A Star Wars Toy Story
Von Sidney ScheringObwohl sich das Animations-Abenteuer „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ als nicht nur technisch beeindruckender Nachklapp zur Spielzeugsaga erwies, war bei vielen Pixar-Fand doch eine gewisse Ermüdung festzustellen: Schließlich hat das seit einigen Jahren zum Disney-Konzern gehörende Studio zwischen 2016 und 2019 nur einen einzigen Originalfilm, aber dafür gleich vier Fortsetzungen herausgebracht. Im Hause Pixar schien man diese Ermattung vorab erwartet zu haben: Produzent Mark Nielsen versprach noch während der Promo-Tour zum vierten „Toy Story“-Film, dass das Studio in absehbarer Zeit keine Sequels mehr produzieren wird. Nielsen hat seine Worte allerdings mit Bedacht gewählt – dass Pixar bereits jetzt, drei Jahre und vier Original-Produktionen („Onward“, „Soul“, „Luca“, „Rot“) später, einmal mehr einen Film über Buzz Lightyear veröffentlicht, ist nämlich kein Wortbruch, jedenfalls nicht so richtig.
„Lightyear“ ist schließlich kein Sequel, sondern ein metafiktionales Prequel: Das Sci-Fi-Abenteuer, das wir nun auf der Leinwand sehen, ist innerhalb des „Toy Story“-Universum ebenfalls ein Blockbuster, der zu einem ähnlichen popkulturellen Phänomen wurde wie bei uns „Star Wars“. Der Film ist also der Grund, warum das Buzz-Spielzeug, das sich Andy in „Toy Story“ so sehnlichst wünscht, überhaupt erst hergestellt wurde. Das klingt im ersten Moment nach einer eher fadenscheinigen Ausrede, damit das Studio auch ohne direkte Fortsetzung in seine Komfortzone zurückkehren kann. Aber Regisseur Angus MacLane macht diese Verkrampfung bereits nach wenigen Filmminuten vergessen. Die Schwächen von „Lightyear“ liegen ganz woanders...
Buzz muss in "Lightyear" - noch einmal - lernen, dass er nicht alles allein meistern kann (oder muss).
Buzz Lightyear (Stimme im Original: Chris Evans / deutsche Stimme: Tom Wlaschiha) ist Teil einer von Kommandantin Alisha Hawthorne (Uzo Aduba) geleiteten Weltraummission. Während der Rückreise erhält das von Buzz gesteuerte Raumschiff allerdings das Signal, dass sich in der Nähe ein bislang noch unerforschter Planet befindet. Kurzerhand beschließt Buzz, einen Abstecher zu wagen. Doch das unbekannte Gestirn erweist sich als gefährlich – und zu allem Übel endet Buzz' hastiger Fluchtversuch auch noch in eine Bruchlandung.
Nun sitzt die komplette Crew fest. Und weil Buzz von heftigen Schuldgefühlen geplagt wird, meldet er sich freiwillig für ein riskantes Experiment, dass eine baldige Heimkehr ermöglichen könnte. Stattdessen sorgt es allerdings nur dafür, dass Buzz den Draht zu seiner Crew verliert...
Was als erstes ins Auge sticht: „Lightyear“ unterstreicht doppelt und dreifach, wie sehr sich die Computeranimation – vor allem bei Pixar – seit 1995 weiterentwickelt hat. Zwischen „Lightyear“ und seiner Inspiration „Toy Story“ liegen, pardon, Lichtjahre! Die Mimik und Gestik der Figuren ist deutlich feiner und ausdrucksstärker; was sich hinsichtlich Lichtsetzung und Texturen getan hat, ist geradezu sensationell. Nun gut: Dass sich das Medium enorm gewandelt hat, ist keine Neuigkeit. Aber auch im Vergleich zu anderen aktuellen Genre-Beiträgen ist es bemerkenswert, wie glaubhaft-verlebt die Welt von „Lightyear“ aussieht. Seien es die Wände von Raumschiffen oder Gebäuden, die Außenseiten der Raumanzüge oder sonstiger technischer Schnickschnack: Alles in „Lightyear“ ist zerkratzt, verstaubt, eingedellt oder sonst wie abgegriffen.
