Geisterbahn für erwachsene Kinder. Hier ein Erlebnisbericht an statt einer Filmkritik.
Die Kassiererin hatte wohl die Order, ältere Besucher, unterstellt in durchaus fürsorglicher Absicht, auf die ,,extremen Szenen“ in diesem Film warnend hinzuweisen und vorzubereiten! Ich war eines ihrer Opfer. Der Streifen lief im vollbesetzten, sehr kleinen Bambi in der Karlsruher Schauburg. Viele Besucher: innen brachten diese im Foyer käuflichen ,,Fritos“ mit Ketchup mit oder Bier. Dementsprechend roch es im Kino wie in einem billigen Imbiss.
Der Film selbst adaptierte die bekannte Dialektik des ,,Dorian Gray“- Themas, was meine Neugier auf diesen kontrovers diskutierten Film weckte. Passend zum heiß laufenden Kapitalismus der sich kumulierenden Exzesse der Totalverwertung, verwurstelt dieser Film jedoch sich selbst in dem sattsam bekannten, schmatzenden, triefenden, permanent das Grauen aus sich selbst neu gebärenden, grell aus- und überbelichteten Schaschlik- Curry- Wurst- Splatter- Gezappel. Im neu- deutsch- Sprech firmiert das unter ,,Körper- Horror“. Wer vorsorglich bescheiden auf zumindest einige Momente einer subtileren Inszenierung von Doppelbödigkeiten in der Konfliktdarstellung gehofft hatte, wurde jedoch bitter enttäuscht. Mit einer bemerkenswerten Stringenz und kompromisslosen Konsequenz eskaliert der Film sein in ihm angelegtes Konfliktpotenzial in eine die Grenzen des Absurden auslotende Orgie selbstzerstörerischer Gewalt. Diese Linearität des Handlungsverlaufs markiert gleichzeitig die große Schwäche dieses Filmes, denn dieser ist so allzu berechenbar und verliert dadurch seinen Spannungsbogen. Es kommt eben, wie es kommen muß.
Die literarische Vorlage thematisiert wesentlich die Verzahnung eines gesellschaftlich bedingten intrapsychischen Konfliktes. In der heutigen Zeit des ,,Performens“ und auf die Bühne ins Licht zerrens, muß das Schiefgehen. Nach 10 Minuten ist der Käs eigentlich schon gegessen und fertig das Kino. Die masken- und technikstrotzende Übervisualisierung dieses Konfliktes als Exzess langweilt und hält die Zuschauer mal wieder für doof. In ,,Cannes“ sei der Film umstritten gewesen. Demi Moore spiele sich an und auch über ihre Grenzen und so… lieber Himmel. Das Bühnentheater arbeitet mit Schaschlik und Echtblut seit Jahrzehnten. 2 Frauen neben mir zückten, als es ihnen zu viel wurde, wie die Kinder im Konfliktfall ihre Schlafdeckchen und Trostkuscheltiere, so diese beiden ihre Handys als Rettungsanker. Ach diese Generation Handy!!! An diesem Film ist nichts innovativ, er berührt auch nicht. Seine Überzeichnung und Glattheit geht auch nicht als Satire durch. Der Film weiß selbst nicht, was er eigentlich will. Er traut seinem Publikum überhaupt nichts zu. Menschliche Tragödie als hohle Farce. Ärgerlich aber auch typisch für diese Art der Stoffverarbeitung ist, dass aus lauter Selbstgefälligkeit Anleihen bei Hitchcock‘ s Psycho mit dessen zentralem, wiederkehrenden Szene- Setting gemacht wurden - und das ist ganz Übel! Als Kapitalismus- Kritik kann das Ding schon gar nicht durchgehen, ehr als die Affirmation des Bestehenden im Sinne einer Work- Life- Balance- Persiflage, also einem psycho- edukativen Anraten einer Lebensführung, möglichst frei von Exzessen. Wie man so einen Film positiv besprechen kann, bleibt mir ein Rätsel. Ich hätte die Warnung der Frau an der Kasse ernst nehmen sollen, allerdings aus anderen Gründen!