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    A Haunting In Venice
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    A Haunting In Venice

    Im dritten Poirot ist viel anders – aber auch besser?

    Von Markus Tschiedert

    Ursprünglich sollte „Tod auf dem Nil“ schon Ende 2019 ins Kino kommen. Aber mit der Studioübernahme der 20th Century Fox durch Disney, der Corona-Pandemie sowie dem Skandal um Schauspieler Armie Hammer hätte man fast auf die Idee kommen können, dass womöglich ein Fluch auf der schließlich im Februar 2022 gestarteten Agatha-Christie-Adaption liegt. Nur glaubt ein uneingeschränkt der Logik verfallener Meisterdetektiv wie Hercule Poirot natürlich nicht an böse Geister - selbst wenn er es nun im dritten Teil der von Hauptdarsteller und Regisseur Kenneth Branagh geprägten Kino-Krimi-Reihe ausgerechnet mit ebensolchen zu tun bekommt.

    Bei „A Haunting In Venice“, basierend auf Agatha Christies 60. Roman „Hallowe'en Party“ alias „Die Schneewittchen-Party“, wollte Branagh nach „Mord im Orient-Express“ und „Tod auf dem Nil“ offensichtlich einiges anders machen. Das fängt schon damit an, dass er sich weit vom Originalstoff entfernt und dabei auch in okkulte Sphären vordringt, was seinem Film einen gewissen mystischen Anstrich verleiht. Zugleich scheint aber auch alles eine Nummer kleiner geworden zu sein, selbst wenn natürlich wieder in gewohnter Manier nach dem Whodunit-Prinzip Verdächtigte ausgeschlossen werden, bis am Ende schließlich der Täter oder die Täterin überführt wird. Das ist alles ganz gediegen erzählt, aber weitaus weniger spannend, als es der atmosphärisch dichte Einstieg andeutet.

    Poirot (Kenneth Branagh) lässt sich von der Autorin Ariadne Oliver (Tina Fey) zur Teilnahme an einer Séance überreden.

    Zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich Hercule Poirot (Kenneth Branagh) in Venedig zur Ruhe gesetzt. Neue Fälle interessieren ihn nicht mehr. Dennoch lässt er sich von der Romanautorin Ariadne Oliver (Tina Fey) dazu überreden, an einer nächtlichen Séance teilzunehmen. In einem alten Palazzo, wo die Seelen ermordeter Waisenkinder spuken sollen, finden sich noch weitere Gäste ein: darunter etwa Rowena Drake (Kelly Reilly), die den Verlust ihres eigenen Kindes betrauert, oder der apathisch wirkende Dr. Leslie Ferrier (Jamie Dornan), der mit seinem zwölfjährigen Sohn Leopold (Jude Hill) angereist ist. Geleitet wird die Spukveranstaltung von dem Medium Joyce Reynolds (Michelle Yeoh), die behauptet, mit Toten reden zu können.

    Natürlich möchte Poirot sie zu gerne als Schwindlerin entlarven – und macht dem anfänglichen Hokuspokus dann auch tatsächlich schnell ein Ende. Aber just in dem Augenblick dreht Joyce so richtig durch und spricht plötzlich mit der Stimme eines Mädchens. Was geht vor sich? Das kann sich selbst Poirot nicht direkt erklären. Während er noch zweifelt und grübelt, versucht ihn jemand zu ertränken. Will da jemand den berühmten Meisterdetektiv ermorden? Offenbar nicht: Denn anscheinen galt der Anschlag jemand anderem, dessen Leiche wenig später gefunden wird - und so steckt Hercule Poirot plötzlich doch wieder mitten in einem neuen Fall...

    Venedig – der perfekte Schauplatz für jede Schauermär

    Der zuletzt als Physiker Niels Bohr in Christopher Nolans „Oppenheimer“ im Kino vertretene Kenneth Branagh spielt gerade zu Beginn von „A Haunting In Venice“ fleißig mit den Elementen des Schauerkinos. Von zuschlagenden Türen, wehenden Vorhängen, flackernden Lichtern und unheimlichen Geräuschen ist alles dabei, um eine wohlige Gruselstimmung heraufzubeschwören. Venedig, mit seinen unzähligen Gassen und düsteren Ecken ohnehin schon der perfekte Schauplatz für jeden Mystery-Plot, verleiht dem Ganzen zusätzlich einen morbiden Charme. Es ist durchaus nachvollziehbar, warum Branagh und sein bereits für die Vorgänger verantwortlicher Drehbuchautor Michael Green Agatha Christies Originalgeschichte aus einer englischen Grafschaft in die Lagunenstadt verlegt haben - zumal der Regisseur aus einem Fehler des Vorgängers gelernt hat.

