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    Prey
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Prey

    Ein Predator-Prequel für alle außer Vegetarier

    Von Christoph Petersen

    Vor der Covid-Pandemie war es meist ein schlechtes Zeichen, wenn ein potenzieller Kinofilm zu einem Streaming-Service „abgeschoben“ wurde. Aber inzwischen leben wir in einer anderen Welt und so generell lässt sich das längst nicht mehr behaupten. Trotzdem ist es ein Stück weit verständlich, dass die Disney-Verantwortlichen das „Predator“-Prequel „Prey“ nun nicht auf der großen Leinwand, sondern direkt auf HULU in den USA bzw. Disney+ in Deutschland veröffentlichen – und zwar mit einem Titel, in dem das Wort „Predator“ nicht mal vorkommt. Schließlich hätte die Marketing-Abteilung ansonsten vor der Mammutaufgabe gestanden, ein vermeintlich unauflösbares Zielgruppenproblem zu lösen: Wie viele Fans von John McTiernans Muskelmann-Kultfilm von 1987 hätten wohl Interesse an einem Actionstreifen mit einer Teenie-Protagonistin? Und wie viele Fans von Filmen über starke junge Frauen würden Eintritt zahlen, um sich ausgerechnet die Vorgeschichte einer testosterontriefenden Arnold-Schwarzenegger-Schlachtplatte anzusehen?

    Sicherlich gibt es da eine Schnittmenge, doch die dürfte eher überschaubar sein. Aber zum Glück ist es ja auch gar nicht unsere Aufgabe, Disneys Marketing-Herausforderungen zu meistern – stattdessen geht es hier nur darum, ob „10 Cloverfield Lane“-Regisseur Dan Trachtenberg nun anständig abliefert oder nicht: „Prey“ braucht seine Zeit, um in die Gänge zu kommen. Aber während man in der ersten halben Stunde noch die Befürchtung haben muss, dass das „Predator“-Franchise hier für einen fast schon familientauglichen Abenteuerfilm zweckentfremdet wurde, fließt im weiteren Verlauf dann doch noch sehr reichlich rotes und neongrünes Blut. „Prey“ ist also sehr wohl etwas für Achtziger-Action-Aficionados – genauso wie für Fans von „Die Tribute von Panem“ & Co., die auch vor einer extra Portion Gewalt nicht zurückschrecken. Nur Vegetarier*innen sollten sich gut überlegen, ob sie nicht vielleicht doch besser einen möglichst weiten Bogen um „Prey“ machen…

    Das größte Plus von „Prey“ ist Hauptdarstellerin Amber Midthunder als Naru.

    „Prey“ spielt zu Beginn des 18. Jahrhunderts, also mehr als 300 Jahre vor den Geschehnissen aus „Predator“: Die Komantschin Naru (Amber Midthunder) will eine Kriegerin werden. Aber den dafür nötigen Initiationsritus trauen ihr die männlichen Mitglieder ihres Stammes einfach nicht zu. Unterdessen soll ihr Bruder Taabe (Dakota Beavers) zum neuen Anführer gekürt werden. Vorher muss er allerdings noch eine tödliche Gefahr zur Strecke bringen. Wie sich auf der Jagd herausstellt, handelt es sich bei der mörderischen Kreatur jedoch keinesfalls nur um einen wildgewordenen Bären oder einen angriffslustigen Berglöwen, sondern um die wohl ausgereifteste Killermaschine der Galaxis: Ein Predator (Dane DiLiegro) ist mit seinem Raumschiff auf dem amerikanischen Kontinent gelandet, um im Duell gegen den stärksten Krieger oder die stärkste Kriegerin des Planeten zu bestehen – und so seinen Status als Apex-Predator des gesamten Universums zu untermauern…