Das verleiht der Filmwelt eine Haptik, neben der selbst diverse Big-Budget-Realfilme blank und blass aussehen. Das Produktionsdesign verstärkt dieses Gefühl, da sich MacLane und sein Team stark an der ursprünglichen „Star Wars“-Trilogie und anderen Science-Fiction-Filmen jener Ära orientieren. Die Technologie, mit der Buzz' Arbeitgeber Star Command hantiert, hat also eine klobige, charmant-unhandliche Ästhetik. Jedoch übertreibt es das „Lightyear“-Team mit seinen „Star Wars“-Anleihen, so dass der visuellen Komponente des Films auf Dauer die Eigenständigkeit abhandenkommt. In Kombination damit, dass sich das 105-minütige Weltallspektakel größtenteils an sehr ähnlich gestalteten Orten abspielt, schleicht sich so trotz der tricktechnischen Perfektion gen Ende eine gewisse visuelle Monotonie ein.
Wir prognostizieren, dass sich Roboter-Katze Sox auch im kommenden Weihnachtsgeschäft zu einem echten Hit entwickeln wird.
Ähnlich verhält es sich mit der Geschichte: MacLane und Jason Headley („Onward: Keine halben Sachen“) telegrafieren in ihrem gemeinsam verfassten Drehbuch sehr früh voraus, was die Schlusserkenntnis der Story sein wird. Buzz' Umfeld lernt schnell, sich an die Situation anzupassen, während es bei ihm dauert, bis er sich weniger verbissen zeigt. Statt den narrativen Fokus darauf zu legen, weshalb es Buzz anders ergeht, wie er sich daher zunehmend mit Star Command aufreibt, und was nötig ist, damit Buzz sich selbst vergeben kann, erzählen sie „Lightyear“ lange als klassische Heldengeschichte: Buzz will stur eine Lösung finden, mit der er die anfängliche Mission beenden kann, und seine diversen deshalb gewagten Eskapaden, Heldentaten und Wagnisse werden als Weltall-Action inszeniert, mit der wir mitfiebern sollen.
Das dürfte aufgrund des straffen Erzähltempos und der diversen spaßigen Gadgets zumindest das jüngere Publikum bei Stange halten. Wer aber reif genug ist, um schon nach wenigen Filmminuten zu erkennen, dass Buzz' Sturheit das wahre Problem ist, wird somit in die den Enthusiasmus ausbremsende Position gedrängt, fast schon gegen den Helden zu fiebern. Um solch eine Diskrepanz zwischen dem, was der Held will, und dem, was er wirklich bräuchte, dramaturgisch befriedigend zu erörtern, ist „Lightyear“ erzählerisch zu simpel. Ein Jammer, schließlich hat Pixar mit „Die Monster Uni“ doch bereits vorgemacht, wie clever man seinen Helden den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Auch von Pixars immer wieder bewiesenem Können, komplexe Geschichten mit nuanciert geschriebenen Figuren zu stemmen, bleiben in „Lightyear“ nur Spurenelemente über.
Stattdessen präsentiert sich „Lightyear“ als reines Sci-Fi-Unterhaltungskino, das seine wenigen emotionalen Augenblicke ähnlich klobig angeht wie Star Command seine Designfragen. Daher fallen sowohl einige ruhigere Charaktermomente als auch mehrere überraschend gemeinte Plot-Entwicklungen enttäuschend flach aus. Auf die komödiantischen Aspekte des Films hat das aber keinen negativen Einfluss: Der Roboter-Kater Sox, der damit beauftragt wurde, Buzz emotionalen Beistand zu liefern, aber auch mit Cleverness und Schlagfertigkeit punktet, ist ein wahrer Szenendieb (und dürfte dieses Jahr auf verdammt vielen Wunschzetteln landen – nicht nur von Kindern).
Mit der später auftauchenden Heldin Izzy (Keke Palmer), die total quierlig ist, aber sich als Astronautin ausgerechnet vor dem All fürchtet, liefert sich Buzz ebenfalls amüsante Wortgefechte voller zündender Running Gags mitsamt pointierten Slapstick-Missgeschicken. Dass das hibbelige „Toy Story“-Spielkind Andy „Lightyear“ zu seinem absoluten Lieblingsfilm ernannt hat, ist deshalb auch absolut glaubwürdig. Aber auch das macht „Lightyear“ nicht zu einem Kandidaten für einen Sonnenplatz im Pantheon der Pixar Animation Studios.
Fazit: Eine beeindruckend-verbeulte, wenngleich auf Dauer etwas monotone Optik sowie eine amüsante Figurentruppe machen „Lightyear“ zu einem ansehnlichen Weltall-Actionspaß. Erzählerisch zeigen sich die Pixar Animation Studios dagegen von ihrer wenig ambitionierten Seite.