In einem französischen Fischerdorf bricht der Krieg der Sterne aus!
Von Christoph Petersen„L’Empire“ ist sowas wie die Verwirklichung eines Kindheitstraums. Damals hat man die Lichtschwertduelle aus den „Star Wars“-Filmen mit Stöckern im Garten nachgespielt – und eigentlich macht Bruno Dumont („France“) in seinem Berlinale-Wettbewerbsbeitrag nichts anderes, selbst wenn ihm dafür professionelle Schauspieler*innen sowie ein siebenstelliges Budget zur Verfügung standen. Und genau das ist hier auch der (einzige) Gag des Films: Was wäre, wenn sich der alles entscheidende Sternenkrieg ausgerechnet in einem verschlafenen französischen Fischerdorf entscheiden würde? Bevölkert von skurrilen Figuren, die sich durch nichts zu sehr aus der Reserve locken lassen, sondern alles einfach stoisch hinnehmen?
Gleich zu Beginn begleiten wir den Fischer Jony (Brandon Vlieghe), wie er in seinem Arbeitsoverall das kleine Boot aus dem Meer zieht, es auf einen Hänger lädt und zu sich nach Hause in den Garten bringt. Er hat nur ein kleines Netz voller Hummer mitgebracht, seine Mutter macht sich offenbar Sorgen ob des schmalen Fangs. Bis hierhin wirkt „L’Empire“ wie ein potenziell schwermütiger Festival-Problemfilm über das harte Leben der Fischer an der nordfranzösischen Opalküste. Aber Pustekuchen! Plötzlich kniet sich Jony vor seinem eigenen Sohn im Säuglingsalter nieder – und spricht zudem mit einer tief-verzerrten Stimme, wie man sie aus dem Klischeefundus der Science-Fiction-Soundeffekte zur Genüge kennt.
In der Tradition von „Angriff der Körperfresser“ entpuppt sich nach und nach das halbe Dorf als Aliens in Menschengestalt. Die einen sind die „0“-er, die anderen die „1“-er – und Jonys Sohn ist der Margat, eine prophezeite Erlöserfigur, die den ewigen Krieg zwischen Gut und Böse ein für alle Mal entscheiden soll. Wer nun die „0“-er und wer die „1“-er sind, habe ich schon während des Schauens direkt wieder vergessen – aber es spielt ebenso wie der gesamte Plot auch überhaupt keine Rolle. Stattdessen geht es allein darum, dass französische Fischer plötzlich miteinander sprechen, als seien sie die zentralen Figuren eines gewaltigen Sci-Fi-Epos – mit all dem üblichen Lore-Bullshit und ausgedachten Fantasy-Bezeichnungen inklusive.
„L’Empire“ fühlt sich lange an, als würde man einem LARP-Event zusehen, bei dem die Teilnehmer sich nicht extra passende Kostüme angezogen haben, sondern direkt nach Feierabend in ihren Arbeitsklamotten aufgeschlagen sind. Und völlig fertig mit der Welt sind sie noch obendrein: Egal ob der Margat von der gegnerischen Fraktion entführt wird oder Belzébuth (Fabrice Luchini) seine Männer zur alles entscheidenden Schlacht aufpeitscht – die Reaktionen der (Laien-)Darsteller erinnern stets an Familienaufführungen, bei dem der bockige, übermüdete Vierjährige nur schnell lustlos seine zwei Sätze aufsagt, um schneller ins Bett zu kommen. „Star Wars – Understatement“ wäre da wohl auch ein passender Titel gewesen.
Man muss es Bruno Dumont, der sich schon in seinem fast komplett in ein paar Dünen angesiedelten Rock-Musical „Jeannette - Die Kindheit der Jeanne d'Arc“ als Meister der totalen Popkultur-Reduktion bewiesen hat, ja lassen: Der Gag funktioniert. Zumindest eine ganze Zeit lang. Aber da der Sci-Fi-Plot an sich (vermutlich ganz bewusst) Null Spannung entwickelt, nutzt er sich eben auch immer weiter ab – da helfen selbst die Computeranimationen von gigantischen Mutterschiffen mit Kathedralen-Aufsatz irgendwann nicht mehr weiter. Bis zum Schluss lustig bleibt so eigentlich nur das ultraskurrile, maximal unfähige Ermittlerduo Van der Weyden (Bernard Pruvost) und Carpentier (Philippe Jore), Fans des Regisseurs bereits bekannt aus seinen dadaistischen Krimi-Mini-Serien „Kindkind“ und „Quakquak und die Nichtmenschen“.
Während Lily-Rose Depp („The Idol“) und Virginie Efira („Benedetta“) nach einer Drehverschiebung wegen Terminkonflikten absagen mussten und durch Lyna Khoudri und Camille Cottin ersetzt wurden, nannte Adèle Haenel („Die Blumen von gestern“) den „dunklen, sexistischen und rassistischen“ Inhalt des Drehbuchs als Grund für ihren Ausstieg. Und zumindest das Sexismus-Argument lässt sich sicherlich nicht vollständig von der Hand weisen: Während die männlichen Fischer eben aussehen wie Fischer, scheinen die Kostüme der Frauenfiguren – wie auch einige der Spezialeffekte – eher von einer „Star Wars“-Softporno-Parodie übernommen worden zu sein.
Fazit: Ein One-Joke-Film – und auch wenn der gar nicht mal schlecht ist, reicht es einfach nicht für 110 Minuten.
Wir haben „L’Empire“ im Rahmen der Berlinale 2024 gesehen, wo er als Teil des offiziellen Wettbewerbs gezeigt wurde.