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    Ghosted
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Ghosted

    Sprühende Funken? Fehlanzeige!

    Von Sidney Schering

    Wer Fan von Chris Evans und/oder Ana de Armas ist, und bislang nichts über „Ghosted“ weiß, kann sich das Star-Vehikel unter Idealbedingungen anschauen: Dafür müsst ihr einfach den Film bei Apple TV+ ansteuern, ohne zu genau auf das Poster, die Plot-Beschreibung oder die Genre-Einteilung zu blicken. Das verwandelt „Ghosted“ zwar nicht in einen Meisterstreich, beschert dem Film aber ein paar dringend nötige Bonus-Sympathiepunkte. Und wenn euch das geglückt ist, könnt ihr diesen Artikel weiterlesen, der ab dem nächsten Absatz auf weitere Details eingeht.

    Wer dagegen bereits weiß, wovon „Ghosted“ handelt, kann diese Kritik auch vor dem Filmgenuss unbesorgt weiterlesen. Denn obwohl „Rocketman“-Regisseur Dexter Fletcher eine gute halbe Stunde lang das wahre Genre seines Films verheimlicht, macht das Marketing von Apple TV+ schließlich keinen Hehl daraus, dass es sich bei „Ghosted“ um eine Agenten-Actionkomödie handelt. Schade bloß, dass die Konsequenz, mit der Fletcher im ersten Akt seinen Film als seichte Romanze behauptet, bereits die größte Stärke dieses ernüchternden Star-Schaulaufens darstellt...

    "Ghosted" beginnt als seichte Romcom...

    Eigentlich sollte der gutmütige Farmer Cole (Chris Evans) bloß kurz auf den Blumenstand einer Kollegin aufpassen – doch dann ändert sich sein Leben: Die neckische Sadie (Ana de Armas) will sich zwar eine Zimmerpflanze anschaffen, macht jedoch deutlich, dass sie wenig Lust und noch weniger Zeit hat, sich darum zu kümmern. Also redet Cole ihr den Kauf aus, bittet sie aber um ein Date. Sie stimmt zu und Cole fühlt sich wie im siebten Himmel – bis er feststellen muss, dass Sadie seine Nachrichten komplett ignoriert. Der verliebte Cole will Sadie in London überraschen, um die Flamme wieder auflodern zu lassen. Dort angekommen muss er jedoch feststellen, dass seine Traumfrau eine knallharte Geheimagentin ist, die eine ganze Armee von Fieslingen bekämpft, die von ihrem einstigen Bekannten Leveque (Adrien Brody) angeführt wird...

    Bekannte Prämisse, neu abgemischt

    Die Prämisse, dass sich eine „normale“ Person unwissentlich in einen taffen Spion verguckt und in dessen riskanten Alltag gezerrt wird, ist nicht neu. 2010 wurde diese Idee etwa sowohl in „Kiss & Kill“ als auch in „Knight And Day“ durchgespielt. In „Ghosted“ verdreht Fletcher nun aber zwei Konventionen dieses Genres: Hier ist es ein risikoscheuer, sanftmütiger Kerl, der herausfindet, dass er sich in eine emotional abgestumpfte Spitzenagentin verknallt hat. Und während solche Agentenkomödien sonst mit offenen Genre-Karten spielen, versetzt der vom „Deadpool“-Doppel Rhett ReesePaul Wernick sowie vom Autoren-Duo Chris McKennaErik Sommers („Spider-Man: No Way Home“) verfasste Film das Publikum eingangs in die Schuhe des Ahnungslosen.

    Konsequenterweise inszeniert Fletcher den „Ghosted“-Auftakt wie die Art tumber Romantikkomödie, in der Cole zu leben glaubt: Überbelichtete, uninspirierte Bilder und eine aufgesetzt-muntere, musikalische Begleitung durch ausgelutschte Gute-Laune-Popsongs packen die erste halbe Filmstunde ins Gewand einer anspruchslosen Wohlfühl-Romanze. Sogar der Umstand, dass zwischen Cole und Sadie keine glaubhaften Funken sexueller Anziehung fliegen, sondern sich die Beiden mit sanften Neckereien, zahmen Komplimenten und generischem Smalltalk umgarnen, wirkt beabsichtigt. Schließlich stärkt dies die Illusion einer lahmen TV-Produktion, die aus unerfindlichen Gründen einen Top-Cast an Land ziehen konnte.

    ... und wird dann zu einer halbgaren Agentenkomödie.

    Bedauerlicherweise kriegt „Ghosted“ nach diesem knochentrocken-parodistischen Einstieg inklusive romantischem Date an der ikonischen „Der Exorzist“-Treppe nicht die Kurve: Sobald Cole das wahre Naturell seiner Angebeteten zu Gesicht bekommt, behält Fletcher die etablierte Bildsprache bei, während sich auf akustischer Ebene ein routinierter Action-Score von „Mission: Impossible“-Komponist Lorne Balfe weiterhin mit abgenutztem Radio-Pop abwechselt.

    Diese lieblose Aufmachung kommt der zumeist eh schon ideenarmen Kampf- und Stuntchoreografie nicht gerade zugute. Allein das Finale in einem Dreh-Restaurant an der Spitze eines Aussichtsturms sticht dank einer Handvoll prägnanter Einfälle löblich hervor. Jedoch unterstreicht das Finale zugleich, dass „Ghosted“ tonal irgendwo zwischen Parodie und „ehrlichem“ Vertreter dieses Agentenkomödien-Subgenres hängen geblieben ist, worunter vor allem die völlig ziellose Spionage-Geschichte leidet.

    Das können Chris Evans & Ana de Armas besser!

    Wenn die Chemie zwischen Sadie und Cole schon frei von romantischem Esprit, geschweige denn von glaubhafter körperlicher Anziehung bleibt, geben sie immerhin auf komödiantischer Ebene kein allzu schlechtes Doppel ab. Wie sich Sadie und Cole in jeder noch so brisanten Lage kritisieren oder doppelbödige Komplimente um die Ohren hauen, sorgt dank des komödiantischen Timings von Ana de Armas und Chris Evans vereinzelt für Schmunzler.

    Allerdings kommt ihnen wiederholt der unrhythmische Filmschnitt in die Quere, der es streckenweise so aussehen lässt, als hätten sie bloß eine Handvoll gemeinsamer Drehtage gehabt. Von so einem gewitzten Rapport zwischen de Armas und Evans wie in Rian Johnsons Krimi-Komödien-Highlight „Knives Out“ kann man in „Ghosted“ daher bloß träumen.

    Selbst die über den Film verteilte Parade von Cameos hinterlässt ein enttäuschendes Gefühl: Manche der Kurzauftritte haben durchaus Witz. Alles in allem wirken sie jedoch wie ein geradezu verzweifelter Versuch der Filmschaffenden, eine orientierungslose Spionagekomödie durch wahllos ins Geschehen gepackte Stars aufzuwerten.

    Fazit: „Ghosted“ beginnt als trocken-komische Imitation einer uninspirierten Romcom und wird daraufhin zur atonalen Agentenkomödie mit größtenteils drögen Actionszenen, ziellosem Spionage-Plot und einem Star-Duo, dessen Chemie miteinander durch einen konfusen Schnitt untergraben wird.

     

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