Ein Comedy-Traumpaar spielt – trotz schwachem Drehbuch – groß auf!
Von Gaby SikorskiDNA-Tests zur Ermittlung der Herkunft sind schon seit ein paar Jahren ziemlich angesagt – als originelles Geschenk oder einfach so zum Spaß. Mittlerweile wurde das System immer mehr verfeinert: Inzwischen lässt sich über einen einfachen Speicheltest sehr schnell die regionale genetische Herkunft bestimmen, die prozentual nach Ländern und Regionen aufgeteilt wird. Dabei können interessante Konstellationen entstehen. Das gilt besonders für Europa, wo sich seit der Steinzeit die Wege zwischen Ost und West, Nord und Süd so oft gekreuzt haben, dass ein hochspannendes multikulturelles Mosaik entstanden ist. Schon ein kurzer Blick auf die eigene Abstammungsstatistik dürfte daher in den meisten Fällen genügen, um praktisch jede Form von Nationalismus und Chauvinismus im Keim zu ersticken.
Vermutlich war dies auch der Leitgedanke für die französische Komödie „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“. Schon der hübsch animierte Vorspann mit einer DNA-Doppelhelix, deren Bausteine mit Landesflaggen in Form von Kügelchen verziert sind, weist auf die kommenden Ereignisse hin: Das schwer verliebte Paar Alice (Chloé Coulloud) und François (Julien Pestel) will heiraten, aber erstmal steht das traditionelle Kennenlerntreffen der Elternpaare bevor. Alices Eltern haben eingeladen und so macht sich François mit seinem Autohändler-Vater Gérard (Didier Bourdon) und seiner Mutter Nicole (Sylvie Testud) auf den Weg. Spätestens als Gérard seinen treuen vaterländischen Peugeot zwischen den teuren Mercedes-Karossen auf dem Hof vor dem Schloss der Gastgeber platziert, dämmert es ihnen: Alices Eltern, Cathérine (Marianne Denicourt) und Frédéric (Christian Clavier), sind reiche Aristokraten.
Gérard lässt sich davon erstmal nicht beeindrucken, während Nicole schon angesichts der Haushälterin (Sophie Froissard) einknickt. Obwohl sich die Damen redlich bemühen, eine freundliche Unterhaltung in Gang zu bringen, steht schon nach wenigen Minuten fest, dass Gérard und Frédéric sich wie Nitro und Glyzerin begegnen – eine hochexplosive Mischung, die besser nicht zusammenkommen sollte. Frédéric positioniert sich sofort als arroganter Winzerschnösel, der mit seiner Bildung und seiner adligen Herkunft angibt. Zu allem Überfluss stellt er sich auch noch als Opfer dar: Die Last seiner 1000-jährigen Familiengeschichte ruhe schwer auf ihm. Gérard ist in seinen Augen ein ungebildeter Prolet und seine Frau Nicole eine dusselige Hausfrau, während Cathérine, Frédérics Gemahlin, eine echte italienische Principessa ist.
Doch dann entkorken die Verlobten ihre Überraschung für die Eltern: ein Herkunfts-Gentest für alle! Die Ergebnisse sind nicht nur eine große Überraschung (und sollen es in dieser Kritik auch bleiben), sie stellen auch praktisch alles infrage, was bisher für die vier Betroffenen Grundlage ihrer Existenz war. Das Quartett wird praktisch von ihren eigenen Vorurteilen eingeholt und überholt. Frédéric reitet dabei genüsslich auf den Ergebnissen der anderen herum und findet treffsicher jeweils die Stelle, wo es am meisten wehtut, damit er dort weiterbohren kann. Allerdings nur, bis sein eigenes DNA-Testergebnis feststeht. In diesem Moment geht’s dann für ihn steil bergab – und im Grunde gilt das auch für den Film, der klar in zwei Teile zerfällt, wobei der erste dank eines sensationellen Schlagabtauschs zwischen dem gewieften Christian Clavier („Monsieur Claude“) und dem ihm in nichts nachstehenden Didier Bourdon („Ein gutes Jahr“) ungeheuer witzig ist.
