Mark Steven Johnsons Comic-Actioner „Ghost Rider“ ist eine leise Überraschung. Die vorab veröffentlichten Bilder und Filmausschnitte ließen schon Böses befürchten und dann fuhr der Verleih Sony Pictures noch eine sehr restriktive Politik gegenüber der Fachpresse. So fanden in den USA die Pressevorführungen erst am Abend vor dem Kinostart statt (womit Kritiken vor Start faktisch ausgeschlossen waren) und in Deutschland wurde die Journaille nur sehr selektiv zu entsprechenden Screenings eingeladen. Allgemein ein sehr schlechtes Zeichen. Da hatte man sich schon im Kopf die Argumente zurecht gelegt, warum eine Real-Verfilmung der kultigen Rider-Comics nicht unbedingt eine gute Idee war und welche Fehler wohl begangen worden sein könnten. Doch das angekündigte Debakel bleibt überraschenderweise aus. Wider allen Erwartungen wurde „Ghost Rider“ tatsächlich ein solider, teils launiger No-Brainer…
Um seinem krebskranken Vater Barton (Brett Cullen) das Leben zu retten, geht der junge Draufgänger Johnny Blaze (Matt Long) einen unheilvollen Pakt mit Mephistopheles (Peter Fonda), dem Teufel höchstselbst, ein und verkauft ihm seine Seele. Jahre später: Johnny (Nicolas Cage) hat sein altes Leben – und seine Jugendliebe Roxanne (jung: Raquel Alessi, alt: Eva Mendes) – längst hinter sich gelassen und verdient sein Geld als waghalsiger Motorrad-Stuntfahrer. Unfähig zu sterben, ist ihm dabei kein Stunt gefährlich genug. Als Blackheart (Wes Bentley), der Sohn des Teufels, auf der Suche nach dem Vertrag von San Verganza, der ihm die Kontrolle über 1000 böse Seelen gewähren würde, die Welt der Menschen unsicher macht, fordert Mephistopheles von Johnny seine Schuld ein. Johnny wird zum Ghost Rider, dem Kopfgeldjäger des Teufels, der des Nachts als feuriger Rider auf seinem Hellcycle Jagd auf Dämonen und Sünder macht. Der Deal: Wenn es Johnny gelingt, Blackheart zurück in die Hölle zu schicken, erhält er seine Seele zurück. Unterstützung erhält er dabei vom Caretaker (Sam Elliott), der dem Rider mit Rat und Tat zur Seite steht…
In den 70er Jahren feierten Comics mit Horror-Elementen und mystisch-religiösen Versatzstücken große Erfolge. In diese Zeit fällt auch die Entwicklung des Ghost Riders. Zunächst hatte dieser von Mike Friedrich und David Ploog geschaffene Charakter wiederkehrende Auftritte in den populären Sammelbändern Marvel Spotlights, bis er dann (zunächst) von 1973 bis 1983 eine eigene Comic-Serie bekam. Ein Relaunch erfolgte von 1990 bis 1998, allerdings wurde hier Johnny Blaze durch Daniel Ketch als Rider abgelöst. Soviel zur allgemeinen Historie. Charakteristisch für die Rider-Comics war seit jeher die Kombination aus Horror- und Western-Elementen. Und nun die erste gute Nachricht: Regisseur Mark Steven Johnson (Daredevil) ist der Transfer dieses Grundszenarios vom Comic auf die Leinwand ausgezeichnet gelungen. Atmosphärisch kann „Ghost Rider“ durchaus punkten, wozu der Score von Christopher Young (Schiffmeldungen, Passwort: Swordfish) sicherlich auch seinen Teil beiträgt.
Einen eher durchwachsenen Eindruck hinterlassen die Spezialeffekte. Während die Dämonen und das übrige Gesocks entfernt an Constantine erinnern und durchweg als grundsolide, ehrliche Arbeit zu bezeichnen sind, so kann sich der Rider selbst dieses Prädikat nicht verdienen. Wer sich beim Anblick dessen Schädels ein wenig an Großmutters Porzellansammlung erinnert fühlt, dürfte mit diesem Eindruck nicht ganz alleine da stehen. Der Rider wirkt zu glatt, trotz der lodernden Flammen nicht diabolisch genug und ist gemessen am Stand des technisch Möglichen auf dem Stand von vor zehn Jahren. Für eine Produktion mit einem Budget von 120 Millionen Dollar schlicht nicht ausreichend. Da kann auch das Argument des bewussten Stilmittels nicht herangezogen werden. Vor allem, da die Macher an anderer Stelle bewiesen haben, dass sie es besser können.
