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    The Lost King
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Lost King

    Wohlfühlkino mit der wie immer tollen Sally Hawkins

    Von Ulf Lepelmeier

    Der britische Regisseur Stephen Frears ist längst ein Experte, wenn es darum geht, wahre Begebenheiten mit einer einnehmenden Kombination aus Komik und Tragik zu verfilmen: In „Die Queen“ (mit Helen Mirren), „Florence Foster Jenkins“ (mit Meryl Streep) oder „Philomena” (Judi Dench) inszenierte er jeweils auf herzerwärmend-humorvolle Weise spannende Frauenfiguren, die ihre Anliegen stets mit der nötigen Vehemenz verfolgten – und genau das ist nun auch wieder das Erfolgsrezept von „The Lost King“:

    Die Tragikomödie erzählt von der unscheinbaren Philippa Langley, die bei der Suche nach den Gebeinen des berüchtigten Königs Richard III. über sich hinauswächst. Von „Shape Of Water“-Star Sally Hawkins ganz wunderbar zwischen zaghafter Zurückhaltung und störrischer Eigensinnigkeit verkörpert, bahnt sich die niemals klein beigebenden Hobby-Archäologin so ihren ganz eigenen Weg in die Geschichtsbücher…

    Nur Philippa Langley (Sally Hawkins) kann den König sehen – und tut alles dafür, um seinen miserablen Ruf womöglich wieder etwas auzupolieren.

    Philippa Langley (Sally Hawkins) leidet unter einem chronischen Erschöpfungssyndrom. Im Büro wird sie deshalb auch nicht wirklich ernstgenommen und von ihrem Chef ständig übergangen. Nach dem Besuch einer Aufführung von Shakespeares „Richard III.“ ist die schüchterne alleinerziehende Mutter von dem ungeliebten Monarchen allerdings derart angetan, dass sie sich erst einmal jede Menge Bücher über ihn beschafft. Als ihr König Richard III (Harry Lloyd) dann auch noch höchstpersönlich erscheint, ist sie sich sicher, dass es ihre Aufgabe ist, seine verschollenen sterblichen Überreste zu finden (und so womöglich seinen schlechten Ruf aufzubessern).

    Ohne jeden archäologischen Background begibt sich Philippa – nur getrieben von ihrer Intuition – auf die Suche nach Richard III und muss dabei nicht nur mit eitlen, argwöhnischen Wissenschaftlern klarkommen, sondern auch damit umgehen, dass sich ihre beiden Söhne sowie ihr liebevoller Ex-Mann John (Steve Coogan) zunehmend um sie Sorgen machen. Doch Philippa gibt nicht auf – und schon bald sucht sie nach Sponsoren für eine Ausgrabung auf einem Parkplatz mitten in der Stadt Leicester…

    Die besten Geschichten schreibt eben das Leben

    Rund 100 Jahre nach dem Tod von Richard dem Dritten wurde William Shakespeares blutiges Drama „Richard III.“ 1593 uraufgeführt – und erreichte anschließend schnell eine immense Popularität. Inwieweit der letzte König aus dem Hause Plantagent wirklich ein herrschsüchtiger Tyrann und Kindsmörder war oder ob nicht die ihm nachfolgende Tudor-Dynastie ganze Arbeit leistete, um ihn in einem möglichst schlechten Licht dastehen zu lassen (wobei dann auch Shakespeare tatkräftig mithalf), lässt sich bis heute nicht genau sagen. Bis zum Jahr 2012 war nicht einmal klar, wo die sterblichen Überreste des Königs liegen könnten. Doch Philippa Langley sollte dies nur mit angelesenem Grundwissen sowie einen untrüglichen Intuition ändern. Eine genauso verrückte wie schöne wahre Geschichte, die wohl tatsächlich nur das Leben so schreiben kann.

    Stephen Frears erzählt diese Geschichte dabei so charmant und erfüllt von britischem Humor, dass einen diese ganz besondere Underdog-Story einer Frau, die sich bislang immer eher im Hintergrund hielt und auf einmal größte Entschlossenheit an den Tag legt, wirklich trefflich unterhält. Die Entscheidung, Richard als Erscheinung neben Philippa auftreten und ihr bestätigend zunicken zu lassen, ist eine ziemlich skurrile Inszenierungsidee, um die beinahe schon an Besessenheit grenzende Faszination der Protagonistin für Richard III inklusive ihrer Ausgrabungs-Vorhaben nachvollziehbar zu machen. Aber die gemeinsamen Szenen zwischen Phlippa und dem nur für sie wahrnehmbaren Richard stecken ebenfalls voller Charme und fügen sich so nahtlos in den Rest der Tragikomödie ein.

    Nachdem die Hobby-Archäologin bei ihren Nachforschungen fündig geworden ist, muss sie jetzt „nur noch“ jemanden überzeugen, tatsächlich den Boden aufzureißen und nach dem royalen Skelett zu suchen.

    Herzstück des Films ist dabei die bereits zweifach oscarnominierte Sally Hawkins, die ihre zunächst unscheinbar und körperlich fragil erscheinende, aber zu allem entschlossene Hobby-Historikerin mit jeder Menge Esprit verkörpert. Wie einst die unbekümmerte Poppy in Mike Leighs „Happy-Go-Lucky“ lässt sich auch Philippa nicht so leicht aus der Fassung bringen, wenn ihr andere mit Hohn begegnen oder sie der Lächerlichkeit preisgeben wollen. Weil sie immerhin mit einem toten König kommuniziert, schwankt auch das Publikum – genau wie ihre Familie – zwischen Bewunderung und Irritation bezüglich ihrer Hartnäckigkeit und ihrer zunehmenden aktiven Involvierung in der Richard III Society (die etwas von einer Zusammenkunft von archäologischen Verschwörungstheoretiker*innen hat) hin und her.

    Insbesondere Hawkins Zusammenspiel mit Stephen-Frears-Stamm-Kollaborateur Steve Coogan („Nachts im Museum“), der auch das Drehbuch mit verfasste, ist einnehmend: Die beiden arbeiten diese ganz besondere Vertrautheit heraus, die – Scheidung hin oder her – noch immer zwischen den Ex-Eheleuten besteht. Zudem begeistert das Duo mit schlagfertigen Dialogen, die wir hier stellvertretend für jenen typisch-britischen Humor nennen, der „The Lost King“ insgesamt auszeichnet.

    Fazit: Mit „The Lost King“ ist Stephen Frears ein amüsanter Feel-Good-Movie mit Empowerment-Komponente geglückt, in dem die wahre Underdog-Geschichte der wiedergefundenen sterblichen Überreste von Richard III. mit humorvollen Dialogen und grundsympathischen Figuren zum herzerwärmenden Vergnügen wird.

    Wir haben „The Lost King“ beim Filmfest München 2023 gesehen, wo er in der Reihe Spotlight zu sehen war.

     

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