Für viele ist "Training Day" zweifelsohne ein sehr guter Film. Wie man den Kritiken erkennen kann, reicht es für die meisten nicht zum Meisterwerk. Für mich schon: Wenn ein Film selbst nach den zehnten Schauen einen unglaublich fesselt, dann muss da einfach etwas dran sein. Der Film ist tatsächlich eine etwas aufgepeppte Milieustudie - und somit weder ein reiner Actionfilm, noch ein Krimi. Am ehesten wäre Drama das passende Genre, aber dafür gibt es in "Training Day" auch viel zu viel sehenswerte Prügel- und Schießszenen. Doch im Kern geht es eben darum wie man mit kriminellen Gegenden umgeht - und, noch mehr, wie Figuren in dieser kriminellen Gegend mit ihnen umgehen.
Da kommen die beiden Hauptdarsteller ins Spiel. Alonso Harris wird kongenial gespielt, er hat das entsprechende Jargon drauf, und ist unglaublich charismatisch. Aber auch ein Hitzkopf. Bei seinem Bösewicht ist "Training Day" viel komplexer als man eigentlich glauben will, was einem aber erst bei mehrmaligem Schauen auffällt, sowie, wenn ich mich recht entsinne, teils in der deutschen Synchronisation abhanden kommt. Es gibt da nämlich eine Schlüsselszene:
Nach der Eskalation im Haus von Rogers, schafft es ja der undurchsichtige Antagonist seinen Partner zu beruhigen. Er gibt aber zu dies alles schon geplant zu haben. Meiner Meinung nach hat er das aber nicht - Alonso blufft, spielt aus, schüchtert ein, und oft genug geht das auch auf. Er ist ein Hitzkopf. Draußen dann, als die anderen Polizisten kommen und Hoyt wieder zu ihm ins Auto steigen will, telefoniert Harris schon mit den Mexikanern und fragt, ob die Badewanne fertig ist. Was kommt, ist klar. Aber ich finde es einfach faszinierend wie überzeugend der Bösewicht es noch schafft einen idealistischen Monolog zu halten, obwohl er schon einen Mord plant! Selbst später, in der Konfrontation danach, will er sich noch rausreden, und das gar nicht mal unüberzeugend!
Alonso Harris ist einfach auch eine mystische Figur. Er war vielleicht wirklich mal endlos idealistisch. Oder auch nicht. Vielleicht ist er wirklich nur ein Krimineller. Dass man dieser Figur einfach nicht über den Weg trauen kann, macht ihre Faszination aus. Im Gegenzug ist Ethan Hawkes Figur Hoyt sicher weniger charismatisch, aber das Stille und Lernende, macht ja eben seinen Charakter aus, der am Ende groß wird und sein Ideal weiter verkörpert.
Auch, dass es keine wirkliche Lösung im Konflikt gibt, zeichnet den Film aus. Dazu ein toller Soundtrack, wenig umfangreiche, aber interessante Nebenrollen, sowie große Emotionen. Die Story entwickelt sich so undurchsichtig wie Alonzos Ziel - im positiven Sinne also. Mir fielen nur zwei Schwächen auf, welche ich jedoch als annehmbar ansehe: Zum einen wird die (intensive) Schrotflintenszene durch die Macht des Zufalls aufgelöst, was ein wenig billig wirkt. Zum anderen wirkt Hoyts Autosprung nach der finalen Prügelei zeitlich nicht so stimmig. Doch das sind keine wirklichen Mankos!
Fazit: "Training Day" ist ein junges Meisterwerk des Copdramas. Denzel Washington spielt einen furiosen und charismatischen Antagonisten, an dem alles im Film Gesehene hängt. Dabei ist Alonso Harris viel komplexer - und somit auch "Training Day" - als es nach dem ersten oder zweiten Schauen den Eindruck machen würde.