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    Monster im Kopf
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Monster im Kopf

    Wie eine Fortsetzung zu "Systemsprenger"

    Von Ulf Lepelmeier

    Die schwangere Sandra (Franziska Hartmann) sitzt im Gefängnis. Im Strafvollzug reißt sie sich zwar zusammen, um gewisse Auflagen zu erfüllen, aber ihre Umgebung und Mitinsassinnen scheinen die unnahbare, beinahe feindselige Frau trotzdem nicht zu scheren. Christina Ebelt konzentriert sich in „Monster im Kopf“ ganz auf ihre Protagonistin – sowohl auf ihre besondere Situation hinter Gittern als auch die Vorkommnisse, die sie überhaupt erst hierhergebracht haben. In Rückblenden legt die Regisseurin Schritt für Schritt immer mehr Mosaikstücke des Persönlichkeitsbildes der verschlossenen, oft hochaggressiven Frau frei. Das Ergebnis ist ein immens intensives Drama um verdrängte Wut und zermürbende Schuld – mit einer brillanten Hauptdarstellerin.

    Auch wenn die hochschwangere Sandra im Gefängnis hart an sich arbeitet, ist es alles andere als sicher, ob sie ihr Kind nach der Geburt bei sich behalten darf. Das Jugendamt ist jedenfalls mehr als skeptisch in Anbetracht der Schwere der Tat, für die sie nun die Konsequenzen tragen muss. Vor ihrem Haftantritt arbeitete Sandra in einer Fleischfabrik, hatte einen liebevollen Freund (Slavko Popadic) und kümmerte sich pflichtbewusst um ihre kranke Mutter Brigitte (Martina Eitner-Acheampong) – doch in ihr brodelten zugleich auch beständig die Aggressionen. Kann die werdende Mutter mittlerweile in Stress- und Drucksituationen einen ruhigen Kopf bewahren? Oder wäre sie womöglich auch für ihr noch ungeborenes Kind ein Risiko?

    Im Kopf von Sandra (Franziska Hartmann) brodeln die Aggressionen (fast) ohne Unterlass.

    In Rückblenden bekommt das Publikum einen Einblick in Sandras Leben vor der Haftstrafe und erfährt so, was passiert, wenn die stets sehr selbstbewusst auftretende Frau ihre Fassung verliert. Nur bei ihrem Freund Miki kann sie auch mal ihre harte Fassade abstreifen und liebevolle Gesten zulassen, die ihr selbst im eigenen Elternhaus wohl eher verweigert wurden. Ihre komplizierte und merklich mit schwerem emotionalen Ballast verbundene Beziehung zu ihrer Mutter und die angedeuteten Vorkommnisse in ihrer Kindheit und Jugend werden nie auserzählt, sind aber spürbar, vor allem angesichts der in Sandra aufgestauten extremen Wut.

    Jedes Mal, bevor sie die Tür zur Wohnung ihrer pflegebedürftigen, immer vorwurfsvollen Mutter öffnet, um für sie zu kochen, sie zu baden oder sonstige notwenige Tätigkeiten für sie zu übernehmen, verkrampfen ihre Hände, schreit sie lautlos in sich hinein, um sich dann zusammenreißen und ihrer Mutter neutral und ruhig gegenübertreten zu können. Die permanente Anspannung, unter der Sandra steht, überträgt sich auch auf das Publikum, das erst sehr spät, dann aber auf extrem aufwühlende Weise vor Augen geführt bekommt, für welche Tat Sandra eigentlich im Gefängnis gelandet ist.

    Das innere Wutmonster

    Franziska Hartmann, mit der Regisseurin Chrisrina Ebelt auch schon in ihrem Debütfilm „Sterne über uns“ zusammenarbeitete, dürfte mit ihrer herausragenden Leistung eine Aspirantin für eine Nominierung als Beste Hauptdarstellerin beim Deutschen Filmpreis sein. Wie es innerlich in Sandra brodelt, wie sie bei einem Gewaltausbruch scheinbar wie in Trance agiert, ist wirklich wahnsinnig eindrucksvoll. Man wechselt dabei zwischen Mitgefühl, Verwunderung und Unverständnis für diese verschlossene, manchmal aufbrausende Frau, die insbesondere mit sich selbst zu kämpfen hat und ihre Taten zwar zugibt, aber wirkliche Reue trotzdem nicht zulassen kann.

    Lange Zeit versteht der liebevolle und für seine Mechaniker-Karriere brennende Michi mit seiner Zuneigung, das impulsive Monster in Sandra in gewisser Weise in Schach zu halten. Nach einer Ausschreitung begegnet er ihr mit den Worten, dass sie nicht mehr auf dem Schulhof seien und unterstreicht dabei, dass ihr Verhalten nicht mehr angemessen oder entschuldbar sei. Doch es kostet der von Hartmann mit großer Präsenz verkörperten Sandra enorme Kraft, das innere Wutmonster in seiner Raserei beständig in den Griff zu bekommen. Selbst in einem Augenblick größten Glücks, als Sandra befreit lächelnd erstmals ihr Kind in den Arm nehmen darf, wird diese berührende Szenen zugleich dadurch getrübt, dass selbst in einem solch intimen Moment die Polizei hinter einer Glasscheibe zugegen ist und die Verurteilte nicht aus den Augen lässt.

    Die große Frage ist, ob Sandra ihr Kind auch nach der Geburt bei sich behalten darf?

    Im Krankenhaus, Gefängnis und der Fleischverarbeitungsfabrik werden die Neben- und Statistenrollen von tatsächlich dort arbeitenden Personen ausgefüllt – und wohl auch deshalb legen sie in den für sie alltäglichen Situationen eine Selbstverständlichkeit an den Tag, die dem Film eine zusätzliche realistisch-dokumentarische Anmutung verleiht. Von seiner Machart und der Intensität der Hauptfigur weckt „Monster im Kopf“ dabei Erinnerungen an „Systemsprenger“. In beiden Filmen ist das innere Brodeln der komplexen Protagonistin über die Leinwand hinaus spürbar und sind die Ausbrüche, die sie zu einem unkontrollierbaren Risiko für ihre Mitmenschen machen, nur schwerlich zu ertragen.

    Fazit: Ein auf Realismus bedachtes Drama mit einer überragenden Hauptdarstellerin, das einen emotional aufrüttelt und bestürzt.

    Wir haben „Monster im Kopf“ beim Filmfest München 2023 gesehen, wo er in der Reihe Neues Deutsches Kino zu sehen war.

    Ein auf Realismus bedachtes Drama mit einer überragenden Hauptdarstellerin, das einen emotional aufrüttelt und bestürzt.

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