    Für „Tod auf dem Nil“ ließ er Ägyptens berühmte Wahrzeichen in Ansätzen im Studio nachbauen, um das Gros dann aber digital zu erzeugen. Das Ergebnis war eine zurecht viel kritisierte Künstlichkeit, die einen immer wieder aus der Krimi-Handlung riss. „A Haunting In Venice“ wurde nun wirklich größtenteils an Originalschauplätzen gedreht. Das macht einen gewaltigen Unterschied. Die Authentizität verstärkt die Atmosphäre. Es fällt gleich deutlich einfacher, sich von der Geschichte in ihren Bann ziehen zu lassen.

    Venedig - eine perfekte Kulisse.

    Dabei rücken Brangah und Kameramann Haris Zambarloukos, der zuletzt auch „Belfast“ fotografierte, die Sehenswürdigkeiten von Venedig wie den Markusdom oder den Canal Grande nur am Anfang und am Ende attraktiv ins Bild. Der Großteil des Films spielt dagegen in beengten Räumen. Waren „Mord im Orient-Express“ und „Tod auf dem Nil“ noch Reisefilme, in denen sich die zahlreichen Verdächtigen den bohrenden Fragen von Poirot stellen mussten, weil es aus dem Zug bzw. vom Schiff kein Entkommen gab, werden all die Auszufragenden dieses Mal von dem Meisterdetektiv mit ihm zusammen eingesperrt.

    So wurde auch auf das imposante 70mm-Breitbildformat mit einem Seitenverhältnis von 2,39:1 der Vorgänger verzichtet und digital im Kino-Standard-Seitenverhältnis 1,85:1 gedreht. Die ganz großen Urlaubsbilder braucht es schließlich bei den vielen Innenräumen nicht. Das kleinere Format schafft eine manchmal richtig beunruhigende Enge in dem alten Palazzo, in welchem das Gros der Handlung spielt. Es verdeutlicht immer wieder die Klemme, in der sich die Beteiligten befinden.

    Bühne frei für Hercule Poirot

    Eine Nummer kleiner geht es auch beim Cast zu, wo das ganz große Star-Schaulaufen, welches gerade noch beim ersten Teil der Reihe so beeindruckte, diesmal ausbleibt. Die frischgebackene Oscar-Preisträgerin Michelle Yeoh („Everything Everywhere All At Once“) hat als größter Star eine überraschend kleine Rolle. Komikerin Tina Fey („30 Rock“) bleibt in einem ernsten Part als neugierige Autorin genauso blass wie „Fifty Shades Of Grey“-Star Jamie Dornan – der mimt hier übrigens schon zum zweiten Mal nach Branaghs autobiografisch geprägtem „Belfast“ den Vater von Jude Hill.

    Im Bereich Schauspiel gehört das Feld hier deshalb so deutlich wie in noch keinem Teil der Reihe ganz Branagh selbst. Als preziöser Poirot ist er der unumstrittene Star – erst recht, nachdem es zum Mord gekommen ist und er mit seinen Verhören beginnt. In üblicher Genre-Manier werden dabei alle unter die Lupe genommen. Es kommen weitere Geheimnisse auf den Tisch, Verzweiflungstaten folgen, Ausreden und Tricks werden kreiert. Natürlich werden alle Lügen von Poirot schnell entlarvt. So entwickelt sich der übliche Schlagabtausch, der ganz vergnüglich ist, aber nie wirklich packt. Im Zweifel ist dann alles doch eher zu theatralisch, als das überhaupt versucht wird, es glaubhaft zu erden. Und die Auflösung haut einen am Ende auch nicht mehr vom Hocker.

    Fazit: Venedig ist als schauriger Tatort zwar so perfekt gewählt, dass tatsächlich eine wohlige Gruselstimmung aufkommt, der man sich gern hingibt. Aber sobald sich Branagh als Poirot mit der Aufklärung des Falls beschäftigt, tritt ein gewisser Stillstand ein. Ein gediegener Krimi vor toller Kulisse - viel mehr sollte man sich von „A Haunting In Venice“ nicht erwarten.

     

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