    Naru ist schlauer und besser als alle anderen – und das weiß sie genauso wie das Publikum. Eine vor allem zeitgemäße Charakterisierung, die letztendlich aber kaum weniger eindimensional ist wie die des zigarrenverschlingenden Riesenwummen-Bodybuilders Dutch (Arnold Schwarzenegger). Der Junge-Frau-muss-sich-in-einer-Männerdomäne-behaupten-Plot wird ohnehin eher pflichtbewusst mit abgehandelt. Was in einem „Predator“-Film wirklich zählt, ist schließlich das, was im Duell der Apex-Anwärter*innen abgeliefert wird – und genau da kann Amber Midthunder („Roswell, New Mexico“) wirklich glänzen: Noch mehr als bei Jennifer Lawrence in den „Panem“-Filmen nimmt man ihr die körperlichen und schnelldenkerischen Fähigkeiten ihrer Figur jederzeit ab – eine Kickass-Heldin, bei der das „Kickass“ nicht wie oft bloße, vor allem durch schnelle Schnitte herbeigeschummelte Behauptung bleibt.

    Fans der „Predator“-Filme wissen, dass die drei rot leuchtenden Punkt selten ein gutes Zeichen sind...

    „Prey“ sieht für einen „Predator“-Film zwar etwas arg glatt-hochglänzend aus – aber das hält Dan Trachtenberg und seinen Chef-Kameramann Jeff Cutter („JEMAND ist in deinem Haus“) nicht davon ab, sich ausgiebig an den Naturkulissen ihres historischen Sci-Fi-Actioners zu berauschen. So kommt man auch als Zuschauer*in gut durch die erste halbe Stunde, bevor dann langsam die Gore-Schraube angezogen wird – wobei zunächst vor allem allerlei Tiere dran glauben müssen. Der Drehbuchautor Patrick Aison („Jack Ryan“) spielt dabei immer wieder augenzwinkernd mit dem Gedanken, dass ein Apex-Predator unangefochten an der Spitze der Nahrungskette steht – etwa wenn eine Ameise von einer Ratte verspeist wird, die dann direkt von einer Schlange attackiert wird, bevor das fauchende Reptil vom Predator mit zwei präzisen Klingenhieben gehäutet wird. In dieser Szene sieht man den finalen Kill zwar nur schemenhaft durch den Unsichtbarkeits-Umhang des Aliens hindurch, aber später gibt es auch noch eine ganze Prärie voll gehäuteter Rinder – mal ganz zu schweigen von dem blutigen Schicksal, dass der wutrauschende, leider nicht allzu überzeugend animierte Braunbär erleiden muss.

    Ob es dann tatsächlich eine Steigerung ist, wenn schließlich noch eine Gruppe französischer Arschloch-Kolonialisten als Frischfleisch-Nachschub auftaucht, ist wahrscheinlich eine Frage der persönlichen Einstellung: Vielen Zuschauer*innen geht gerade im filmischen Kontext Gewalt gegen Tiere ja noch näher als Gewalt gegen Menschen (weil man das eben auch viel mehr gewöhnt ist). Auf jeden Fall darf der Predator sich hier mit seinen Technik-Gimmicks voll austoben, dass die Gliedmaßen nur so fliegen und die Körper nur so zerfetzen. Aber das hat er sich auch verdient, denn wie schon im direkten Vorgänger „Predator: Upgrade“ kommt der außerirdische Besucher ansonsten auch diesmal wieder etwas zu kurz (zumal er im Finale nicht mal zu wissen scheint, wie seine eigene Laser-Ziel-Mechanik funktioniert, was ihn weniger zu einem Apex-Predator als zu einer intergalaktischen Dummbratze macht).

    Fazit: Ein immer unterhaltsamer Sci-Fi-Actioner mit einer sehr starken Hauptdarstellerin und einigen CGI-Schwächen, der nach einem etwas lauen Auftakt in der zweiten Hälfte doch noch reihenweise jene Gewaltspitzen liefert, die man sich von einem R-Rated-„Predator“-Prequel auch erwarten würde.

    Spoiler-PS: Ob man das „Predator“-Original noch mit denselben Augen sieht, wenn Arnold Schwarzenegger nun gegen einen außerirdischen Apex-Predator antritt, der mehr als 300 Jahre zuvor auch schon mal von einer Teenagerin ohne Muskelmassen und Megawummen plattgemacht wurde? Mal ganz zu schweigen von Arthouse-Charakterkopf Adrian Brody, der es in „The Predator“ sogar erfolgreich mit einem noch stärkeren Berserker-Predator aufgenommen hat…

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