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    I.S.S.
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    I.S.S.

    Krieg an Bord der Raumstation

    Von Jörg Brandes

    Lang ist’s her: Kaum etwas symbolisierte den Willen zu nationenübergreifender Zusammenarbeit nach dem Ende des Kalten Krieges so stark wie die Internationale Raumstation ISS. Dabei kooperieren nicht nur die USA und Russland. Das Megaprojekt im Weltraum war und ist auch offen für Angehörige anderer Staaten. Bei uns erinnern sich sicher noch viele an Alexander Gerst und seine auch in den Sozialen Medien ausgebreiteten Aufenthalte und Experimente auf der Station.

    Im November 1998 wurde das erste Bauteil der ISS in die Erdumlaufbahn gebracht. Zwei Jahre später kam die erste Langzeitbesatzung an Bord, die unter anderem auch erste wissenschaftliche Versuche durchführte. Die amerikanisch-russische Zusammenarbeit im All überlebte bis heute sogar den Beginn des Ukrainekriegs. Der russische Ausstieg aus dem Projekt ist allerdings schon angekündigt. Die US-Raumfahrtagentur NASA hat indes verlauten lassen, die Raumstation noch bis 2030 weiter im Orbit halten zu wollen. Es könnte freilich auch anders kommen. Das suggeriert zumindest Gabriela Cowperthwaites Weltraumthriller „I.S.S.“, der nicht unspannend ist, sein Potenzial aber nicht ganz ausschöpft.

    Universal Pictures
    Auf der Erde brennt es!

    NASA-Astronautin Dr. Kira Foster (Ariana DeBose) fliegt mit ihrem bereits ISS-erfahrenen Kollegen Christian Campbell (John Gallagher Jr.) zur Internationalen Raumstation. Dort werden sie von ihrem Commander Gordon Barrett (Chris Messina) und ihren russischen Pendants, der Kosmonautin Weronika Vetrov (Masha Mashkova) und den Brüdern Nicholai (Costa Ronin) und Alexej Pulov (Pilou Asbæk) erwartet. Doch bald nach der Ankunft der beiden nimmt die Besatzung Lichtblitze auf der Erde wahr, die sich schnell als nukleare Explosionen entpuppen. Offenbar ist ein Atomkrieg zwischen den USA und Russland ausgebrochen.

    Nachdem der US-Commander von seinen Vorgesetzten die Geheimbotschaft erhalten hat, die ISS um jeden Preis unter Kontrolle zu bekommen, eskalieren die Dinge auch an Bord der Station. Zumal Nicholai von der Gegenseite den gleichen Auftrag bekommen hat.

    Eine etwas übereilte Eskalation

    Zusammen mit der Novizin Kira erkunden wir zunächst die Raumstation und lernen die Verhältnisse und ein paar Besonderheiten des dortigen schwerelosen Lebens kennen. Die kleine Einführung nimmt man gern an. Zunächst erscheint alles auch noch harmonisch. Die sechsköpfige Crew singt sogar gemeinsam die Glasnost-Hymne „Winds Of Change“. Das ist ein vielleicht etwas platter Hinweis darauf, dass demnächst nicht nur an Bord ein etwas anderer Wind wehen wird. Dass sich Kiras mitgebrachte Versuchsmäuse nach kurzer Zeit in der Schwerelosigkeit gegenseitig attackiert zu haben scheinen, lässt sich ebenfalls als böses Omen deuten.

    Angesichts des scheinbar harmonischen Miteinanders wirkt es dann ein wenig unglaubhaft, wie schnell die Dinge eskalieren. Zumal die ISS außerplanmäßig dramatisch an Höhe verliert und eher das Ziehen am gleichen Strang angesagt wäre. Da hätte dem Drehbuch von Newcomer Nick Shafir etwas mehr Subtilität gut angestanden. Immerhin verlaufen die Bruchlinien nicht zwangsläufig entlang der Nationalitätengrenze. So unterminiert etwa schon die Liebelei, die sich zwischen Gordon und Weronika entwickelt hat, einfache Loyalitäten. Wer kann wem trauen? Wie hier Vertrauen in Misstrauen umschlägt und umgekehrt, wird auch ganz gut ausgespielt.

    Universal Pictures
    Kiras Zeit im All gipfelt schnell in einem Konflikt.

    Überhaupt agiert das Ensemble um Oscar-Gewinnerin Ariana DeBose („West Side Story“) ganz solide. Aber erst der besondere Schauplatz macht diesen kammerspielartigen Thriller wirklich sehenswert. Zwar gelingt es Gabriela Cowperthwaite nur bedingt, ein Gefühl der Klaustrophobie zu erzeugen. Immerhin bekommt das Publikum aber dank der ausgezeichneten Arbeit von Produktionsdesigner Geoff Wallace einen guten Eindruck von den beengten Räumlichkeiten auf der Raumstation.

    Ebenfalls eindrucksvoll ist Cowperthwaites Umgang mit der Gravitation beziehungsweise deren Fehlen an Bord der ISS. Schließlich sind unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit auch bei Auseinandersetzungen einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Umso profaner inszeniert erscheint die eine oder andere Gewalteskalation – auch wenn das Filmblut noch so langsam wie pittoresk über die Bildfläche wabert.

    Fazit: „I.S.S.“ profitiert ungemein von seinem titelgebenden Schauplatz. Aber gerade angesichts seines nicht alltäglichen Settings bleibt am Ende das Gefühl, es wäre mehr drin gewesen als nur ein ganz solider Thriller. Dennoch sehenswert.

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