Erotisch knisternder Beziehungsstress bei Netflix
Von Sidney ScheringEine junge, kompetente Frau setzt sich in einer Männerdomäne durch – doch statt es genießen zu können, leidet darunter ihr Liebesleben: Das ist nicht nur die Prämisse von „Fair Play“, sondern war nach eigener Aussage bittere Realität für Regisseurin und Autorin Chloe Domont. Sie absolviert nun zwar ihr Langfilmdebüt, inszenierte zuvor aber unter anderem Episoden der Serien „Billions“ und „Suits“ und war Teil des Writer's Rooms des Dwayne-Johnson-Formats „Ballers“.
Domont habe während dieser Zeit oft Druck vernommen, sich als „Einer der Jungs“ aufzuführen. Das habe zwar beruflich gefruchtet, jedoch hätten Domonts Ex-Lebensabschnittspartner durch knurrige bis toxische Reaktionen ihr jegliche Freude am Erfolg geraubt. Wie sie IndieWire im Interview erzählte, sei so die Idee zu diesem Mix aus Beziehungsdrama und Thriller entstanden. Darin spitzt Domont ihre Erfahrungen zu und verlegt sie in die intrigante, missgünstige Welt der Hochfinanz. Deren Eiseskälte stellt Domont effektiv das (verblassende) Knistern zwischen „Bridgerton“-Star Phoebe Dynevor und „Solo: A Star Wars Story“-Titelheld Alden Ehrenreich entgegen.
Ihre Chemie ist das Highlight: Alden Ehrenreich & Phoebe Dynevor.
Emily (Phoebe Dynevor) und Luke (Alden Ehrenreich) arbeiten für die Investmentfirma Crest Capital, wo firmeninterne Liebesbeziehungen verboten sind. Daher halten sie ihre Liaison geheim – auch wenn sie bereits einen Plan haben, der seit ihrer Verlobung an Dringlichkeit gewinnt: Wenn sie sich in der Firma jeweils als unerlässlich erweisen, dann können sie nicht gefeuert werden, bloß weil sie sich lieben! Und zum Glück deutet alles darauf hin, dass Luke bald befördert wird! Die Vorfreude ist groß, doch dann ist es überraschend Emily, die zur neuen Portfoliomanagerin des Hedgefonds ernannt wird. Emily ist glücklich und verängstigt zugleich:
Sie hat sich diese Beförderung redlich verdient, jedoch ist Luke sichtbar geknickt. Darunter leidet das Liebesleben des Hochfinanz-Power-Pärchens – und dann erfährt Emily von ihrem Vorgesetzten Campbell (Eddie Marsan) auch noch, dass er Luke als das schwächste Glied in der Firmenkette erachtet...
Es ist die elektrisierende Chemie zwischen Dynevor und Ehrenreich, an der „Fair Play“ größtenteils hängt: Wir lernen Emily und Luke kennen, als sie sich von einer Party wegschleichen. Aus leidenschaftlichem Sex wird ein peinliches Blutbad – was das Paar allerdings so lange mit Humor nimmt, bis ein Missgeschick zu einem verfrühten Heiratsantrag und kitschigen Glücksgefühlen führt. Domon peitscht ihre Figuren im Eiltempo durch ein Wechselbad der Gefühle: Begierde, Scham, Galgenhumor, romantisches Nervenflattern. Dynevor und Ehrenreich vermitteln das glaubwürdig, sympathisch und völlig nahtlos. Emily und Luke werden somit zum Paar, dem man die Daumen drückt – und es ist die Fallhöhe ihrer Liebe, aus der „Fair Play“ anschließend Spannung zehrt.
Sobald Emily ihre Beförderung hat und Luke zwischen freudig funkelnden Augen und dem Blick eines begossenen Pudels changiert, steht die Frage im Raum, ob er so reagiert, weil seine Hoffnungen auf eine eigene Beförderung enttäuscht wurden. Oder ob dieser sich bis dahin so aufgeschlossen gebende Finanzanalyst letztlich mehr mit seinen über Frauen herziehenden Kollegen gemein hat. Domon lässt zunächst verschiedene Deutungsweisen von Lukes Sinnkrise zu, und kitzelt somit effektiv die Nerven. Wenn Luke beispielsweise mehrmals nachfragt, ob Campbell versucht hat, sich an Emily zu vergreifen, steht er ebenso als jemand da, der sich der allgegenwärtigen Gefahr des sexuellen Übergriffs durch mächtige Männer bewusst ist, wie als schmieriges Wiesel, das seiner Freundin den Vorwurf macht, sich hochgeschlafen zu haben.
Ein Paar, dem man die Daumen drückt.
Weiter spickt Domon diese Beziehungskrise mit einer Handvoll treffender Beobachtungen über das Gehabe und Vokabular solcher Männerdomänen wie dem Markt mit Finanzspekulationen. So studiert Luke überteuerte Ratgeber, die mit inhaltsarmen Tipps gefüllt sind, die ebenso von schleimigen Pick up Artists stammen könnten. Emily indes verändert ununterbrochen ihre Körpersprache und gerät ins Straucheln, wie weiblich sie sich kleiden darf, oder wie viel Alkohol sie trinken muss, um ernst genommen zu werden. Domon nutzt zudem mehrere Vorspiel- und Sexszenen gekonnt als verlängerten Arm der pärcheninternen Kommunikation, selbst wenn sie die Passagen nicht dermaßen auskostet, wie es diese äußerst körperlichen Figuren gerechtfertigt hätten.
„Fair Play“ hätte das Zeug zum waschechten Erotik-Thriller gehabt, stattdessen setzt Domon auf die „Lass das Publikum nach mehr gieren“-Taktik. Das gilt auch für die Kommentare über toxische Arbeitsplätze, da sie trotz manch treffender Beobachtungen letztlich nur an der Oberfläche kratzt. Vor derartigem thematischen Zündstoff wie etwa in Kitty Greens Weinstein-Parabel „The Assistant“ schreckt sie dann doch zurück. Im Fokus bleiben die Auswirkungen auf Emilys und Lukes Beziehung – was, so lange Unklarheiten bestehen, auch größtenteils funktioniert.
All das Drama über die Stolperfallen von Beziehungen am Arbeitsplatz, männliches Dominanzverhalten und das dornige Ringen um Macht mündet jedoch in einen unterkomplexen Schlussakt: Mit klaren, einfachen Antworten verliert „Fair Play“ im letzten Drittel rapide an Spannung. Zumindest bietet Domont ihren beiden zentralen Stars bis zur allerletzten Szene eine Bühne, schauspielerisch aufzutrumpfen: Selbst wenn das Ende einen narrativ einfachen Weg geht, so ist es ein emotional schmerzlicher Pfad. Nicht zuletzt dank der explosiven Performances von Ehrenreich und Dynevor.
Fazit: Wenn das Beziehungsdrama derart aufgeladen ist, dass es zum Thriller wird: Als Kommentar über toxische Maskulinität am Arbeitsplatz dürfte „Fair Play“ ruhig heftiger zubeißen. Doch als prickelnd beginnende Liebesgeschichte, die durch ein fragiles Ego verblasst, ist Chloe Domonts Regiedebüt im richtigen Sinne aufregend – vor allem dank des explosiven Spiels von Phoebe Dynevor und Alden Ehrenreich.