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    Die geschützten Männer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die geschützten Männer

    Frauen an die Macht!

    Von Susanne Gietl

    Irene von Albertis „Die geschützten Männer“ spielt ein drastisches Was-wäre-Wenn-Spiel. Die Gesellschafts-Satire ist dabei nichts für schwache Gemüter ist, denn hier geht es den Männern gewaltig an den Kragen. Im Film bricht in Deutschland ein Virus aus, das machthungrige Männer sexwütig macht. Die Symptome sind Raserei und spontaner, übermäßig starker Haarwuchs am ganzen Körper. Die befallenen Männer begrabschen beliebig Frauen und fallen dann über sie her. Kurz gesagt: #MeToo-Verhalten wird zum Männervirus. Wer davon betroffen ist, stirbt kurz vor dem Höhepunkt. Exitus statt Koitus! Für die Männer bedeutet das die Sterilisation oder zumindest mal Quarantäne, sie verlieren also ihre Macht.

    Hier kommt die FEM-Partei (Feministisches Ensemble von Minderheiten) unter dem Vorsitz von Anita Martinelli (Britta Hammelstein) und Sarah Bedford (Mavie Hörbiger) ins Spiel. Mithilfe einer Notlüge übernehmen sie die Regierung, denn das Virus erfasst einen ungewöhnlich hohen Prozentsatz der Männer in hoher Position. Je mehr Macht und Testosteron, desto gefährlicher ist das Virus für den Mann. Auch den Bundeskanzler (Godehard Giese, mit plötzlichem Backenbart wie Kaiser Wilhelm I.) rafft es dahin. Fortan übernehmen die Frauen das Ruder. Das Patriarchat wird vom Matriarchat abgelöst. Aus „ungeahnten Möglichkeiten” für die Frauen wird ein Albtraum für die Männer…

    Plötzlich übernimmt die Splitterpartei FEM von Anita Martinelli (Britta Hammelstein) und Sarah Bedford (Mavie Hörbiger) die Regierungsmacht. Filmgalerie 451
    Plötzlich übernimmt die Splitterpartei FEM von Anita Martinelli (Britta Hammelstein) und Sarah Bedford (Mavie Hörbiger) die Regierungsmacht.

    Als Sarah den Regierungsvorsitz übernimmt, kürt sie FEM-Parteimitglied Martha Novak (Julika Jenkins) zur Gesundheitsministerin. Die Wissenschaftlerin sieht das Übel in der testosterongesteuerten Männlichkeit und forscht seit Jahren über Fortpflanzung ohne männliche Hilfe. Wer sich freiwillig kastrieren lässt, bekommt eine Auszeichnung. Genauso abgefahren wie das „Männer-Virus“ sind die episodenhaften Bilder, die Kostümbildnerin Aino Laberenz und Regisseurin Irene von Alberti kreieren. Sie fahren mit allem auf, was ihnen bei diesem Diskurs und Exkurs einfällt: Berittene Amazonen im schwarzen Lederdress, die das Forschungslabor der Männer bewachen; Männer auf Wildschweinjagd; ein paar Verschwörungstheoretiker und ein Kreuzzug der verstoßenen Männer.

    Die neue Landeschefin präsentiert sich passend im Flamingo-Drehstuhl mit Augenklappe. Das macht manchmal ziemlich viel Spaß, manchmal nervt es tödlich. Dass Sarah Bedfords Parteifreundin Anita Martinelli mit dem Ukulele klampfenden und deliziös kochenden Frauenbewunderer Ralph Martinelli (Yousef Sweid) zusammen ist, ist dem Drehbuch-Update von Robert Merles 50 Jahre alter literarischer Vorlage geschuldet. In beiden Versionen strebt Anita Martinelli nach einer Karriere, der Mann muss zurückstecken. Während das Buch Weltpolitik ohne Männer beleuchtet, beschränkt sich die Filmversion auf ein paar wenige Orte. Kameramann Constantin Campean setzt dabei auf klare Farbschemata: Die FEM-Parteizentrale ist pink, in der (ehemaligen) Regierung arbeiten grau gekleideten Alphas und im Labor tragen „die geschützten Männer“ blaue Arbeitskleidung zu pinken Handschuhen, während sie an einem Serum gegen das tödliche Virus arbeiten.

    Der größte Fortschritt: Equality statt Gleichheit

    Im Buch war das Labor fast ein Luxusressort mit Swimmingpool und Reitpferden, im Film ist es – wohl auch budgetbedingt – ein arg trostloser Ort bestehend aus ein paar blechernen Hinterhof-Pavillons. Robert Merle bezog sich im Roman auf die große zweite Welle des Feminismus im Frankreich der Siebzigerjahre. Geschlechtergleichheit heißt in „Die geschützten Männer“ Gender-Equality, sonst hat sich wenig geändert. Weiterhin sind Frauen benachteiligt – sei es beim Gehalt oder in puncto Karriereplanung. Einige feministische Diskussionen und Kapitalismuskritik könnte man durchaus ernst nehmen, wäre der Film nicht gar so klamaukig.

    Die Pharmaindustrie etwa verkörpert Bibiana Beglau im durchgestylten 80er-Jahre-Fahrradfahrerinnenlook, der Seitenhieb sitzt trotzdem: „Überall, wo es Tote gibt, kommt die Pharmaindustrie ins Spiel.“ Die Politiker*innen vertuschen Skandale, so gut wie es eben geht – oder suchen nach Gegendarstellungen, um wieder mit sauberer Weste dazustehen. In Zeiten von Social Media ein schwieriges Unterfangen. Musikalisch setzt Komponist Karim Sebastian Elias auf einen spannenden Mix aus Synthesizer-Beats und klassischem Orchester, der Soundtrack besteht aus stolzen 27 Musikstücken, die maßgeblich zur meist heiteren Stimmung beitragen und gerne motivisch eingesetzt werden.

    Die betroffenen Männer verwandeln sich fast schon im Stile eines Werwolfs in Frauen anfallende Sexbestien. Filmgalerie 451
    Die betroffenen Männer verwandeln sich fast schon im Stile eines Werwolfs in Frauen anfallende Sexbestien.

    So reichhaltig wie der Soundtrack ist der Film. Es ist zu viel von allem, außerdem wirken die Performances der Schauspielerinnen hölzern, da der Dialog oft vor dem Schauspiel Vorrang hat. Komplett feministisch überzogen ist der Showdown. Statt „männlich konnotierter“ Verfolgungsjagd gibt es einen weiblichen Schlagabtausch mit Worten, welche Männer schützenswert sind. Der Mann steht meistens schweigend daneben. Ein leider ungewohntes Bild. Irene von Alberti selbst nennt die wilde Mischung, die sie in „Die geschützten Männer“ präsentiert, „lachend nachdenken“. Die Lacher sind heftig, aber kurz.

    Fazit: „Die geschützten Männer“ ist eine bitterböse Satire auf den Kampf der Geschlechter, die durch ihre Absurditäten auch mal Spaß macht, aber oft das Ziel verfehlt. Ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit hätte dem Film nicht geschadet.

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