Ein würdiges Finale für Tom Hardy und Venom?
Von Julius VietzenIst Sonys eigenes Marvel-(Parallel-)Universum, das sogenannte Sony's Spider-Man Universe (SSU) eigentlich ein Hit oder ein Flop? Die Antwort auf diese Frage hängt wohl vor allem davon ab, welche SSU-Filme man sich anschaut: Während „Venom“ (856 Millionen Dollar weltweit) und „Venom: Let There Be Carnage“ (immerhin noch 506 Millionen Dollar) überraschend erfolgreich waren, blieben „Morbius“ (167 Millionen Dollar) und noch mehr „Madame Web“ (100 Millionen Dollar) nicht nur an den Kinokassen hinter den Erwartungen zurück, sondern bekamen vor allem auch von Fans und Fachpresse ordentlich auf den Deckel. Trotz der herausragenden Stellung im SSU stand allerdings schon lange vor Kinostart fest, dass „Venom: The Last Dance“ der finale Teil der „Venom“-Reihe werden würde.
Sonys Spider-Man-Universum steht also fortan ohne seine bislang zugkräftigstes Franchise da. Und auch wenn im Film nur wenige Wochen vor dem Kinostart des wiederholt verschobenen „Kraven The Hunter“ bereits die Weichen in Richtung Zukunft des SSU gestellt werden, spielt der eingeführte Oberbösewicht Knull im Film nur eine kleine Rolle. Der Fokus liegt hingegen ganz auf dem titelgebenden letzten Tanz der Titelfigur. Debütregisseurin Kelly Marcel, die (Co-)Drehbuchautorin der ersten beiden Teile, liefert dabei eine würdige Abschiedsvorstellung für Tom Hardy und Venom ab – allerdings erst im Finale. Der Weg dorthin ist hingegen sogar noch chaotischer als in den Vorgängern.
Eddie Brock (Tom Hardy) und Venom (Stimme im Original: ebenfalls Tom Hardy) lassen sich nach den traumatisierenden Ereignissen aus „Let There Be Carnage“ in einer düsteren Kaschemme in Mexiko volllaufen, als das Mensch-Symbiont-Duo erfährt, dass man ihnen das Gemetzel in der Kirche und speziell den Tod von Detektive Mulligan (Stephen Graham) in die Schuhe schieben will. In Mexiko will Eddie aber trotzdem nicht bleiben und macht sich daher zu Fuß – und mit nur einem Schuh – auf den langen Weg in Richtung New York City. Dort plant er, die Vorwürfe mit der Hilfe eines erpressbaren Richters aus der Welt zu schaffen.
Aber da haben Eddie und Venom die Rechnung ohne die außerirdische Kreatur gemacht, die sich an ihre Fährten geheftet hat: Der sogenannte Xenophage wurde wie auch alle Symbionten von dem gottgleichen Knull (Stimme im Original: Andy Serkis) erschaffen. Knull wurde einst von Venoms Artgenossen in einem planetenartigen Gefängnis außerhalb des bekannten Universums eingeschlossen – und braucht zum Freikommen einen Schlüssel. Diesen sogenannten Kodex tragen nun aber ausgerechnet Eddie und Venom in sich. Parallel zum Alien-Monster nehmen auch das US-Militär um General Strickland (Chiwetel Ejiofor) sowie die Forschungsleiterin Dr. Paine (Juno Temple) die Fährte der Flüchtigen auf...
„Venom: The Last Dance“ beginnt mit einer aus dem Nichts kommenden Einführung von Knull, anschließend wird noch schnell die Mid-Credit-Szene aus Teil 2 mitsamt Eddies sehr kurzem Abstecher in das MCU-Multiversum aufgearbeitet. Es folgen ein Kampf von Venom gegen einige mexikanische Gangster sowie die Einführung von Chiwetel Ejiofors General Strickland und Juno Temples Wissenschaftlerin (inklusive einer für den Film komplett überflüssigen Traum-Flashback-Hintergrundgeschichte). Und selbst das ist noch nicht alles, was dem Publikum erst mal direkt als Exposition vorgesetzt wird. So wirkt der Anfang nicht nur komplett überfrachtet, Kelly Marcel kann sich in diesem Abschnitt auch weder als Regisseurin noch als Drehbuchautorin auszeichnen.
Stattdessen stolpert „Venom 3“ in diesen ersten Momenten noch ziemlich unbeholfen von einer Szene zur nächsten, während sich das Skript in Details verliert, die zwar sehr, sehr bedeutsam wirken, aber dann im weiteren Verlauf gar keine wirkliche Rolle mehr spielen. Wenn wir etwa erfahren, dass eine Kollegin (Clark Backo) von Dr. Paine eine auffällige Weihnachtsbrosche an ihrem Laborkittel trägt und vor der Arbeit ihre Schuhe wechselt, dann macht sich das Publikum natürlich direkt so seine Gedanken. Aber in der Rückschau wirken die Szenen plötzlich, als seien sie Überbleibsel einer früheren Drehbuchfassung, die nun aber nur noch unelegant und überflüssig wirken.
