, in den Gesangsszenen ausschließlich auf Aufnahmen der realen Amy Winehouse zurückzugreifen.

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    Ganz wichtig für Amy: Die Beziehung zu ihrer über alles geliebten Großmutter Cynthia (Lesley Manville).

    Viel wichtiger als die äußerliche Ähnlichkeit ist ja aber ohnehin die Essenz und die Ausstrahlung. „Back To Black“ porträtiert eine junge Frau, die die Musik liebt, sich mit ihren Freundinnen betrinkt, auf der Bühne anfängt zu pöbeln, wenn ihr etwas nicht passt, und ihren Ex-Freund auch gerne mal öffentlich in die Pfanne haut. Statt ein weiteres Spice Girl zu sein, verehrt Winehouse Größen wie Sarah Vaughan und Lauryn Hill. Sie will sich nicht anpassen, will auf kleinen Bühnen in den dreckigen Pubs von Camden stehen, will ihre Songs schreiben, weil sie sonst nicht weiß, wohin mit ihren Emotionen. Sie atmet ihre Musik, ihren Soul und ihre Kreativität.

    Der Film zeigt das eindrücklich in den Szenen, in denen sie ein Mikrofon in der Hand hält oder allein zu Hause auf der Gitarre ihre zahlreichen Hits wie „Rehab“, „Tears Dry On Their Own“ oder „Back To Black“ zupft. Dann überträgt sich ihre Freude auch aufs Publikum, das ihr vom Parkett aus zujubelt – oder im Kinosaal mitlächelt. Doch zeigt der Film immer wieder auch Selbstzweifel und Einsamkeit, die sich trotz Mitbewohnerinnen und familiären Bezugspersonen wie ihrer Großmutter und ihrem Vater durch ihr Leben zu ziehen scheinen. Nicht nur übergibt sie sich regelmäßig wegen zu viel Alkohol, sondern auch nach dem Essen. Antworten kann – oder will – uns „Back To Black“ hier jedoch nicht geben. Stattdessen sehen wir Amy vorerst so unkommentiert wie zügellos und hungrig auf der Suche nach Spaß, Freiheit – und nach Liebe.

    Der Bösewicht

    Auftritt Blake Fielder-Civil: Der auserkorene Bösewicht in Amy Winehouse’ Leben wird hier als charmanter und humorvoller Pete-Doherty-Verschnitt eingeführt, der Amy zum Lachen bringt und ihre Liebe zur Musik teilt. Nach einer Runde Billard reden die beiden über das Leben und die Leidenschaft und können den Blick nicht voneinander abwenden. Hier sprühen die Funken auch zwischen Marisa Abela und Jack O’Connell („Skins“), während die Kamera ihnen immer näherkommt und auch die emotionale Verbindung symbolisiert, die sich in diesem schicksalhaften Moment anbahnt. Nachdem die beiden das erste Mal im Bett landen und Amy wie aus einem schönen Traum erwacht, kommen jedoch schnell auch die Schattenseiten des Tee-kochenden Produktionsassistenten zum Vorschein:

    Bereits früh am Morgen braucht er sein Kokain, eine Gewohnheit, die er selbst als „Rock’n’Roll“ bezeichnet. Amy findet daran nur wenig Gefallen und gelobt „Klasse-A-Drogen“ niemals anrühren zu wollen. Ein Gelöbnis, das sie später im Film brechen wird, wobei Blake keine unbedeutende Rolle spielt. Denn sobald er Amy vernachlässigt, greift sie zur Flasche – und als er sie für seine Ex-Freundin verlässt, stürzt Amy ihren vollen Jacky-Cola-Becher fast schon ein wenig zu demonstrativ in nur einem Zug herunter.

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    Blake (Jack O’Connel) ist im Film an vielem Schuld. Ob das im wahren Leben alles auch so eindeutig war, darf bezweifelt werden.

    Der Film hat in Blake seinen Bösewicht gefunden und so bleibt der junge verlorene Brite über die restliche Laufzeit hinweg eine Zielscheibe, in der immer wieder die Gründe für Amys Untergang gesucht werden. Blind vor Liebe, tätowiert sie sich seinen Namen übers Herz und glaubt bei einem zufälligen Kniefall, er mache ihr einen Heiratsantrag. Schon bei ihrem ersten Date redet sie von Kindern. Blake scheint in die Sache dagegen nur irgendwie hereingerutscht zu sein.

