Könnte es bessere familiäre Voraussetzungen für eine erneute Verfilmung von H.G. Wells visionärem Roman „Die Zeitmaschine“ geben, als Urenkel Simon Wells den Stoff anzuvertrauen? Nein. Wird dadurch „Time Machine“ auch automatisch ein guter Film? Leider nicht. Zwar bietet diese launige Mischung aus Kostümfilm und Sciene-Fiction-Thriller reichlich gute Ansätze, bereitet zuweilen sogar Spaß, scheitert aber letztendlich an zu vielen Ungereimtheiten.
New York um 1900: Der begnadete junge Wissenschaftler und Erfinder Alexander Hartdegen (Guy Pearce) hat eigentlich nur seine Arbeit im Sinn. Fast. Denn der zerstreute Professor steht kurz vor der Hochzeit mit seiner Angebeteten, Emma (Sienna Guillory). Doch kurz nachdem sie seinen Antrag angenommen hat, wird sie von einem Taschendieb (Max Baker) ermordet. Außer sich vor Wut und Trauer arbeitet Hartdegen vier Jahre lang wie besessen, um seine größte Erfindung zu vollenden - die Zeitmaschine. Es gelingt ihm schließlich. Er reist in die nahe Vergangenheit zurück und will dort den Mord an Emma verhindern, aber er kann es nicht. Sie kommt trotzdem um, nur auf eine andere Art und Weise. Frustriert versucht Alexander, das Gewesene in der Zukunft zu ändern. Er wird zum Wanderer zwischen den Zeiten bis er im Jahr 3800 auf eine völlig neue Zivilisation stößt. Durch eine veränderte Evolution haben sich zwei dominierende Rassen gebildet. Die furchterregenden Morlocks, die unter der Erde leben und die naiv-friedlichen Eloi, die auf der Oberfläche versuchen zu überleben. Kurz bevor Alexander die Zeit wieder verlassen will, bekommt er mit, warum die Eloi ständig von Angst geplagt sind. Nachts fallen die brutalen Morlocks ein und verschleppen die Eloi unter die Erde. Der Wissenschaftler will herausfinden, was mit den Entführten passiert...
Die Vorlage von H.G. Wells hat auch gut 100 Jahre nach Erscheinen noch Aktualität und Brisanz. Von Zeitreisen ist die Menschheit heute noch genauso weit entfernt wie damals. So konnte Regisseur Simon Wells („Der Prinz von Ägypten“) seiner Fantasie freien Lauf lassen. Und genau das tat er auch. Im ersten Teil des Films hält er sein Remake wacker auf Kurs, präsentiert eine einigermaßen plausible Handlung - die Erfindung der Zeitmaschine muss der Zuschauer einfach mal unreflektiert als gegeben hinnehmen - und gibt seinem Helden mit dem Tod der Geliebten eine schöne Legitimation mit auf den Weg. Die besten Momente hat „Time Machine“, wenn Alexander - von Guy Pearce („L.A. Confidential“, „Memento“) ordentlich, aber ohne zu glänzen gespielt - in der Zeit unterwegs ist und die Welt im Zeitraffer an ihm vorüberrast. Auch die kurze Stippvisite im Jahr 2037 mit dem kollabierenden Mond ist optisch berauschend und der Spaßfaktor pendelt sich im annehmbaren Bereich ein.
Erst mit dem Sprung in die Welt der Morlocks und Eloi gerät Wells’ Zeitmaschine außer Kontrolle. Die Optik wechselt von brillant ins beinahe schon trashige. Schlimmer noch: Der Betrachter hat emotional keine Bindung mehr zum Geschehen. Die neuen Rassen werden ohne Vorwarnung einfach so aus dem Hut bzw. dem Aussehen der Morlocks nach aus der Mottenkiste gezaubert. Warum Alexander sein Leben riskiert, bleibt eher schleierhaft. Wahrscheinlich, weil R’n’B-Popsternchen Samantha Mumba so schöne Augen hat - viel mehr trägt sie jedenfalls nicht bei.
Nicht nur, dass der sozialkritische Aspekt, den George Pal in seiner Version von 1960 hervorragend herausgearbeitet hatte, völlig untergeht. Der letzte logische Ballast wird nun auch noch über Bord geworfen. Das Hologramm (Orlando Jones), dem Alexander im Lauf der Jahrtausende immer wieder begegnet, ist zwar eindeutig ein Aktivposten, aber wie das photonengetriebene Etwas in steinzeitartiger Umgebung funktioniert, ist rätselhaft. Ebenso rätselhaft wie die Tatsache, dass die Eloi bei Bedarf perfekt englisch sprechen, obwohl nur noch alte Straßenschilder existieren und sie ansonsten völlig ungebildet sind. Oder was für einen pseudo-intellektuellen Unsinn schwafelt eigentlich Jeremy Irons als Chef-Morlock? Ist aber auch egal, weil sich die komplette Handlung wenig später in Wohlgefallen auflöst und der Film nach gut anderthalb Stunden relativ abrupt zuende ist. Nicht ohne einen weiteren Fauxpas zu hinterlassen. Warum wurde aus der Zeitmaschine eine Mega-Bombe, die doch sehr genaue Unterschiede bei der Auswahl des zu vernichtenden Evolutionsmaterials macht?