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    JFK Revisited - Die Wahrheit über den Mord an John F. Kennedy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    JFK Revisited - Die Wahrheit über den Mord an John F. Kennedy

    Wer hat Kennedy denn nun erschossen?

    Von Michael Meyns

    Kaum ein Ereignis des 20. Jahrhunderts treibt die Phantasie von Wissenschaftler*innen, Journalist*innen, Bürger*innen und Anhänger*innen von Verschwörungstheorien so um wie die Ermordung von John F. Kennedy: Am 22. November 1963 wurde der damalige Präsident der Vereinigten Staaten in Dallas erschossen. Immerhin darüber besteht Gewissheit, über viel mehr jedoch nicht.

    Schon in seinem 1991 erschienenen Spielfilm „JFK - Tatort Dallas“ beschäftigte sich Oliver Stone – im Director’s Cut sogar sagenhafte 206 Minuten lang – mit den Hintergründen. Nun, 30 Jahre später, hat er die Arbeit mit „JFK Revisted – Die Wahrheit über den Mord an John F. Kennedy“ fortgesetzt. Zwar kommt das Update im Gewandt einer Dokumentation daher, aber wer Stone kennt, der weiß, dass kaum jemand die Mittel des Kinos so gut beherrscht wie er – was im Fall der hier vorgebrachten Thesen und Überlegungen bedeutet: Sie sollten mit größter Vorsicht genossen werden!

    Das wohl ikonischste Bild von jenem tragischen 22. November 1963.

    Auch als Reaktion auf den Spielfilm von Oliver Stone verabschiedete der US-Kongress 1992 den so genannten JFK Act, der die Öffnung von geheimen Akten ermöglichte, die ursprünglich erst in ferner Zukunft zugänglich sein sollten. Mit Verve stürzten sich in den folgenden Jahren JFK-Forscher*innen auf die Aktenberge und veröffentlichten einen Wust an neuen Büchern, die alte Theorien neu aufleben ließen, aber auch neue Überlegungen hervorbrachten. Am Ende stand jedoch dasselbe Ergebnis wie bei all den Büchern und Aufsätzen zuvor: Was genau an jenem Herbsttag in Texas passierte, ist nicht wirklich zu klären. Die Ungereimtheiten der offiziellen Version bleiben bestehen, alte und neue Rätsel können nicht eindeutig geklärt werden.

    Lee Harvey Oswald war es! So stellte es eine Untersuchungskommission fest, deren Ergebnisse in den folgenden Jahren immer wieder in Frage gestellt wurden. Auch Oliver Stone beschäftigt sich in „JFK Revisited“ mit der sogenannten „magischen Kugel“, die schier absurde Wege durch Körper und Knochen genommen haben müsste, um all die Wunden zu verursachen, die ihr zugeschrieben wurden. Im Stakkato-Tempo, mit suggestivem Schnitt und eindringlicher Musik, rast Stone in 118 Minuten durch alle Aspekte der Kennedy-Ermordung. Er versucht nicht nur die Ereignisse von Dallas so minutiös wie irgendwie möglich zu skizzieren, er zeichnet auch den Werdegang von Lee Harvey Oswald nach und beschäftigt sich darüber hinaus auch mit den Ermittlungen, den angeblichen Vertuschungen sowie der Ermordung des Attentäters.

    Den absoluten Beweis gibt es auch diesmal nicht

    Das ist oft eindringlich, manchmal ermüdend ausführlich. Es suggeriert Manipulation und Verschwörung, doch stichhaltige Hinweise, eine wirkliche Smoking Gun, wie in Amerika ein eindeutiger Beweis so schön heißt, kann auch Oliver Stone nicht liefern. Faszinierend ist „JFK Revisited“ dennoch – zu gut ist Stone als Erzähler, zu mitreißend seine Neugier, sein unermüdliches Bohren und Insistieren. Wer sich jedoch nicht zumindest in groben Zügen mit amerikanischer Geschichte sowie der tatsächlichen und manchmal auch nur imaginierten Bedeutung von John F. Kennedy in den 1960ern auskennt, dem wird schnell der Kopf rauchen.

    So viele Daten und Informationen präsentiert Stone, so viele Filmschnipsel, Fotos und Interviews formt er zu einer intensiven, aber dadurch auch enorm suggestiven Kollage, dass ein JFK-Neuling nach „JFK Revisited“ wohl fast zwangsläufig eine gigantische Verschwörung am Werk sehen muss – mit Agenten des CIA als Hintermänner und einer Welt, die heute ganz anders aussehen würde, wenn JFK weitergelebt hätte. Dieser letzte Aspekt ist es vor allem, der den Baby Boomer Stone umtreibt – also ihn, der in Vietnam kämpfte und dort auch verwundet wurde, der in seinen Spielfilmen und Dokumentarfilmen immer wieder die Missstände und auch die Verbrechen amerikanischer (Außen-)Politik angeprangert hat, der JFK als leuchtendes Gegenbeispiel zur Korruption amerikanischer Politiker sieht.

    Die kurze Schlagzeile verspricht eine Klarheit der Geschehnisse, die es bis heute nicht gibt...

    Im letzten Kapitel seines Films versucht Stone schließlich, ein Motiv zu liefern, zu erklären, warum die Mitglieder des oft beschworenen militärisch-industriellen Komplex ein Interesse daran hatten, die angebliche Friedenstaube JFK umzubringen. Glaubt man das, glaubt man auch den Rest, doch wie viel von „JFK Revisited“ darf man glauben? Viel ist in den letzten Jahren von Medienmanipulation die Rede, von Fake News und Verschwörungstheorien rund um 9/11 und Corona. Gerade das dokumentarische Kino hat dabei eine besondere Verantwortung, sollte versuchen, sich von fragwürdig-sensationslüsternen True-Crime-Shows wie „Making A Murderer“ zu unterscheiden.

    Im Vorfeld der Cannes-Premiere von „JFK Revisited“ gab Stone dem US-Onlinemagazin Deadline ein langes Interview, in dem er etwa den Dokumentarfilm-Oscargewinner „Ikarus“ über die Untersuchung des russischen Doping-Skandals als Propaganda bezeichnete. Aber selbst, wenn man da mitgeht, muss sich Stone schon die Frage gefallen lassen, was seinen Film denn dann davon unterscheidet? Meinungen, die nicht in sein Konzept passen, kommen nicht vor, unpassende Widersprüche werden ausgeblendet. Stattdessen wird eine klare Argumentationslinie aufgebaut, die dank der außerordentlichen filmischen Qualitäten des Regisseurs sehr überzeugend wirkt. Ob das aber tatsächlich die Wahrheit ist, die der deutsche Untertitel behauptet, da bleiben dann doch erhebliche Zweifel.

    Fazit: In rasender, suggestiver Montage führt Oliver Stone in „JFK Revisited“ durch alle Aspekte der Ermordung von John F. Kennedy und entwirft dabei eine brennende Anklage an das amerikanische politische Establishment. Doch so mitreißend die zwei Stunden auch sind: Wie viel man davon glauben mag, sollte man sich sehr genau überlegen.

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