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    The Palace
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Palace

    Für diese Silvesterparty lohnt sich das Aufbleiben nicht

    Von Christoph Petersen

    2019 hat Roman Polanski im Alter von 86 Jahren noch mal richtig einen rausgehauen: Sein historisches Whistleblower-Drama „Intrige“ war ein später Triumph für den Regisseur solch unvergessener Klassiker wie „Rosemaries Baby“, „Tanz der Vampire“ oder „Chinatown“. Inzwischen ist auch der 90. Geburtstag gefeiert – und im Gegensatz zum vielfach preisgekrönten „Intrige“ (u. a. mit dem Spezialpreis der Jury beim Filmfest in Venedig oder dem Regiepreis bei den César Awards) merkt man das seinem neusten Werk durchaus an:

    Der in den letzten Stunden des Jahres 1999 in einem Schweizer Nobelhotel spielende „The Palace“ ist eine Ensemble-Komödie, die nur selten Fahrt aufnimmt, ziemlich bescheiden aussieht und sich abgesehen von einzelnen satirischen Spitzen vornehmlich in gut abgehangenem Altherrenhumor ergeht. Wüsste man nicht, wer hier auf dem Regiestuhl saß, würde man vermutlich weniger auf eine Weltpremiere beim Filmfest in Venedig, sondern eher auf einen Slot als Sat.1 Film der Woche tippen.

    Hoteldirektor Hansueli (Oliver Masucci) schwört noch mal jeden einzelnen darauf ein, dass in den nächsten Stunden absolut nichts schiefgehen darf…

    Noch zwölf Stunden bis zum Jahr 2000: Während die ganze Welt den Atem anhält, ob das Y2K-Problem tatsächlich die gesamte Wirtschaft lahmlegen wird, schwört Direktor Hansueli (Oliver Masucci) die Belegschaft des in den Schweizer Alpen gelegenen Palace Hotel für die anstehende Silvesterparty ein – schließlich haben sich viele hochkarätige Gäste aus aller Herren Länder angesagt: Dazu zählen etwa der berühmte Schönheitschirurg Dr. Lima (Joaquim de Almeida), der sofort von einem Tross sichtbar „hergerichteter“ Damen belagert wird, oder der ehemalige Pornostar Bongo (Luca Barbareschi), der es mit seinem überdimensionierten Gemächt zu einigem Ruhm gebracht hat.

    Starinvestor Bill Crush (Mickey Rourke) hat zwar vergessen zu reservieren, lässt sich davon aber nicht abhalten, gemeinsam mit dem bisher immer hochkorrekten Banker Caspar Tell (Milan Peschel) die Y2K-Panik für einen Millionenbetrug auszunutzen. Währenddessen hat der Uralt-Milliardär Arthur William Dallas III (John Cleese) für seine 22-jährige Ehefrau Magnolia (Bronwyn James) einen lebendigen Pinguin als Geschenk zum Hochzeitstag einfliegen lassen. Und das sind längst nicht alle Herausforderungen, die Hoteldirektor Hansueli an diesem besonderen Abend irgendwie geregelt bekommen muss…

    In jeder Hinsicht altbacken

    Wenn Oliver Masucci („Er ist wieder da“) in den ersten Minuten im Sauseschritt durch die Hotelgänge huscht, um an allen Ecken und Enden ein Problem nach dem anderen zu lösen, wirkt es kurz so, als könnte sich „The Palace“ in die Richtung eines der Männer-die-durch-Flure-schreiten-und-dabei-schnell-miteinander-sprechen-Projekte von Aaron Sorkin („The West Wing“, „Steve Jobs“) entwickeln. Angereichert mit einem Schuss der satirisch angespitzten Die-da-oben-und-die-da-unten-Gegenüberstellung von „Downton Abbey“. Aber Pustekuchen! „The Palace“ ist eine durch und durch generische Ensemble-Komödie, vollgestopft mit mild-skurrilen Figuren, deren in flacher TV-Optik gefilmten Episoden größtenteils im Nichts verpuffen.

    Es ist tatsächlich ein ziemlich amüsantes Bild, sich vorzustellen, wie mit Roman Polanski und seinem 85-jährigen Co-Autor Jerzy Skolimowski („EO“) zwei Großmeister des europäischen Autorenkinos zusammenhocken und sich ausdenken, wie der mit Kaviar gefütterte Mini-Hund einen besonders geruchsintensiven Haufen mitten ins Bett macht oder die korpulente Magnolia ausgerechnet dann einen Scheidenkrampf bekommt, als ihr 70 Jahre älterer Ehemann gerade unter ihr an einem Herzinfarkt verstorben ist. Leider ist es weit weniger amüsant sich anzusehen, wie sich diese Gags aus der Mottenkiste auf der Kinoleinwand entfalten (selbst wenn gerade Monty-Python-Legende John Cleese hier noch mal besonders scharmbefreit-spielfreudig zur Sache geht).

    John Cleese hat als Toter einen fantastischen Gesichtsausdruck – aber das erhebt seine Episode trotzdem nicht über den Status eines müden „Immer Ärger mit Harry“-Abklatsches.

    Es gibt zwischendrin immer mal wieder auch gelungene Momente: So sehen wir im (Röhren-)Fernseher sowohl die Rücktrittsrede des russischen Präsidenten Boris Jelzin als auch die Antrittsrede von dessen Nachfolger Vladimir Putin, der die Geschäfte nur für die kommenden drei Monate kommissarisch übernehmen soll und zudem verspricht, vor allem für den Erhalt der Meinungs- und Rede-Freiheit einzutreten – ein bitter-ironisches Zeitdokument, das Polanski durchaus geschickt und wirkungsvoll integriert. Auch das Schlussbild ist toll: Da sehen wir einem Paar beim Kopulieren zu, mit dem wir nun wahrhaftig nicht gerechnet hätten!

    Aber auch das ändert nichts daran, dass „The Palace“ insgesamt eine ziemlich Enttäuschung ist, der es auch sichtbar an Budget gemangelt hat: Einige der Außenaufnahmen des Hotels wirken wie halbfertige CGI-Montagen – und die Zimmer bzw. Festsäle erscheinen eigentlich viel zu klein und wenig exquisit für ein angebliches Luxusresort. „Intrige“ wäre ein absolut würdiger Abschied von der Weltbühne des Kinos gewesen – aber nun muss man fast schon hoffen, dass Polanski in vier Jahren (dann mit 94) eben einfach noch mal richtig einen raushaut…

    Fazit: Der vorherrschende Altherrenhumor in „The Palace“ wäre auch schon in der Silvesternacht 2000 hoffnungslos veraltet gewesen.

    Wir haben „The Palace“ beim Filmfestival Venedig 2023 gesehen, wo er außer Konkurrenz im offiziellen Programm seine Weltpremiere gefeiert hat.

     

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