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    Zeros And Ones
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Zeros And Ones

    Tatsächlich eine ziemliche Nullnummer

    Von Teresa Vena

    Abel Ferrara („Bad Lieutenant“) war schon immer ein Mann der Unterwelt. Seit dem Beginn seiner Karriere in den 1970er Jahren macht er vor allem Filme, die ungeschönt Akteur*innen und Dynamiken des halblegalen Sex- und Drogengeschäfts zum Thema haben. Viele der Werke fühlen sich an wie ein Rausch, in den sich – die Protagonist*innen wie der Regisseur gleichermaßen – hineinzusteigern scheinen. Seit 20 Jahren lebt Ferrara nun im selbstgewählten Exil in Rom. Auch hier dreht der inzwischen 70-Jährige weiter Filme wie zuletzt den alpraumhaften „Siberia“, in denen er wie im Fieberwahn seinen rastlosen Geist durch die Dunkelheit peitscht.

    Nachdem in „Tommaso und der Tanz der Geister“ zuletzt noch Willem Dafoe das Alter-Ego des Regisseurs verkörpert hat, übernimmt in „Zeros And Ones“ nun Ethan Hawke diese Rolle. Der Schauplatz bleibt aber Rom, wo während des Corona-Lockdowns gedreht wurde, weshalb in den menschenleeren Straßen ohne großen Aufwand jene apokalyptische Stimmung erzeugt werden konnte, die nun im Zentrum des aus impressionistischen Bilderfolgen zusammengesetzten Films steht. Darüber hinaus können allerdings weder die mit amerikanischem Patriotismus getränkte Handlung, die Figurenzeichnung noch das ins Extrem getriebene visuelle Konzept überzeugen.

    Ethan Hawke spielt zwei Rollen - und beide spiegeln verschiedene Seiten von Regisseur Abel Ferrara persönlich wider.

    Was sich aus dem Film selbst an Handlung herauslesen lässt, ist dabei weit weniger eindeutig, als in den verschiedenen verfügbaren Inhaltsbeschreibungen suggeriert wird. Einigermaßen sicher ist, dass als Hauptfigur ein US-amerikanischer Elite-Soldat namens JJ (Ethan Hawke) fungiert, der in Rom bevorstehende oder bereits geschehene Terroranschläge verhindern beziehungsweise aufklären soll. Über eine Kamera dokumentiert er seine Sondierungsrunden, die Bilder übermittelt er digital an einen Kontakt, der irgendetwas damit anstellt. Was genau, wird allerdings nie so recht klar.

    JJ hat zudem einen Bruder (ebenfalls Ethan Hawke), der als „Revolutionär“ gilt und von dem seine Vorgesetzten glauben, dass er Teil einer Terrorzelle sei. JJ will ihn finden und wendet sich dafür an seine Schwägerin (Valeria Correale). Schließlich kommen noch ein arabischer Boxer, den die Truppe um JJ brutal mit Waterboarding-Methoden verhört, sowie zwei russische Schwestern (Dounia Sichov und Ferraras Ehefrau Cristina Chiriac), die JJ verführen und den Akt auf seiner eigenen Kamera aufnehmen, um ihn bei seinen Leuten als Verräter hinzustellen, mit ins Spiel. So wird JJ vom Jäger zum Gejagten und verschwindet selbst in der Dunkelheit der Nacht…

    Aus der Dunkelheit heraus

    „Zeros And Ones“ ist ein Film, den man – wenn überhaupt – einfach auf der großen Leinwand sehen muss. Auf einem herkömmlichen TV-Bildschirm wird nämlich endgültig nichts mehr zu erkennen sein. Gefühlte 90 Prozent der Spielzeit ist das Bild in tiefes Schwarz getaucht oder zumindest dermaßen dunkel, dass nur ab und zu schemenhaft Bewegungen auszumachen sind. Bei den nervös-spontanen Handkameraaufnahmen wurde offenbar komplett auf zusätzliche Beleuchtung verzichtet. Vermutlich sollen sie etwas Unmittelbares widerspiegeln, den bedrohlichen Charakter der Situation unterstreichen und das Umfeld dreckig und gleichzeitig geheimnisvoll erscheinen lassen. Aber das ist halt schwierig, wenn man gar nichts erkennt.

    Etwas heller, in selektive Lichtkegel getaucht, sind die Bilder, die von den Aufnahmen des Protagonisten stammen und seine Perspektive auf die Ereignisse zeigen sollen. Doch selbst dann sieht man meist nur leere Straßenränder oder Gestrüpp, so dass hier inhaltlich kein großer Mehrwert entsteht und das Motiv der zusätzlichen Kamera auf der Ebene eines rein formalen Experiments stecken bleibt. Die Form steht in der Wahrnehmung des Films unbestritten im Vordergrund. Richtig zu überzeugen vermag sie aber trotzdem nicht. Sie bietet nichts Neues, wirkt vielmehr uninspiriert und nachlässig. Die suggestive Wirkung bleibt aus und weicht dem Gefühl von prätentiösem Kunstgewerbe.

    Corona = leere Straßen = Gähn

    Wenn man dann auf der Leinwand tatsächlich mal etwas zu sehen bekommt, ändert sich an diesem grundsätzlichen Eindruck nichts. Die Welt ist dem Untergang geweiht und ihre einzige Chance zur Rettung liegt in den Händen eines einzelnen US-amerikanischen Soldaten. Einmal mehr inszeniert Ferrara die vermeintliche Überlegenheit und damit Legitimierung der militärischen Macht der USA. Wirr und äußerst naiv ist auch seine Vorstellung von Idealismus, die er in der Figur des „revolutionären“ Bruders entfaltet. Mit seinen Frauenfiguren geht er ähnlich schematisch um: Sie sind entweder Mutter, Femmes fatales oder Prostituierte, immer bereit, sich dem Mann hinzugeben, ohne sonst zum Geschehen an erster Front beizutragen.

    Der Bezug, den „Zeros And Ones“ zu Corona zieht, könnte kaum banaler sein. Abgesehen davon, dass der Film einen völlig verwaisten Vatikan, was aber gerade nachts auch in pandemiefreien Zeiten keine Seltenheit sein dürfte, beschränken sich die Anspielungen auf das Händewaschen, Desinfizieren und das Tragen einer Maske. Kurios und ein einsamer ironischer Einschlag ist die Szene, in der JJ zur Schwägerin kommt, sich extra eine neue Maske anlegt und dann die Frau, die für die Begegnung ebenfalls eine Maske trägt, auf den Mund küsst.

    Fazit: Abel Ferrara produziert auch mit 70 weiter Filme am laufenden Band, als wäre der Teufel hinter ihm her. Diese Hast zeigt sich auch in „Zeros And Ones“, dem es an Dichte, Substanz und Kohärenz fehlt. Selbst Ethan Hawke wirkt als sein doppeltes Alter-Ego so farblos und uninspiriert wie die Anspielungen auf die aktuelle Pandemie.

    Wir haben „Zeros And Ones“ beim Filmfestival in Locarno gesehen, wo Abel Ferrare als Bester Regisseur des Wettbewerbs ausgezeichnet wurde.

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