Avengers mal ganz anders
Von Christoph PetersenEs ist gerade einmal drei Monate her, dass die surrealistische Fantasy-Komödie „Incredible But True“ auf der Berlinale ihre Weltpremiere gefeiert hat – und trotzdem läuft in Cannes nun bereits das nächste Werk von Quentin Dupieux: Tatsächlich kann man bei „Smoking Causes Coughing“ den Eindruck gewinnen, dass der auch als Techno-DJ Mr. OIZO berühmte Absurditäten-Auteur, der sich schon an telepathischen Killer-Autoreifen („Rubber“) und Riesenfliegen in Kofferräumen („Mandibules“) abgearbeitet hat, diesmal eine gewisse Resteverwertung betreibt. Zwar beginnt die dunkelschwarzhumorige Farce zunächst als eine Art Retro-Power-Rangers-Parodie, wenn die Mitglieder der Tabac Force am Strand eine überdimensionierte Gummi-Schildkröte zum Platzen bringen …
… allerdings nimmt „Smoking Causes Coughing“ anschließend schnell die Form eines Episodenfilms an: Die Superheld*innen werden wegen ihrer schlechten Teamperformance von ihrem grünen Schleim sabbernden Ratten-Chef (= quasi der Turtles-Sensei Splinter, aber sexuell deutlich übergriffiger) zu einem Gruppen-Retreat verdonnert. Sobald sie gemeinsam ums Lagerfeuer sitzen, beginnen sie allerdings erst einmal damit, sich gegenseitig mit möglichst grauenerregenden Schauergeschichten zu übertrumpfen. Und die wirken durchaus so, als würde Dupieux hier einige frühere Ideen verwursten, die nicht für einen eigenen Film ausgereicht haben.
Die Mitglieder der Tabac Force sind zwar nicht die hellsten Köpfe, sind bisher aber noch mit jedem Gummimonster klargekommen.
Aber das heißt nicht, dass „Smoking Causes Coughing“ keinen grotesk-derben Spaß macht! Ganz im Gegenteil: Nachdem er in „Incredible But True“ zuletzt auch ungewohnt leise-nachdenkliche Töne angeschlagen hat, kehrt Quentin Dupieux diesmal wieder zu jenem staubtrockenen Splatter-Humor zurück, der ihm damals mit „Rubber“ seinen Durchbruch als Filmemacher verschafft hat: Da findet eine Frau beim Wochenendausflug mit Freund*innen einen Nachdenk-Helm aus den 1930er Jahren, der sie erst am Sinn ihrer Ehe und dann an ihrer ganzen Existenz zweifeln lässt, bevor die Episode zu einer blutigen Slasher-Miniatur mit „Halloween“-Gedächtnis-Perspektive durch den Augenschlitz des Helms mutiert.
Noch schlimmer trifft es einen jungen Mann, der in einen Häcksler gerät, bis nur noch sein Mund in einem Eimer voller blutigem Schlamm von ihm übrig ist – er aber weiterhin nachdrücklich darauf beharrt, dass es ihm dennoch total gut gehe. Da könnte sich selbst der Schwarze Ritter aus Monty Pythons „Die Ritter der Kokosnuss“, der auch nach dem Abschlagen all seiner Extremitäten mutig (oder deppert) immer noch weiterkämpfen will, ruhig noch ´ne Scheibe von abschneiden. Dupieux dreht das Groteske wie gewohnt bis zum Anschlag auf – nur um die Pointen dann mit jener trockenen Gelassenheit zu servieren, die seine Filme seit jeher unverkennbar machen.
Aber zurück zur Rahmenhandlung: Es ist eher nicht zu vermuten, dass sich Quentin Dupieux zur Vorbereitung aufs Drehbuch noch mal alle Filme des Marvel Cinematic Universe (MCU) am Stück angesehen hat. Stattdessen erinnert der Look eher an die populären Serien seiner Kindheit – also vor allem „Power Rangers“ und „Turtles“. Sowieso scheint den Regisseur am Comic-Genre vor allem der Style zu interessieren – zu alte Männer in zu engen Latexkostümen, gefilmt im stylischen Retro-Look. Das erzeugt auch eine angenehm-anachronistische Reibung, wenn einer der Fans der Tabaco Force, die übrigens gegen das Rauchen ist und die negativen Inhaltsstoffe des Tabaks zum Töten ihrer Widersacher*innen einsetzt, plötzlich sein iPhone für ein Selfie herausholt.
Auf irgendwelche cleveren Meta-Anspielungen braucht man hingegen gar nicht erst warten. „Smoking Causes Coughing“, der mit Mick Harveys grandiosem Chanson „God Smokes Havana“ eröffnet, ist – abgesehen von den liebevoll designten Gummimonstern – eben doch keine Superheld*innen-Parodie. Aber das hat sich von Dupieux ja wohl hoffentlich auch niemand erwartet (oder auch nur erwünscht). Stattdessen macht er wie immer genau sein Ding – mit so viel Stil und Lakonie, Blut und Innereien, dass einem die 80 Minuten einmal mehr wie im Flug vergehen.
Fazit: Ebenso bitterböse wie blutige Episoden-Komödie mit Superheld*innen-Twist, mit der Quentin Dupieux nahtlos an seine früheren Genre-Grotesken wie „Rubber“ und „Monsieur Killerstyle“ anknüpft, selbst wenn sich die im Stile von Horror-Anthologien aneinandergereihten Mini-Geschichten mitunter wie Resteverwertung anfühlen. Aber eigentlich unterstreicht auch das nur noch einmal den ohnehin schon superlässigen Stil des französischen Surrealismus-Superfans.
Wir haben „Smoking Causes Coughing“ beim Filmfestival in Cannes 2022 gesehen, wo er als Midnight Screening gezeigt wurde.