Ebenfalls grenzwertig ist die Dramaturgie von „Ghost Rider“. Es müssen nicht immer die epischen Materialschlachten der X- und Spider-Männer sein. Aber dass der gute Rider mit seinen Widersachern derart kurzen Prozess macht (mitunter nur wenige Sekunden und der Dämon ist hin), ist der Sache dann auch nicht förderlich. Zumal es bei genauerer Betrachtung im Film lediglich vier echte Kämpfe gibt. Da hätte es dann ruhig ein wenig mehr sein dürfen. Darüber hinaus ist das Drehbuch (ebenfalls von Mark Steven Johnson) teils unheimlich dumm. In einer Szene bricht Johnny aus dem Gefängnis aus (und mischt dabei nicht nur das halbe Polizeirevier auf), aber seine Wohnung bleibt nach wie vor das Haus der offenen Tür für alles und jeden. Und auch mit dem Story-Twist um den Caretaker („Ich hatte nur noch die Kraft, mit ein einziges Mal zu verwandeln…“) qualifiziert sich Johnson nicht gerade für höhere Aufgaben.
Das beste Argument für „Ghost Rider“ ist Nicolas Cage. Er holt die Kohlen aus dem (Höllen-) Feuer. Der Oscar-Preisträger (Leaving Las Vegas) ist bekennender Comic-Freund und hatte bei den Dreharbeiten offensichtlich einen Heidenspaß. Was sich wie eine hohle Phrase anhört, trifft in diesem konkreten Fall tatsächlich zu. Cage lebt seine Comic-Passion offen aus. So hat er seinen zweiten Sohn tatsächlich Kal-El genannt (nach den Superman-Comics) und seinem 15-jährigen Sohn Weston dabei geholfen, sein eigenes Comic mit dem Titel „Enigma“ beim US-Label Virgin zu veröffentlichen (Cage ist damit offiziell der coolste Dad der Welt!). Um wem das immer noch nicht genug ist: Cage hat tatsächlich eine „Ghost Rider“-Tätowierung, die für die Dreharbeiten jedoch überschminkt werden musste. Er gibt seinen Johnny Blaue mit der für den Charakter notwendigen Ironie und nimmt die Rolle mit einem Augenzwinkern. Ohne Cage hätte das Projekt „Ghost Rider“ kolossal in die Hose gehen können. Ist es aber nicht. Eva Mendes (Hitch, Training Day) sieht gut aus und erfüllt ihren Zweck und Wes Bentley (grandios in American Beauty und danach derbe abgestürzt) darf auch einmal wieder in einer halbwegs bedeutsamen Filmproduktion mitwirken.
Das Folgende macht den Film zwar nicht unbedingt besser, ist jedoch charmant und bringt Punkte in der B-Note: Dass der alte Easy Rider-Haudegen Peter Fonda den Teufel in „Ghost Rider“ gibt, ist ein netter Gag am Rande. Und dass das Hellcycle obendrein ein modernes Replikat von Fondas Motorrad in eben jenem „Easy Rider“ ist, darf ebenfalls als gelungene Hommage bezeichnet werden. Aber nennen wir das Kind beim Namen: „Ghost Rider“ ist – und das ist positiv gemeint – ein absoluter Durchschnittsfilm mit einer leichten Tendenz nach oben. Unter dem Strich wird soviel richtig wie falsch gemacht. Und zu erwarten war dies nach den ersten Impressionen in der Form nun wirklich nicht. Der Rider ist der Film geworden, der er wohl auch sein wollte: Ein zwar stumpfsinniger und reichlich hohler, dafür aber auch ungeheuer atmosphärischer Actionfilm in Reinkultur. Also Sony, aufgepasst: Habt einfach ein wenig mehr Vertrauen in Eure eigenen Produkte. Denn verstecken muss sich dieser Rider nicht...