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    The Outrun
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Outrun

    Saiorse Ronan spielt als Alkoholikerin herausragend!

    Von Björn Becher

    Als Amy Liptrots Buch „The Outrun“ (in Deutschland: „Nachtlichter“) 2016 erschien, wurde es umgehend zum Erfolg. Die Auseinandersetzung der Journalistin mit ihrer eigenen Alkoholsucht sowie mit der Flora und Fauna der Orkneyinseln wurde nicht nur mehrfach preisgekrönt, sondern erregte auch die Aufmerksamkeit von Saoirse Ronan. Die bereits vierfach oscarnominierte, irischstämmige Schauspielerin machte sich auf die Suche nach Partner*innen für eine Kino-Adaption – und fand eine Mitstreiterin in der deutschen „Systemsprenger“-Regisseurin Nora Fingscheidt.

    Der gelingt es, eine fast schon ungeahnte Gewalt in Ronan zu entfesseln. Selten hat man die aus so unterschiedlichen Filmen wie „Wer ist Hanna?“, „Lady Bird“ oder „Little Women“ bekannte Schauspielerin so expressiv erlebt. Doch am Ende wünscht man sich, dass Fingscheidts immer wieder tolle Bilder wie auch Ronans herausragende Performance Teil eines runderen Films gewesen wären. Denn in seiner verschachtelten Erzählung, die noch mit inszenatorischen Spielereien garniert wird, verliert sich das Alkoholdrama immer wieder in der Belanglosigkeit – bevor es dann doch wieder tolle Momente gibt, die es für eine Weile wieder rausreißen.

    Saoirse Ronan ist großartig in Arcade Pictures / BBC Film
    Saoirse Ronan ist großartig in "The Outrun".

    Um endlich ihre Alkoholsucht in den Griff zu bekommen, greift Rona (Saoirse Ronan) zum letzten Strohhalm. Sie verlässt das mit seinen vielen Partys und Bars so verführerische London und zieht sich auf ihre abgelegene schottischen Heimat, die Orkneyinseln, zurücl. Dort kann sie aber auf nur wenig Unterstützung ihrer getrennt lebenden Eltern hoffen. Ihre streng religiöse Mutter (Saskia Reeves) glaubt, mit viel Beten helfen zu können. Ihr Vater (Stephen Dillane) haust nun in einem kleinen Wohnwagen auf der eigenen Schaffarm, nachdem er gezwungen war, das Anwesen zu verkaufen. Weil er bipolar ist, hat er seine ganz eigenen Probleme, und Rona muss erst einmal ihm unter die Arme greifen.

    Mit der Zeit wird ihr klar, dass sie die Inseln nicht so schnell wieder verlassen kann, wie sie es anfangs noch geplant hatte. So fängt sie an, für die Royal Society for the Protection of Birds die Orkneys nach den einst weit verbreiteten, mittlerweile aber kaum noch zu findenden Wachtelkönigen abzusuchen. Nach einem erneuten Absturz zieht sie dafür noch weiter nach Norden. „Ich werde nüchtern nicht glücklich sein“, stellt sie zwar fest, doch sie muss es versuchen. Im tiefsten Winter bezieht sie eine kleine Hütte auf der ganz im Norden der Orkneys gelegenen und von nur wenigen Menschen bevölkerten Insel Papa Westray...

    Ein Konvolut an Bildern und Stilen

    Nora Fingscheidt lässt in „The Outrun“ eine Menge auf uns los. Da unterbrechen auch mal Naturbilder von Seelöwen unter Wasser, historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen und plötzlich sogar eine Animationssequenz das Geschehen. Vor allem wird aber mit sehr vielen Zeitsprüngen erzählt. Ronas Versuch, in der Einsamkeit trocken zu werden, wird so vor allem immer wieder durch ihre dauernden Abstürze in London samt der Beziehung zu ihrem immer machtloser werdenden Freund Daynin (Paapa Essiedu) unterbrochen. Selbst die Rückblenden folgen dabei nicht einer Chronologie, sondern es wird völlig wild zu unterschiedlichen Zeitpunkten in ihrem früheren Leben gesprungen. Dabei dient vor allem Ronas wechselnde Haarfarbe ein wenig als Orientierung, wenn man die Szenen ordnen will – was aber trotzdem lange schwerfällt.

    Das ist einem aber eigentlich mit der Zeit auch egal, da es viel zu oft darum zu gehen scheint, einfach mit einem neuen Absturz noch einmal einen draufzusetzen. Dabei sind die Rückblenden für sich ein sehr sinnvoller Ansatz, weil sie verhindern, dass Niederschlag auf Niederschlag folgt und wir stattdessen ein Auf und Ab der Emotionen erleben. Am Ende sorgen die vielen Zeitsprünge, die unterschiedlichen Einschübe oder auch Ronas ständige Voice-Over, in denen sie uns zum Beispiel die Wirkung von Alkohol überflüssig breit erklärt, aber dafür, dass „The Outrun“ überfrachtet wirkt. Viel vom emotionalen Kern der Geschichte wird unter all diesen Elementen verschüttet.

    Ronas Haare verraten, in welcher Phase ihres Lebens sie gerade ist. Arcade Pictures / BBC Film
    Ronas Haare verraten, in welcher Phase ihres Lebens sie gerade ist.

    Amy Liptrots Vorlage hat eine Menge zu bieten, und Fingscheidt wollte wohl auch all diese Facetten in ihrem Film haben. Doch so toll ihre Naturbilder sind, so emotional die zentrale Geschichte im Kern ist, so selten fügt sich das tatsächlich zusammen. Zudem führt es dazu, dass Ronans Zeit als Vogelsucherin in völliger Einsamkeit und einer kleinen, eigentlich nicht für den draußen herrschenden Winter gedachten Kabine dann doch ausgesprochen kurz kommt. Dabei ist es gerade faszinierend, einfach nur zu beobachten, wie die so ruhelose Figur mit dieser Situation umgeht.

    Nicht nur hier strahlt aber das eigentliche Highlight des Films über alle Maßen: Saoirse Ronan! Die irisch-amerikanische Schauspielerin fährt in einer beeindruckenden Tour-de-Force alle Facetten auf. Wenn sie gleich in der ersten Szene durch eine gerade schließende Bar stolpert, um den letzten Tropfen aus den herumstehenden Flaschen und Gläsern zu trinken, ist das zwar als Einführung einer Alkoholsüchtigen wenig subtil, aber man nimmt ihr die Rolle sofort ab. Das bleibt den ganzen Film so – egal, ob Rona gerade am Boden zerstört ist, den Rausch genießt, ihre Wut in die Welt rausschreit oder bei lauter Musik einfach nur die ganze unbändige Energie loswerden will, die in ihr brodelt.

    Fazit: „The Outrun“ ist überfrachtet und teilweise auch zu platt – aber Saoirse Ronan und tolle Bilder machen das zumindest phasenweise wett.

    Wir haben „The Outrun“ im Rahmen der Berlinale 2024 gesehen.

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