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    Club Zero
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Club Zero

    Wenn sich die Ernährungsberaterin als Sektenführerin entpuppt

    Von Christoph Petersen

    Sollte die mysteriöse Ms Novak (Mia Wasikowska) mit ihrem Fastentee mal bei einem der Treffen der Klimaaktivist*innen vorbeischauen, dann würde aus der Letzten Generation vermutlich wirklich die letzte Generation: Vorgeschlagen vom Elternbeirat und angeheuert von der Schulleiterin Ms Dorset (Sidse Babett Knudsen), soll die auf Ernährungsberatung spezialisierte Lehrerin den Schüler*innen eines britischen Elite-Internats eigentlich nur etwas über „conscious eating“ (= „bewusstes Essen“) beibringen. Schließlich ist das Thema gerade ähnlich „in“ wie Mandarin. Aber aus dem vermeintlich harmlosen Stuhlkreis entwickelt sich schnell eine kultartige Gemeinschaft, die irgendwann nur noch ein Ziel kennt – dem titelgebenden „Club Zero“ beizutreten. Das einzige, was man dafür tun muss: Gar nichts mehr essen!

    Dem neuen Film der Wiener Autorin und Regisseur Jessica Hausner („Lourdes“) ist die Trigger-Warnung vorangestellt, dass das satirische Drama „conscious eating“ und andere Essstörungen behandeln würde. Aber auch wenn „Club Zero“ zunächst vom Verzicht auf Schokolade und schließlich auf Nahrung aller Art handelt, könnte es natürlich genauso gut auch um Klimafragen & Co. gehen – also all das, wo der heutigen Jugend gern mal von „alten weißen Männern“ vorgehalten wird, dass es sich bei den omnipräsenten Endzeitprophezeiungen ja am Ende auch nur um eine Art Ersatzreligion handeln würde. Schon dass Hausner in „Club Zero“ andeutet, dass die Teenager*innen zu ihrer selbstzerstörerischen Weltenrettungs-Queste tatsächlich nur von einer modernen Rattenfängerin verleitet werden, ist deshalb bereits eine kühne Provokation.

    Neue Visionen Filmverleih

    Bereit für die nächste Stufe! Zwischen den Schüler*innen entbrennt ein regelrechter Wettstreit, wer von ihnen am wenigsten essen kann.

    Im Film selbst gibt es dann allerdings nur wenig, was einen auf ähnliche Weise schockieren oder vor den Kopf zu stoßen vermag: Das offensichtlichste Ziel der satirischen Spitzen sind zunächst einmal die Eltern – die meisten von ihnen Superreiche, die sich im Liegestuhl vor ihren Luxusvillen sonnen, während sie im selben Moment darüber schwadronieren, dass ihr Kinder unbedingt Konsumverzicht lernen sollten. Auf deren Verlogenheit kann sich jeder leicht einigen – wer in Ghana humanitäre Projekte betreut, nur um sich nicht Zuhause um die Probleme seiner eigenen Kinder kümmern zu müssen, der hat es auch einfach nicht anders verdient!

    Das Verhalten der mysteriösen Ms Novak, ihrer Schüler*innen sowie vor allem die Dynamik in der Stuhlkreisgruppe scheint hingegen eins-zu-eins aus einem Sachbuch über Sektenstrukturen übernommen: Vollkommen offensichtlich-subtil bittet die Lehrerin ihre sich fast schon wie Jünger*innen aufführenden Schüler*innen, einem bisher noch unwilligen Klassenkameraden dabei „zu helfen“, das mit dem Essen vielleicht doch lieber sein zu lassen. Auch die Art und Weise, wie etwa Familienangehörige zu außenstehend Ungläubigen degradiert werden, entspricht der üblichen Masche von Gurus & ähnlichen religiösen Rattenfänger*innen. Die stete Zuspitzung verläuft also weitestgehend in erwartbaren Bahnen.

    Aber bitte mit Kirsche

    Überraschende Einfälle oder nachhaltige Transgressionen sind zwar rar gesät – aber es gibt sie: Wenn die zwischenzeitig geschasste Ms Novak im stillen Kämmerlein vor einem Schrein eine nicht näher definierte „Mutter“ anbetet, fragt man sich schon kurz, ob nicht doch noch ein größerer Plan hinter ihren Totalverzichts-Predigten steckt – und wenn „Club Zero“-Mitglieder in der Mensa die ganze Pause hindurch pantomimisch in ihrem Fisch und dem Wurzelgemüse herumstochern, ohne sich jemals tatsächlich etwas in den Mund zu stecken, entwickelt der Film einen streckenweise regelrecht schmerzhaft-schwarzen Humor. Außerdem zählt nach dem Brechreiz-Marathon im letztjährigen Goldene-Palme-Gewinner „Triangle Of Sadness“ dank „Zero Club“ auch in diesem Jahr wieder eine Kotz-Szene – diesmal sogar noch mit einer Cherry on Top – zu den unvergesslichsten Momenten des Cannes-Wettbewerb…

    Fazit: Genug Stoff für einen halbstündigen Kurzfilm gedehnt auf fast zwei Stunden. Die pure Existenz eines satirischen Dramas, das eine bloße Verführung Jugendlicher zum Weltenrettungs-Aktivismus zumindest als Möglichkeit in Betracht zieht, ist im Jahr 2023 an sich schon eine verwegene und deshalb begrüßenswerte Provokation – die Pointen im Film selbst suchen sich hingegen überwiegend leichte Ziele und entwickeln so auch nur selten echten Biss.

    Wir haben „Club Zero“ beim Cannes Filmfestival 2023 gesehen, wo er in den offiziellen Wettbewerb eingeladen wurde.

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