    Er sticht sich ihren Namen nur hinters Ohr statt übers Herz und verspricht ihr auch nicht das Blaue vom Himmel. Stattdessen kommt und geht er, wie es ihm passt. Er kehrt zu seiner Ex zurück und steht plötzlich wieder bei Amy auf der Matte, als sie mit „Back To Black“ die Charts erobert. Hier wird klar geframet, dass er sie für Geld und Ruhm ausnutzt – eine Lesart, die dem mittellosen Fielder-Civil auch nach Winehouse’ Tod von der Öffentlichkeit und ihrem Vater Mitch noch oft unterstellt wurde.

    „But If My Daddy Thinks I’m fine“

    Tiefer steigt Taylor-Johnson hier leider nicht in die Materie ein. Emotionale Gespräche zwischen Amy und Blake sucht man vergeblich, in denen er ihr beispielsweise von seinem Selbstmordversuch im Alter von neun Jahren erzählt oder sie ihm von der Trennung ihrer Eltern. Tiefgreifende Offenbarungen eben, die nicht nur verständlicher machen, warum die beiden so aufeinander fixiert scheinen, sondern auch, warum sie sich selbst so herzlich egal sind. Diese Sätze findet man hingegen in der Dokumentation „Amy“, die neben Amys Beziehung zu Fielder-Civil auch die zu ihrem Vater konsequenter hinterfragt. Denn dass dieser Amy auch in ihren persönlichsten Momenten immer wieder ungewollt vor die Kamera zerrte, wird in „Back To Black“ geflissentlich ausgespart.

    Generell bekommt man in Taylor-Johnsons Biopic nur selten den Eindruck, Winehouse würde sich an den vielen Paparazzi stören, die ihr ab einem gewissen Zeitpunkt auf Schritt und Tritt folgen. Auch das Verhältnis zwischen Amy und Mitch bleibt hier stattdessen stets liebevoll und auf Augenhöhe – angefangen beim gemeinsamen Singen auf der Familienfeier, bis hin zu Liebesbekundungen vor blitzenden Kameras am Gartenzaun. Er war es allerdings, der sie nicht in die Suchtklinik schicken wollte, als ihr Manager erstmals dafür plädierte. Und was ihr Vater sagt, das ist für Amy auch in „Back To Black“ Gesetz.

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    Amy schreibt nur Songs über Dinge, die sie selbst erlebt hat – und dafür muss sie so viel und intensiv leben, wie es nur geht.

    Da „Back To Black“ auch mit Unterstützung der Amy Winehouse Foundation entstanden ist, die zum Großteil Mitch Winehouse gehört, muss man sich aber eben auch nicht darüber wundern, dass die Darstellung von Amys Familienleben äußerst einseitig ausfällt. Selbst Amys Freund*innen sollen nicht bei der Entstehung des Biopics konsultiert worden sein. So kriegen wir im Film zwar die vielen Hits von Winehouse zu hören, was ohne die Zustimmung der Foundation wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre. Aber es nimmt dem Ganzen nicht nur die Komplexität, sondern auch die Glaubwürdigkeit – was besonders schade ist, da sich der Film ja damit brüstet, die wahre Geschichte von Amy Winehouse erzählen zu wollen: Mittels Voice-Over erklärt die Musikerin im Film, dass sich die Leute so an sie erinnern sollen, wie sie wirklich war. Zugegebenermaßen kann ein Film dieses Ziel wahrscheinlich niemals wirklich erreichen. Stattdessen lernen wir auch in „Back To Black“ nur eine Version von Amy Winehouse kennen. Wer das Ausnahmetalent wirklich war, werden wir wohl nie abschließend erfahren.

    Fazit: „Back To Black“ ist eine Ode an das Ausnahmetalent Amy Winehouse, die mit ihrer außergewöhnlichen Stimme und persönlichen Texten von den Camdener Pubs aus die Welt eroberte. Marisa Abela wächst in der Rolle der Musikerin nach und nach über sich hinaus, während sie auch außerhalb ihrer Gesangseinlagen der klare Star des Films bleibt. Selbst wenn die Sicht auf Winehouse' Geschichte häufig zu einseitig ausfällt, weiß das Biopic mit ergreifenden Bildern und einer packenden Story in vielen Momenten emotional mitzureißen. Wer einen tiefergehenden, vielseitigeren Einblick möchte, der ist mit Asif Kapadias Dokumentation „Amy“ aber weiterhin besser bedient.

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