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    Enola Holmes 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Enola Holmes 2

    Sherlocks Schwester hat ihren Platz in der Welt (und auf Netflix) gefunden

    Von Christoph Petersen

    Dass das Krimi-Abenteuer „Enola Holmes“, das ursprünglich in die Kinos kommen sollte, bevor es in letzter Sekunde von Netflix weggekauft wurde, mehr als zwei Stunden lang ist, erwies sich durchaus als Problem für einen Film, der gerade in der zweiten Hälfte spürbar an Tempo verlor. Zugleich war es aber auch irgendwie verständlich: Schließlich mussten die Titelheldin und ihre Welt erst einmal eingeführt werden, bevor es dann mit dem eigentlichen Kriminalfall so richtig losgehen konnte. Aber jetzt haben wir die Origin Story ja zum Glück hinter uns – und so ist „Enola Holmes 2“ auch deutlich kürzer. Ach ne, stimmt gar nicht. Fast vergessen: Die Fortsetzung wurde direkt für Netflix produziert und da muss man ja meist noch 30 (überflüssige) Minuten draufschlagen. Also dauert „Enola Holmes 2“, der erneut auf einer Vorlage von Nancy Springer basiert, nun – nicht nur für einen Familienfilm – ausufernde 130 Minuten.

    Aber im Gegensatz zum Vorgänger, der immer mal wieder ins Stottern geriet, wirkt das erneut von „Fleabag“-Regisseur Harry Bradbeer inszenierte Sequel nun deutlich mehr wie aus einem Guss. Der zentrale Fall entwickelt sich stimmig von der vermeintlich simplen Suche nach einer verschwundenen jungen Frau hin zu einer ausgewachsenen Verschwörung, die sogar reale historische Ereignisse kraftvoll in die Handlung integriert. Mit Ausstattung und Kostümen wird wie gewohnt geklotzt statt gekleckert, während „Stranger Things“-Star Millie Bobby Brown endgültig in ihrer regelmäßig die vierte Wand durchbrechenden und direkt in Richtung Publikum schauenden Rolle als Nachwuchsdetektivin im Schatten ihres weltberühmten Bruders aufgeht. „Enola Holmes 2“ macht von Beginn an Spaß und wird irgendwann auch richtig spannend – da vergehen selbst zwei Stunden und zehn Minuten erstaunlich flott.

    Eigentlich gibt es keinen Grund, warum Enola (Millie Bobby Brown) im Schatten ihres Bruders Sherlock Holmes (Henry Cavill) stehen sollte...

    Als die Nachwuchsdetektivin Enola Holmes (Millie Bobby Brown) im London des Jahres 1888 eine eigene Detektei eröffnet, wird sie von ihren potenziellen Auftraggeber*innen zunächst wenig ernst genommen. Schließlich sei sie ja nur eine völlig unerfahrene junge Frau – und selbst ihre persönlichen Errungenschaften werden in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen alle ihrem älteren und sehr viel berühmteren Bruder Sherlock Holmes (Henry Cavill) zugeschrieben.

    Aber gerade, als Enola aufgeben will, wird sie mit dem Fall einer verschwundenen Streichholzfabrik-Arbeiterin beauftragt. Während sie ihre Ermittlungen in die höchsten gesellschaftlichen Kreise führen und sie sogar selbst wegen Mordverdachts im Kittchen landet, stößt der an einem Mathe-lastigen Erpressungs-Fall arbeitende Sherlock zum ersten Mal auf den ihm unbekannten, aber mysteriös klingenden Namen Moriarty

    Nicht ohne meine Anstandsdame

    Nachdem sie zunächst in den Armenvierteln mit ihren menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und zweifelhaften Amüsierstuben ermittelt hat, geht es für Enola Holmes zu einem opulenten Ball in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen Londons. Hier können sich dann nicht nur die Setdesigner*innen und Kostümschneider*innen mal so richtig austoben, auch der revolutionäre Gestus der „Enola Holmes“-Reihe kommt hier voll zur Geltung, wenn schon im Vorfeld ein hüftsteifes Etiketten-Lehrbuch mit einigen alles sagenden Scribble-Zeichnungen „verfeinert“ wird. Dieser Abstecher ins Genre der Fisch-aus-dem-Wasser-Komödie ist aber nicht nur ziemlich lustig, sondern am Ende auch viel mehr als nur eine kurze alibihafte Verbeugung vor dem Zeitgeist.

    Stattdessen gehen die verschiedenen Elemente der Story im Sequel ganz wunderbar zusammen: Enolas persönliches Problem mit dem übergroßen Schatten ihres Bruders, die angestaubten Verhaltensregeln auf dem Ball, die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in der Fabrik, die Rückkehr von Enolas aktivistischer Suffragetten-Mutter Eudoria (Helena Bonham Carter) – all das ergänzt sich bis hin zur finalen Einblendung eines historischen Fotos, das die Ermittlungen nachträglich noch mal in ein tatsächliches geschichtliches Ereignis einbettet. Das sitzt – und hinterlässt sicher einen nachdrücklicheren Eindruck als der dann doch recht bald wieder verblasste erste Teil.

    Enola Holmes steht diesmal selbst unter Mordverdacht - und wird in der Gefängniskutsche ins Kittchen gefahren.

    „Enola Holmes 2“ fängt noch relativ verspielt auf Kinderkrimi-Niveau an – ersetzt den Humor dann aber zunehmend durch Spannung, was nicht nur mit der Möglichkeit zu tun hat, dass die eingekerkerte Enola womöglich wegen Mordes zum Tode verurteilt wird, sondern auch mit Neuzugang David Thewlis als Superintendent Grail: Der „Harry Potter“-Star macht in seiner finsteren Rolle wirklich keinerlei Zugeständnisse an das Alter des Zielpublikums, sondern spielt die ruchlos-sadistische Ader seiner Figur voll aus – weshalb speziell auch die beiden großen Actionszenen, eine Pferdekutschen-Verfolgung und das Finale in einem Theater, sehr viel intensiver (und gefährlicher) anmuten, als man es von einem Jugendfilm erwarten würde.

    Man sollte bei der Altersempfehlung im Vergleich zum Auch-nicht-ganz-ohne-Vorgänger also vermutlich noch mal eins, zwei Jahre draufschlagen – aber der Qualität des Films tut Thewlis sinistre Aura jedenfalls nur gut. Und die ist auch deshalb so wichtig, weil der Krimiplot selbst nur semiüberraschend aufgelöst wird (man muss nun wirklich kein Sherlock sein, um speziell die Identität von Moriarty schon eine ganze Ecke früher gelüftet zu haben). Ganz zum Schluss gibt es dafür aber noch einen kurzen Gastauftritt einer sehr bekannten literarischen Figur, die uns vermuten lässt, dass „Enola Holmes 3“ ohnehin schon so gut wie sicher in trockenen Tüchern ist – und darauf darf man sich nach der Steigerung des zweiten Teils durchaus freuen…

    Fazit: In „Enola Holmes“ musste Millie Bobby Brown mit ihrer die vierte Wand durchbrechenden Schlagfertigkeit noch eine Menge ausgleichen, weil der im Zentrum stehende Kriminalfall den Film eher runtergezogen hat. In der Fortsetzung greifen die verschiedenen Elemente nun besser ineinander – und so wird es trotz der erneut (zu) stolzen Laufzeit von zwei Stunden und zehn Minuten nie langweilig.

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