Ähnlich nervig sind die ellenlangen Expositionsdialoge, etwa wenn sich Dr. Paine und General Strickland gegenseitig erzählen, wie wahnsinnig geheim und sicher ihre Forschungseinrichtung Area 55 (liegt UNTER der berühmt-berüchtigten Area 51) doch ist. Das ist gleich doppelt überflüssig: Zum einen arbeiten die beiden dort jeden Tag, weshalb der Dialog einfach nur fehl am Platze wirkt – und zugleich braucht ihn auch das Publikum nicht, schließlich sehen wir im selben Moment mit unseren Augen, wie Dr. Pain durch einen Sand-Wasserfall hindurchfährt, um den bestens getarnten Aufzug zu der Hochsicherheitsanlage zu betreten.
Sobald sich Eddie und Venom dann auf dem Weg in Richtung New York befinden, kommt zwar etwas mehr Schwung in die Sache, jedoch mäandert der Film auch im Mittelteil weiter vor sich hin. So nimmt sich Kelly Marcel etwa ausgiebig Zeit für die Begegnung mit der Familie des Alien-Fans Martin (Rhys Ifans) sowie einen Abstecher nach Las Vegas inklusive Gastauftritt von Mrs. Chen (Peggy Lu) – frei nach dem immer wieder zu beobachtenden Hollywood-Motto: Wenn man keine bessere Idee für die Handlung hat, schickt man seine Figuren einfach auf einen Roadtrip.
So wird „The Last Dance“ über weite Strecken nur von denselben Elementen getragen, die auch schon für die besten Momente in den ersten beiden Filmen gesorgt haben: nämlich dem mit gelungenen Gags gespickten, amüsant-verschrobenen Screwball-Geplänkel zwischen Venom und Eddie. Tom Hardy läuft in seiner Doppelrolle erneut zu großer Form auf und ist sich als unrasiert-verschwitzter Superheld auf Abwegen selbst dafür nicht zu schade, sich von einem besoffenen Vegas-Besucher auf die sandalenbewehrten (!) Füße pinkeln zu lassen (ja, Schuhe spielen in diesem Film tatsächlich immer wieder eine überraschend wichtige Rolle).
Wenn Venom die mexikanischen Gangster mit einem rotzigen „Hola, Bitches!“ begrüßt, bevor er ihnen die Köpfe abbeißt, oder sich Eddie später verzweifelt fragt, wie Tom Cruise es eigentlich schafft, sich an einem fliegenden Flugzeug festzuklammern, ohne zu einem Eiswürfel zu erstarren, sind das ebenfalls durchaus witzige Szenen.
Sicherlich kann man auch einfach mit dem Kopf schütteln, wenn Martin in seinem Hippie-Familien-Van minutenlang David Bowies „Space Oddity“ trällert oder Eddie auf einem Venom-isierten Pferd in einer nur mäßig computeranimierten Szene über Berge und Täler galoppiert (natürlich zu den Klängen von Queens „Don't Stop Me Now“). Man kann mit solchen Momenten aber auch eine Menge Spaß haben, obwohl sie die Handlung nicht wirklich voranbringen. Und obwohl es in den ersten zwei Dritteln drunter und drüber geht und außer der Beziehung zwischen Eddie und Venom nicht viel funktioniert, verdichtet sich das ganze Chaos im letzten Drittel tatsächlich noch zu einem gelungenen Finale (des Films und der Trilogie).
Zwar sind die Actionszenen von „Venom: The Last Dance“ trotz eines Aliens mit Häcksler-Maul, das die Grenzen der US-Jugendfreigabe PG-13 ganz schön ausreizt, allesamt nicht bahnbrechend. Doch was Kelly Marcel und ihr Team hier zum Abschluss auffahren, dürfte für Fans von Symbionten im Allgemeinen und Venom im Besonderen ein wahr gewordener Traum sein. Zumal die Verantwortlichen die richtigen Lektionen aus dem matschig-unübersichtlichen Finale des ersten „Venom“-Films gelernt haben. Und in den letzten Minuten wird es in „The Last Dance“ sogar erstaunlich emotional – zum wahrscheinlich ersten Mal in der Reihe überhaupt.
Fazit: „Venom: The Last Dance“ ist ein über weite Strecken vogelwilder, oft holprig geschriebener und inszenierter Comic-Blockbuster, der erst im gelungenen und sogar erstaunlich emotionalen Finale doch noch zu einer würdigen Abschlussvorstellung für Tom Hardy und Venom mutiert.