Clavier mimt gelungen einen eitlen Fatzke, der nach dem bekannten Spießermotto „Man wird ja wohl noch ein Späßchen machen dürfen“ mit Frechheiten und Demütigungen um sich wirft. Das ist schauspielerisch großartig gemacht, allerfeinstes Boulevard – Frédéric ist ein Fiesling par excellence, ein Giftzwerg, dem sofort alle Antipathien zufliegen. In den „Monsieur Claude“-Filmen war Clavier dagegen beinahe harmlos. Clavier scheint überhaupt auf dem besten Weg zu sein, dem großen Louis de Funès als französischer Starkomiker auf den Olymp des Humors zu folgen. Er ist dabei deutlich frecher als sein Vorbild, verfügt zwar nicht über dessen springteufelhafte körperliche Präsenz, aber dafür über eine ausgeprägte Neigung zu krassen Respektlosigkeiten, die er mit der größten Selbstverständlichkeit serviert.
Clavier ist der König der genüsslichen Übertreibung. Doch anders als Louis de Funès, der allein mit seiner Körperkomik unterhalten konnte, braucht der wortwitzige Christian Clavier immer mindestens einen Gegenspieler, an dem er sich messen kann. Der stabile, wuchtige Didier Bourdon, mit dem Clavier oft auf der Bühne stand, ist da eine gute Wahl. Und so wird der Film gleich zu Beginn zum hammerhart witzigen Duell zweier Sensationskomiker. Dabei kann es im Publikum nicht nur zu hemmungslosem Gelächter, sondern angesichts der Bosheit und Treffsicherheit der im Sekundentakt niederprasselnden Gemeinheiten auch zu gelegentlicher Schnappatmung kommen.
Diesem herrlich komischen Auftakt folgt ein eher schlapper zweiter Teil, in dem sich die vier Heldinnen und Helden bis zum freundlich versöhnlichen Schluss mit ihrer, wenn man es genau nimmt, eigentlich nur scheinbar neuen Identität auseinandersetzen. Der gesamte Plot beruht auf Vorurteilen: gute Franzosen auf der einen, der verachtenswerte Rest der Welt, angeführt von den Deutschen, auf der anderen Seite. Der französische Nationalismus – und damit auch jeder andere – wird hier erst zum Äußersten getrieben und dann ad absurdum geführt. Das ist oft ganz wunderbar überzogen, aber leider eben nicht ganz abendfüllend.
Im zweiten Teil fehlen stattdessen weitgehend die Konflikte, die Peinlichkeiten und die Verwicklungen – also beinahe alles, was für Komik sorgen könnte. Darüber täuscht auch die strahlende Performance der beiden Starkomödianten nicht hinweg. Diese Tatsache war Julien Hervé als Drehbuchautor mit viel Comedy-Erfahrung sicherlich bewusst. Dennoch begnügt er sich damit, in der späteren Hälfte des Films eigentlich nur die Folgen des ersten Teils mit möglichst vielen Übertreibungen zu beschreiben. Die schwierige Aufgabe, den Film nicht nur einfach mit Anstand zu Ende zu bringen, sondern vielleicht sogar weitere Steigerungen einzubauen, kann Hervé nicht erfüllen. Das liegt vor allem an der Gesamtkonstruktion, die auf den Gegensätzen zwischen Gérard und Frédéric aufgebaut ist und in der weder die beiden Ehefrauen noch die beiden Verlobten viel zu melden haben.
Besonders Julien Pestel als Sohn von Gérard und Nicole fällt durch eklatante Beschäftigungslosigkeit auf, was nicht an ihm, sondern am Drehbuch liegt. Chloé Coulloud als Alice darf wenigstens einen Mini-Konflikt mit ihrem Vater aufbauen. Im zweiten Teil haben immerhin die beiden Ehefrauen etwas mehr zu tun, wobei Sylvie Testud noch am ehesten für witzige Momente sorgt. Marianne Denicourt und Sylvie Testud bemühen sich insgesamt redlich, trotz ihrer deutlich kleineren Rollen einigermaßen mit den beiden dominanten, wild und wüst agierenden älteren Herren mitzuhalten. Aber was diese beiden Vollblutkomiker abliefern, ist tatsächlich grandios.
Fazit: Julien Hervés Regiedebüt ist trotz aller Kritik an der deutlich lahmeren zweiten Hälfte eine insgesamt noch sehenswerte Belebung des Genres Hochzeitskomödie. Das witzige Spiel mit nationalistischem Gedankengut und mit Menschen, die mit konsequentem Anti-Charme in die eigene Falle ihrer chauvinistischen Ansichten tappen, ist aufgrund der sensationellen Hauptdarsteller Christian Clavier und Didier Bourdon den Gang ins Kino wert. Es darf gelacht werden!