Auf Anhieb fallen einem sicherlich mehrere Kandidaten ein, die den blinden Rechtsanwalt Matt Murdock aus der schlimmsten Gegend New York Citys überzeugend hätten portraitieren können. Andererseits gibt es zahlreiche Actionhelden, die auf athletische Verbrechensbekämpfer wie den Daredevil festgelegt sind. Comicverfilmungen stehen und fallen stehts mit der Überzeugungskraft beider Seiten der Medaille. Die Actionsequenzen können noch so überzeugend, das Tempo noch so atemberaubend sein, wenn das nicht gelingt, gelingt auch der Streifen nicht. „Daredevil“ hinterlässt in diesem Zusammenhang ein zwiespältiges Gefühl.
Die Gemeinde derer, die den Teufelskerl von Hell’s Kitchen hierzulande überhaupt kennen, ist überschaubar. Doch wie es so häufig ist: Kleine Gemeinden sind verschworen und radikaler. Der Film musste daher auch viel Prüfel beziehen, zum Teil nicht zu unrecht.
Auch Daredevil ist, ähnlich wie Batman, allein durch sein Sinnen nach Rache motiviert. Ein Getriebener, der als Vigilant seine eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit vertritt und der da einspringt, wo er das Justizsystem scheitern sieht. Es ziehmt sich nicht, diese zum Dogma erhobene Selbstlegitimation der Superhelden zu hinterfragen und so hält sich auch Johnson keineswegs damit auf. Insgesamt ist die Charkterisierung seiner Figuren ein bisschen zu sehr im Ansatz stecken geblieben. Erklärt wird etwas nicht da, wo es der Story und dem Verständnis des Zuschauers dienen könnte, sondern oftmals da, wo es dem Plot gerade passt. Man bedient sich natürlich auch gerne beim Genre-Primus „Spider-Man“ am auffälligsten natürlich indem man einen Schritt wiederholt, den Frank Miller 1980 tat und sich den King Pin „ausleiht“, welcher seinen ersten Auftritt in „The Amazing Spider-Man“ hatte. Auch die Szene in der der Held der Glasscherben-Attacke Bullseys ausweicht, kommt einem irgendwie bekannt vor.
Die Religiösität Murdocks und seine körperliche Behinderung sind etwas, das ihn von anderen Superhelden unterscheiden. Mit erster schießt man allerdings deutlich übers Ziel hinaus, wenn der Teufel in einer Kirche Bullseye besiegt und dieser mit den Wundmalen Christi in beiden Händen in den (scheinbaren!) Tod stürzt. Das ist bei weitem nicht so eindeutig, wie die Macher es vielleicht dachten.
Daredevils Blinheit ist gleichzeitig Ursprung seiner Kräfte und andererseits sind seine Supersinne ebenso seine größte Schwäche. Diese Ambivalenz funktioniert im Film über weite Strecken ziemlich gut und macht dem Zuschauer Daredevil zugänglich, wohingegen ein zum Rotschopf gefärbter Ben Affleck dem Drehbuch wenig neue Aspekte abgewinnen kann. Durchaus zu überzeugen weiß auch Colin Farrell, der hier das erste Mal in einem amerikanischen Film seinen irischen Akzent auspacken durfte. Glücklicherweise wurde die ursprüngliche Idee, die Rollen Afflecks und Farrells von dem jeweils anderen Schauspieler darstellen zu lassen, nciht weiter verfolgt. Die Konstellation funktioniert so durchaus gut, denn auf lange Sicht halte ich Affleck für den besseren Akteur und dass Farrell Murdock/Daredevil überzeugender hätte verkörpern können, ist für mich wenig wahrscheinlich. Jennifer Garner ist wie gewohnt schön anzusehen und allzuviel hat sie auch kaum zu tun, obwohl ihre Figur deutlich mehr hergegeben hätte. Was Michael Clarke Duncan betrifft, so versucht er Colin Farrells teuflischer Freude am Verbrechen den kühlen Geschäftssinn eines Gangsterbosses entgegenzustellen, dem nicht das autogene Bedürfnis zu Mord und Todschlag innewohnt, sondern der vielmehr zwielichtige Methoden als opportun empfindet, um seine Ziele zu erreichen. Eben dies tut er auchohne größere Ausfälle.
Die Actionsequenzen bewegen sich allesamt auf einem hohen Niveau, das man von einem hochbudgetierten Film wie diesem auch erwartet. Vielleicht hätte man aber ab und an weniger Zeit auf computeranimierte Ratten verwenden sollen und dafür dem Motion-Capturing etwas mehr Aufmerksamkeit widmen sollen. Gerade im Kirchenfight zwischen Bullseye und Daredevil erscheint die Akrobatik der Kontrahenten doch teilweise etwas zu künstlich. Die Darstellung der „Schattenwelt“ dahingegen ist über jeden Zweifel erhaben und überzeugt auf der ganzen Linie.
Affleck selber ist ein großer Comic-Fan, der selber schon ein Vorwort zu einem Daredevil-Comic verfasst hat. Zusätzlich wird das Projekt neben dem obligatorischen Comeo von Stan Lee zusätzlich noch durch die Auftritte von Frank Miller und Kevin Smith geadelt, die alle drei dem „Mann ohne Furcht“ ihren Stempel aufgedrückt haben.
Alles in Allem erscheint „Daredevil“ in vielerlei Hinsicht aber mehr wie ein TV-Pilot denn als ein Kinofilm. Zu viele Dinge werden nur angeschnitten, zu viele Fragen hinsichtlich der Figuren nicht beantwortet. Der Film hält sich alle Wege offen, weder für Bullseys, noch für Elektra und den King Pin präsentiert man ein definitives Ende. Und dass der Kampf gegen das Verbrechen ohnehin nie ein Ende findet, ist ohnehin klar.
Meisterwerke der Comic-Action wie die ersten beiden X-Men-Filme oder Spider-Man und dessen Fortsetzungen, lassen „Daredevil“ natürlich deutlich hinter sich, aber nichtsdestotrotz handelt es sich hier um einen leidlich spannenden Streifzug durch die Welt einer Comic-Ikone, die Raum für noch mehr Geschichten lassen würde. Mich würde es nicht stören noch mehr von „Daredevil“ zu sehen.