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    Ernest & Célestine: Die Reise ins Land der Musik
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Ernest & Célestine: Die Reise ins Land der Musik

    Der Bär und die Maus haben nichts von ihrem Charme eingebüßt

    Von Ulf Lepelmeier

    Mehr als zehn Jahre sind vergangen, seit uns der französische Animationsfilm „Ernest und Célestine“ mit seinen wunderschönen Aquarellbildern und seiner liebevollen Geschichte einer beginnenden Freundschaft zwischen einem grimmigen Bären und einer kleinen Maus im Kino verzauberte. Unter anderem mit einer Oscarnominierung für den Besten Animationsfilm geehrt, begeisterte der Film kleine Zuschauer*innen, Eltern und Kritiker*innen gleichermaßen. In der Zwischenzeit gab es auch noch eine Serie mit 52 je 13-minütigen Folgen, die sich weiteren Geschichten der in Deutschland unter dem Namen „Mimi und Brumm“ vertriebenen Buchreihe von Gabrielle Vincente annahm.

    Die Kinofortsetzung „Ernest & Célestine: Die Reise ins Land der Musik“ führt die Freunde nun in die entfernte Heimat von Ernest, der sich seiner Vergangenheit und im Speziellen den Erwartungen seiner Familie stellen muss. Zudem möchte er zusammen mit Célestine die dort mittlerweile verbotene Musik wieder zurück ins Land bringen. Mit seinen charmanten Figuren sowie einer kindgerecht verpackten, gesellschaftskritischen Story nimmt der Film so nicht nur die kleinen Animationsfans spielend für sich ein.

    Mehr als zehn Jahre mussten wir auf die Leinwand-Rückkehr von Ernest und Célestine warten – aber das hat sich total gelohnt!

    Als Célestine versehentlich Ernests geliebte Geige zerbricht, ist der Bär am Boden zerstört. Schließlich handelt es sich um eine wahre Bärivarius, die nur der Geigenbauer Octavius aus Charabie wieder reparieren könnte – doch Ernest lehnt eine Rückkehr in sein Heimatland vehement ab. Die dickköpfige Célestine gibt aber nicht so leicht auf und bricht – nach zahllosen Überredungsversuchen – schließlich einfach selbst auf, um die Geige reparieren zu lassen. Als Ernest erfährt, dass die kleine Maus sich allein auf die beschwerliche Reise begeben hat, fährt er ihr besorgt hinterher.

    Schließlich kommen die beiden zusammen in Ernests Heimat in einem entlegenen Tal an. Doch ganz anders als in seinen Erinnerungen ist das Land gar nicht mehr erfüllt von Musik. Auf Geheiß von Ernest Richter-Vater wurde ein striktes Gesetz erlassen, das jedwede Musik, die aus mehr als einem Ton besteht, verbietet. Musiker*innen werden ins Gefängnis geworfen und ihre Musikinstrumente konfisziert. Geigenbauer Octavius steht gar auf der Fahndungsliste ganz oben. Die beiden Freunde sind schockiert und wollen die Musik unbedingt zurückholen…

    Ein Zeichenstiel, in dem man sich gern verliert

    Im langfristigen Entstehungsprozess der französisch-luxemburgischen Koproduktion haben mehrmals die Personen auf dem Regiestuhl gewechselt. Doch das finale Regie-Duo Julien Chheng und Jean-Christophe Roger schafft es gekonnt, die Atmosphäre des gelungen ersten Leinwand-Abenteuers von Ernest und Célestine wieder aufleben zu lassen. Der zurückgenommenen und an Aquarellzeichnungen erinnernden Animationsstil, der sich an die Bilder der zugrundeliegenden Buchreihe anlehnt, nimmt einen gleich wieder gefangen, so dass man sich nur zu gern mit dem ungleichen Freunden auf große Fahrt begibt.

    Wo im ersten Film noch Célestines Waisenvergangenheit und ihr Zeichentalent verstärkt behandelt wurden, steht nun Ernests musikalische Ader und seine Familienstory im Mittelpunkt: Die Eigenheiten und teils skurrilen Regeln, die in Charabie gelten (so müssen Kinder nicht nur den Beruf ihren Eltern annehmen, sondern sich auch von Klein auf wie diese kleiden), sind amüsant und die Erweiterung der bekannten Lebenswelt der beiden Freunde mit neuen Charakteren (wie der Familie des in Charabie stets Ernestof gerufenen Bären) funktioniert ganz wunderbar.

    In Ernests Heimat ist die Musik inzwischen verboten – höchste Zeit also, das wieder zu ändern…

    Vorurteile und Fremdenhass in den voneinander strikt getrennten Gesellschaften der Bären und Mäuse (sowie deren Überwindung durch Ernest und Célestine) standen im oscarnominierten ersten Film im Fokus. Bei ihrer Reise nach Charabie spielen nun das Festklammern an gegebenen Strukturen sowie ein willkürliches Justizwesen eine zentrale Rolle. Ernest und Célestine sind schockiert von dem Musikverbot und treffen alsbald mit dem Widerstand zusammen, der von einem geheimnisvollen maskierten Saxophonspieler angeführt wird.

    Ernest, der vor vielen Jahren einfach wegging, um nicht die Laufbahn seines Vaters als Richter einschlagen zu müssen, ist nun dazu gezwungen, sich seiner Vergangenheit zu stellen, um die Lage im Lande verstehen und die Musik zurückbringen zu können. „Es ist, wie es ist und so bleibt es!“ – dieses Credo von Charabie, das Ernest regelrecht mantrahaft vorträgt, verliert alsbald seine anfängliche komödiantische Note und offenbart das Problem einer Gesellschaft, in der ein starres Festhalten an Traditionen dem persönlichen Lebensglück der Bewohner*innen im Wege steht.

    Fazit: „Ernest & Célestine: Die Reise ins Land der Musik“ ist ein liebevoll umgesetzter Zeichentrickfilm für Groß und Klein mit individuellem Animationsstil, herzlich-süßen Figuren und einer warmherzigen Story, die kindgerecht die Kraft der Musik und die Bedeutung von Zivilcourage zelebriert.

    Wir haben „Ernest & Célestine: Die Reise ins Land der Musik“ beim Filmfest München 2023 gesehen, wo er in der Kinderfilmfest-Reihe zu sehen war.

     

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